Protocol of the Session on January 27, 2010

Sie haben vorhin in Ihrer Rede vom Mittelalter und sonst irgendetwas gesprochen. Um Himmels willen, war vor

drei Jahren das Mittelalter? Das,was Sie zum Teil machen, würde ich als Steinzeitpolitik bezeichnen. Demnach ist alles, was Lärm macht, gefährlich und böse.

Herr Kaufmann,lassen Sie uns bitte gemeinsam im Forum Flughafen daran arbeiten. Sie haben sicherlich auch guten Kontakt zu den Interessenorganisationen. Lassen Sie uns da weiterhin daran arbeiten. Das ist das richtige Forum, in dem wir uns mit dem Thema Fluglärm auseinandersetzen. Das geschah schon in den vergangenen Jahren. Das werden wir in den kommenden Monaten und Jahren dort fortsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Nach diesem Redebeitrag des Herrn Müller erteile ich jetzt Herrn Schaus für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Müller, wie Sie mit den Ängsten und Sorgen der Anwohner des Frankfurter Flughafens umgehen, verängstigt mich in gröbster Art und Weise. Um in Ihrem Duktus zu bleiben: Ich finde es in hohem Maße unangemessen, dass Sie in dieser Art und Weise zu dem Problem Stellung nehmen. Das fällt nur auf Sie selbst zurück.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, in den letzten Jahren haben zahlreiche Studien die gesundheitsgefährdende Wirkung des Fluglärms aufgezeigt. Die hohe Übereinstimmung der Aussagen der vorliegenden Studien, der lineare Zusammenhang zwischen Fluglärmpegel und Erkrankungsrisiko und insbesondere die Kenntnis über die Wirkungsmechanismen des Lärms auf den Blutdruck und das Immunsystem machen es, auch wissenschaftlich gesehen, evident, von einem kausalen Zusammenhang zwischen Fluglärm und Gesundheitsgefährdung und nicht mehr von einem reinen statistischen Zusammenhang auszugehen.

Die Aussage: „Fluglärm macht krank“, bringt nicht nur die Ängste der Menschen rund um den Frankfurter Flughafen auf den Punkt. Sie ist eine nur schwer zu hintergehende wissenschaftlich anerkannte Tatsache. Die Landesregierung versucht aber, die Folgen davon mit allen Mitteln kleinzureden und das zu ignorieren.

Mit drastischer Deutlichkeit und hoher Sicherheit zeigt die Studie des Herrn Prof. Eberhard Greiser etwas. Er hat sie im Übrigen im Auftrag des Umweltbundesamts gefertigt. Dazu lag das Datenmaterial von 1 Million Bürgerinnen und Bürgern vor, und zwar die Krankheitsdaten von den Krankenkassen. Das unterscheidet diese Studie wesentlich von anderen, die bisher dazu erfolgt sind. Herr Müller, ich vermute, Sie haben sich auf die Frankfurter Studie bezogen.

Mit dieser drastischen Deutlichkeit und mit dieser hohen Sicherheit zeigt die Studie, dass es besonders die Störungen der Nachtruhe sind, die zu einem erhöhten Risiko führen,Bluthochdruck und Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Depressionen und – was eine erschreckende neue Erkenntnis ist – das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, steigen ebenfalls mit der Do

sis des zu ertragenden Lärms, und das nach der Studie bereits ab 40 dB(A), also einer Größenordnung, die bisher gar nicht gemessen wurde und gar nicht sozusagen flächendeckend erfasst ist.

Die Größenordnungen sind von meinen Vorrednern schon genannt worden; ich will mich nicht wiederholen. Die Auseinandersetzungen um die Begrenzung des gesundheitsgefährdenden Fluglärms beim Ausbauprojekt gibt es spätestens seit Ende der Siebzigerjahre in Hessen. Immer ist es das gleiche Ritual. Die vom Fluglärm Betroffenen versuchen, ihre Gesundheit zu schützen und ein Stück Lebensqualität in ihrem Wohnumfeld zu verteidigen, während die Betreiber der Flughäfen und ihre Lobbyisten in der Politik die Gefahren durch Lärm herunterspielen, Sachzwänge wie Standortkonkurrenz und Wachstumslogik benennen und ökonomische Vorteile für die Region propagieren.

Genau dieses Spiel betreibt die Hessische Landesregierung seit Jahren.Es ist endlich offenbar geworden,dass sie nie ein ernsthaftes Interesse daran hatte, ein Nachtflugverbot zu erlassen, welches die Gesundheit der Bevölkerung schützen könnte. Die Landesregierung treibt ihre einseitig auf die Interessen der Luftverkehrsindustrie ausgerichtete Klientelpolitik aber nun auf die Spitze.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wie die Greiser-Studien jetzt auch dem Letzten deutlich gemacht haben sollten, geht es aber im Falle der Gesundheitsgefährdung durch Fluglärm nicht um einen Interessenausgleich. Es geht um Risikovorsorge. Das ist eine neue Qualität in dieser Debatte.Es geht um das Recht der im Rhein-Main-Gebiet lebenden Menschen, die wir schließlich auch vertreten, auf körperliche Unversehrtheit.

