Protocol of the Session on January 27, 2010

Schauen wir doch einmal nach, ob das stimmt. Der Planfeststellungsbeschluss geht allerdings ohne weitere Prüfungen von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a des Fluglärmschutzgesetzes aus. Darin finden sich keine wissenschaftlich tragfähigen Befunde über die Wirkung von Fluglärm.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird schon daran deutlich, dass in diesem Gesetz aufgrund intensiver Lobbyarbeit der Fraport AG die sogenannte Frankfurter Schutzvorschrift aufgenommen wurde, nämlich die Unterscheidung in die Buchstaben a und b. Ab 2011, also nach der Genehmigung des Ausbaus in Frankfurt, gilt Buchstabe b – ein um immerhin 3 bis 4 dB(A) niedrigerer Grenzwert als der aktuelle Grenzwert –, während der Ausbau in Frankfurt unter Buchstabe a noch genehmigt werden konnte.

Ansonsten referiert der Planfeststellungsbeschluss nur kurz das Schutzkonzept aufgrund von Fluglärmkriterien der berüchtigten Vier: Griefahn, Jansen, Scheuch und Spreng. Das ist das berühmte Gutachten G 12, das sich in den Antragsunterlagen findet. Darin steht ein nicht unwichtiger Satz, der ein stützendes Element des sogenannten Schutzkonzepts ist. Ich zitiere:

Es kann deshalb vereinfachend als präventiver Richtwert für eine noch tolerable nächtliche Fluglärmbelastung unter Verwendung des physiologischen Überproportional-Schwellenwertes von L0 = 53 dB(A) und unter Berücksichtigung des vereinfachenden Ansatzes des physiologischen Modells das Kriterium 13 * 53 dB(A) vorgeschlagen werden.

Meine Damen und Herren, doch genau zu diesen Kriterien – das ist wichtig – gibt es,vielleicht abgesehen von wenigen Einzelbeobachtungen, keine empirische und erst recht keine epidemiologische Absicherung. Herr Posch, Sie haben doch behauptet, es sei alles berücksichtigt worden.Treten Sie hier ans Pult,und erklären Sie,wo im Planfeststellungsbeschluss Ihres Amtsvorgängers eine Berücksichtigung von Erkenntnissen aus epidemiologischen Studien zur Fluglärmwirkung oder sonstigen empirischen Absicherungen mit Querschnittsdaten aus der vom Fluglärm betroffenen Bevölkerung vermerkt ist. Ich stelle meinerseits fest, dass die Behauptung von Herrn Posch unwahr ist. Dem Planfeststellungsbeschluss liegt nichts dergleichen zugrunde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Wir haben aber jetzt wissenschaftliche und obendrein qualitätsgesicherte Ergebnisse epidemiologischer Studien, die durchaus Erschrecken verursachen. Mit aller gebotenen, der Wissenschaft eigenen Zurückhaltung lässt sich feststellen: Fluglärm führt von einem Dauerschallpegel von 40 dB(A) an zu relevanten Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs sowie bei Frauen unter anderem zu Brustkrebs. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Fluglärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen müsse als ursächlich angesehen werden,sagen die Wissenschaftler.

Diese Feststellung ist, im Gegensatz zur Ansicht von Herrn Posch, bereits wissenschaftlich aufgearbeitet. Zumindest wäre eine kritische Diskussion über die Schlussfolgerungen nicht nur möglich, sondern sogar dringend geboten.

Genau diesem Zweck soll die von uns beantragte Anhörung im Landtag dienen, in der wir selbstverständlich unterschiedliche Sichtweisen hören wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir plädieren nämlich – leider erkennbar im Gegensatz zu Ihnen – für einen rationalen Dialog und gegen eine emotionale Voreingenommenheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer, so frage ich, kann angesichts dieser Befunde allen Ernstes so tun, als wenn nichts wäre? Wer meint denn wirklich, dass man die Erkenntnisse aus den greiserschen Studien totschweigen soll? Ich darf den verehrten Lautsprecher von CDU und FDP freundlich darauf hinweisen, dass wir GRÜNEN weder Emotionen missbraucht noch unverantwortliche Panikmache oder grünen Aktionismus betrieben haben.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das wäre etwas Neues!)