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Es geht um Tausende von Krankheitsfällen, die es zu verhindern gilt.Wie viele Krankheits- und frühzeitige Todesfälle ist uns der Flughafen wert? – Das ist die Frage, mit der die Propagandisten des Ausbauprojektes – Herr Müller – konfrontiert werden müssen. Ich frage die Landesregierung: Wie wollen Sie den Frauen, die in der Region in Frankfurt, Offenbach, Neu-Isenburg, Kelsterbach, Rüsselsheim, Raunheim, Mörfelden-Walldorf, Flörsheim, Hattersheim, Mainz usw. leben, erklären, dass sie, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens aufrechtzuerhalten, ein um 200 % höheres Brustkrebsrisiko akzeptieren müssen?

Was glauben Sie, welchen Zugewinn an Wettbewerbsfähigkeit,wirtschaftlichem Wachstum oder Wohlstand – was immer man darunter dann verstehen kann – Sie den Betroffenen versprechen müssen, damit sie bereit sind, dieses Risiko und in letzter Konsequenz das Leid zu ertragen? Sie winden sich um diese Konfrontation herum und versuchen mit immer neuen fadenscheinigen juristischen Winkelzügen und abwegigen Begründungen, den Problemen,die Sie mit ihrer Politik verursachen,aus dem Weg zu gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Posch, auf die von Ihnen geforderte wissenschaftliche Aufarbeitung der aktuellen Studie von Prof. Greiser müssen Sie nicht lange warten. Das erledigt bereits der Auftraggeber der Studie, das Umweltbundesamt, für Sie. Die Arbeiten sind in zwei bis drei Wochen abgeschlossen und stehen dann zur Verfügung.

Bei der Forderung nach einer epidemiologischen Studie geht es nicht um ein weiteres Gutachten, welches nochmals den Zusammenhang zwischen Fluglärmexposition und Krankheitsrisiken belegen soll. Da hätten wir etwas Grundlegendes missverstanden. Wer diesen Zusammenhang immer noch herunterspielen und negieren möchte, argumentiert in der gleichen Art und Weise grob fahrlässig wie die Leugner des Klimawandels.

Es geht darum, für die Rhein-Main-Region belastende Zahlen für die aktuell auf Fluglärm zurückzuführenden Krankheitsfälle zu erhalten. Darüber hinaus geht es darum, Aussagen über die durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens zusätzlich zu erwartende Anzahl an Krebsfällen zu erhalten. Herr Posch, dass Sie das Zustandekommen dieser Informationen gerne verhindern möchten, weil es Ihren Versuch, das Nachtflugverbot vollends zu kippen, scheitern lassen könnte, ist durchsichtig.

Meine Damen und Herren, eines ist aber sicher – da kann sich die Landesregierung noch so querstellen und an den Bedürfnissen der betroffenen Menschen vorbeigehen, sich Ausreden einfallen lassen –: Die Studie wird kommen, ob mit oder ohne Ihr Zutun, und wenn wir mit der Sammelbüchse durch die Gemeinden ziehen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber das wird gar nicht nötig sein. In Offenbach gibt es bereits einen interfraktionellen Beschluss, die Studie finanziell zu unterstützen. Auch aus Frankfurt gibt es Signale, sich finanziell zu beteiligen. Und die zahlreichen kleineren betroffenen Gemeinden sind so oder so bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten etwas beizutragen. Selbstverständlich wollen wir die Landesregierung aber nicht aus ihrer Verantwortung entlassen und fordern deshalb in unserem Antrag mindestens eine Drittelfinanzierung der Studie durch das Land Hessen. Das Land soll sich mit seiner finanziellen Beteiligung aber kein Mitspracherecht bei der Auftragsvergabe, dem Design oder der Präsentation der Ergebnisse erkaufen.

Bis auf einige Vertreterinnen oder Vertreter der SPD dürfte es wohl kaum jemanden wundern, dass es nach dem weitgehenden Ignorieren der Ergebnisse des Mediationsverfahrens, der Anfechtung der Bedeutung des Regionalplanes und des scheinheiligen Versprechens eines Nachtflugverbotes zwischen den vom Fluglärm betroffenen Menschen in der Region und der Hessischen Landesregierung keine Vertrauensbasis mehr gibt. Nur der SPD fällt leider nichts anderes ein, als genau wieder den Bock zum Gärtner zu machen.

(Günter Rudolph (SPD): Na, na, na!)

Haben Sie aus dem Versprechen von Herrn Holger Börner,dass es keinen weiteren Flughafenausbau mehr geben wird, immer noch nichts gelernt?

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Das gehört dazu, Günter. Ihr habt da eine andere Position.

(Florian Rentsch (FDP): Oh, „Günter“!)

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung, die Kali + Salz via öffentlich-rechtlichem Vertrag einen Blankoscheck zur Umweltzerstörung und Brunnenvergiftung durch Salzlauge gegeben hat, die gegen alle Sicherheitsbedenken und angesichts des hohen Krebsrisikos für Kinder RWE zur Laufzeitverlängerung der Atomreaktoren in Biblis verhelfen will und die E.ON in einem beschleunigten Verfahren zur Genehmigung des größten Kohle

kraftwerkes Europas mit einer immensen Quecksilberemission verhelfen will, und die Landesregierung, die in unvergleichlicher Weise die Menschen beim Nachtflugverbot betrogen hat – –

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Gott sei Dank!)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Diese Regierung will jetzt sogar die öffentliche Debatte über eine Studie zu den Gesundheitsrisiken bei Fluglärm verhindern. Die LINKE trägt weiterhin die Entscheidung der Bürgerinitiativen, vieler Kommunen und Kreise mit, einen vom Land unabhängigen Träger für die Studie zu Gesundheitsrisiken durch Fluglärm zu finden – im Interesse der Menschen im Rhein-Main-Gebiet.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Schönen Dank, Herr Kollege Schaus. – Da Herr Kollege Frankenberger aktuell seinen Redebeitrag zurückgezogen hat, hätten Sie, Herr Dr. Arnold, für die CDU-Fraktion jetzt die Möglichkeit, zu sprechen.

(Günter Rudolph (SPD): Jetzt die CDU mit ihrem Versprechen!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der GRÜNEN hat am Montag eine Studie des Bremer Mediziners Prof. Eberhard Greiser vorgestellt. Daraufhin haben die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Anhörung im Hessischen Landtag gefordert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN, wir sind gern bereit, hier im Landtag erneut über die Erweiterung des Frankfurter Flughafens und auch über die Bedeutung dieses größten privat finanzierten Investitionsprojektes in Hessen und in Deutschland zu sprechen.

(Günter Rudolph (SPD): Und über den Wortbruch der Landesregierung reden wir auch noch!)

Aber ich stelle mit Bedauern fest, dass Ihre Anträge dazu geeignet sind, mit sehr leicht zu erkennenden Argumenten dafür zu sorgen,dass die Menschen rund um den Flughafen Frankfurt mit dem Thema Gesundheit und Lärm verunsichert werden sollen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, was ist an Fakten darzustellen? Der genannte Bremer Mediziner Greiser hat im Auftrag des Umweltbundesamtes Daten von mehr als einer Million Flughafenanwohnern der Region Köln/Bonn ausgewertet, um damit den Einfluss von Fluglärm an diesem Flughafen auf Herz- und Kreislauferkrankungen zu untersuchen. Ziel dieser Studie ist unter anderem, die Grenzwerte des derzeitigen Fluglärmschutzgesetzes zu evaluieren.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sehr gut!)

Diese Studie kommt zu dem Schluss – und das ist kommentiert worden –, dass als Folge des Fluglärms ein deutlich gestiegenes Risiko von Schlaganfällen und HerzKreislauf-Erkrankungen festzustellen sei. Es gebe auch Hinweise, dass die Zahl der Krebserkrankungen bei Flughafenanwohnern signifikant steige; dies bedürfe aber noch weiterer Untersuchungen.

Ich sage an dieser Stelle eindeutig – Herr Kaufmann, da bin ich bei Ihnen –: Diese Studie ist ernst zu nehmen, ihre Auswirkungen sind zu bewerten. Aber ein paar Anmerkungen dazu möchte ich hier trotzdem deutlich sagen,und ich hoffe, Sie erkennen an dem Duktus meiner Ausführungen, dass ich versuche, sachlich an das Thema heranzugehen.

Diese Studie berücksichtigt logischerweise ausschließlich die Gegebenheiten am Flughafen Köln/Bonn.

(Günter Rudolph (SPD): Dort sind andere Flugzeuge als in Frankfurt!)

Versuchen Sie doch einmal, zuzuhören und mit Ihren Argumenten auf das einzugehen, was ich Ihnen sage. – Der Flughafen Köln/Bonn hat kein Nachtflugverbot. Die Flugbewegungen dort in der Nacht sind völlig anders zu bewerten, als dies in den Betriebsregelungen des Planfeststellungsbeschlusses zum Flughafen Frankfurt vorgesehen ist.