Das waren alles die an uns gerichteten Vorwürfe, die Sie verbreitet haben.

Wir halten es allerdings für zwingend erforderlich, dass über die Erkenntnisse aus den Studien diskutiert wird und dass dann daraus Schlüsse gezogen werden. Aber wir hören und lesen von der Mehrheit in diesem Hause nichts anderes, als dass es eine Abwehrhaltung gibt und den dringenden Wunsch, diese Fakten zu ignorieren. Auch wenn die jetzt erkannten Folgen insbesondere des nächtlichen Fluglärms Ihnen nicht in den Kram passen, existieren sie bedauerlicherweise trotzdem. Herr Dr.Arnold, Sie werden diese Folgen auch nicht durch Ihr Schweigen beseitigen können.

(Dr.Walter Arnold (CDU):Will doch keiner!)

Da wir jetzt wissen, dass Krankheiten nicht erst von Dauerschallpegeln ab 60 dB(A) an aufwärts, sondern bereits von Dauerschallpegeln ab 40 dB(A) an aufwärts verursacht werden, sehen wir GRÜNE es aufgrund der Garantenpflicht des Staates im Hinblick auf die Grundrechte – ich erinnere an Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz – als unabdingbar an, genau nachzufragen und genau hinzuschauen. Genau das sollten eigentlich alle, die sich der Vernunft verschrieben haben, ebenfalls wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ich darf Sie daran erinnern, dass Sie sich gern als Hüter des Mediationsergebnisses hervortun. Dazu haben Sie jetzt wieder einmal eine gute Gelegenheit. Das in der Mediation bestätigte No-regret-Prinzip wäre nämlich massiv verletzt, wenn man den Erkenntnissen aus den epidemiologischen Studien nicht intensiv nachginge und die getroffenen und zu treffenden Entscheidungen nicht nach hieraus abzuleitenden Folgen beurteilte. Genau das wollen wir aber: dass sich die verantwortlichen hessischen Politiker verantwortungsvoll um den Schutz der Bevölkerung vor den gesundheitlichen Folgen des Fluglärms kümmern.

Meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktionen, deswegen appelliere ich an Sie: Geben Sie Ihren Widerstand dagegen auf, und treten Sie mit uns in einen rationalen Dialog ein. Oder wollen Sie uns am Ende dazu zwingen, parlamentarische Minderheitsrechte in Anspruch zu nehmen, nur um der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen? Das sollten Sie sich noch einmal gut überlegen, und in Verbindung damit sollten Sie sich anschauen, was eigentlich passiert: Dass immer mehr Kommunen unterschiedlichster politischer Couleur das Vertrauen in Ihre Art des Umgangs mit dem Fluglärmproblem verlieren, kann man den Zeitungen täglich entnehmen.

Gehen Sie in sich, und denken Sie noch einmal nach. In dieses Parlament gehört eine rationale Diskussion; denn wir vertreten die Öffentlichkeit, und wir haben dafür zu sorgen, dass sich der Staat um die Gesundheit seiner Bür

gerinnen und Bürger die richtigen Gedanken macht. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Kollege Kaufmann. – Für die FDPFraktion hat jetzt Herr Müller das Wort. Bitte schön, Herr Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Anfang meiner Rede möchte ich eines feststellen:Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Bürger vor jeglichen Gefahren ernst. Die Landesregierung hat sich, genau wie dieses Haus in den vergangenen Sitzungen, sehr intensiv mit dem Thema Fluglärm auseinandergesetzt.

(Günter Rudolph (SPD): Warum treffen Sie dann falsche Entscheidungen?)

Aber ich halte es für gefährlich und für fahrlässig, wenn die GRÜNEN das hohe Gut Gesundheit immer wieder für politische Zwecke emotionalisieren und missbrauchen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

So gemäßigt sich der Kollege Kaufmann heute hier gegeben hat, so wenig gemäßigt verhielt er sich in der Pressekonferenz am vergangenen Montag. Damit das klar ist: Ich kritisiere nicht, dass sich die GRÜNEN mit dem Thema Fluglärm auseinandersetzen. Aber ich halte die Art und Weise, wie sie das tun, nämlich wie sie damit auf niedrigstem Niveau Ängste schüren, einfach für gefährlich. Herr Kaufmann ist schon während der vergangenen Jahre immer wieder über das Ziel hinausgeschossen und hat sich dafür bereits Rügen im Parlament eingefangen.

(Günter Rudolph (SPD):Ach du lieber Gott!)

Mit seinen Äußerungen in der Pressekonferenz am vergangenen Montag hat er aber erneut die Regeln des politischen Anstands mehr als erheblich überschritten.

(Beifall bei der FDP)

Da er hier gesagt hat: „Wir schüren keine Ängste, und wir emotionalisieren nicht“, möchte ich einen Satz zitieren, den er am Montag wortwörtlich geäußert hat:

Oder können wir am Ende ernsthaft damit leben, wenn möglicherweise es als bewiesene Tatsache im Raum steht, dass der Fluglärm dazu führt, dass vielleicht Hunderte pro Jahr sterben müssen, die sonst weiterleben könnten? Ich stelle das bewusst als Frage.

Meine Damen und Herren, wer so etwas in dieser Art formuliert, der spitzt nicht mehr nur zu, sondern er schadet dem Prozess der politischen Diskussion und verlässt die Ebene der politischen Auseinandersetzung.

(Beifall bei der FDP – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wenn es stimmt!)

Herr Kaufmann, es ist unerträglich, wenn Sie der Landesregierung vorwerfen, leichtfertig mit Menschenleben umzugehen. Für solche Äußerungen sollten Sie sich schämen, und Sie sollten sie zurücknehmen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig und bekannt ist, dass dauerhafter Lärm, unabhängig davon, ob er von Flughäfen,Autos, der Bahn oder von Baustellen ausgeht, gesundheitliche Schäden verursacht.

Sie haben vor Kurzem einen Gesetzentwurf nach dem Motto „Kinderlärm ist Zukunftsmusik“ eingebracht. Kinderlärm erreicht schnell einmal einen Wert über 40 dB(A). Liebe GRÜNE, damit ist nach der Studie – nach Ihrer Auslegung – dieser Lärm lebensgefährlich, so natürlich er auch sein mag.Ich kann an Sie nur appellieren,ehrlich zu bleiben und nicht einmal so und einmal anders zu argumentieren. Lärm ist eben nicht immer vermeidbar, und wir sollten den Menschen auch nichts anderes vorgaukeln.

In einem Kommentar der „Frankfurter Rundschau“ war zu lesen: Nicht alles, was krank macht, ist verboten.Trotzdem muss man sehr sorgfältig immer wieder abwägen,wie viel Lärm vertretbar ist. – Das ist richtig, und genau das machen wir auch.

Den GRÜNEN geht es hier aber gar nicht um den Lärm und die Gesundheit, sondern den GRÜNEN geht es einzig und allein um den Flughafen, den sie nicht wollen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Der Flughafen macht Lärm!)

Herr Kaufmann, das ist auch deutlich geworden: Sie haben bestimmt zwei Drittel – wenn nicht mehr – Ihrer Rede dem Flughafen gewidmet.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo kommen die Flugzeuge denn her, Herr Kollege? – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie doch einmal zu. – Wenn es Ihnen um den Lärm und die Gesundheit der Menschen ginge, müssten Sie sich auch um den Bahnlärm und um den Autolärm kümmern. Aber davon ist bei Ihnen keine Rede. Im Rheintal fahren seit Jahren jede Nacht 50 Güterzüge rechtsrheinisch und 50 Güterzüge linksrheinisch. Die Gleise führen 10 m an den Häusern vorbei. Das ergibt eine Lärmbelastung von 70 bis 80 dB(A), und das nachts.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Dieses Lärmproblem ist seit Jahren bekannt.Auch hierzu hat Herr Prof. Greiser festgestellt, dass das gesundheitsschädlich ist.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)