Protocol of the Session on December 10, 2009

Das Problem ist doch, dass hier 20 Abgeordnete der FDP sitzen, die in den Landtag mit einer Wahlkampagne gekommen sind, bei der überall auf den Plakaten stand: „Unser Wort gilt“. Aber jetzt wollen Sie von Ihrem Wort nichts mehr wissen. Das ist Ihr Problem.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich fand sehr spannend, was der Wirtschaftsminister hier gesagt hat. Der Wirtschaftsminister hat sehr deutlich auf die Entscheidung zum Landesentwicklungsplan hingewiesen. Er hat gesagt: Oh Gott, oh Gott, der VGH sagt, dass die landesplanerischen Ziele, die festgelegt worden sind, auch etwas wert sind. Dazu sagt er: Das kann nicht sein, das ist eine grundlegende Veränderung.

Er vergisst dabei, dass er als Abgeordneter in namentlicher Abstimmung diese Ziele in den Landesentwicklungsplan hineingeschrieben hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Posch, Sie können minuten- und stundenlang herumfilibustern. Sie können minuten- und stundenlang Leute nach vorn schicken, die die 417 Seiten hochhalten und sagen, darin sei so unheimlich viel enthalten.Alle sagen, das sei so viel Papier, und man müsse das alles erst lesen.

Sie kommen an der eigentlichen Frage aber nicht vorbei. Im Gegensatz zu uns haben Sie sich für den Ausbau ausgesprochen. Sie haben gesagt, das Gegenstück dazu sei das Nachtflugverbot. Der VGH hat festgestellt, dass der Ausbau stattfinden kann. Das finden wir als GRÜNE nicht gut. Die spannende Frage ist aber, weshalb Sie von Ihrem Versprechen jetzt nichts mehr wissen wollen. Diese Frage haben Sie nicht beantwortet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und den LINKEN)

Das ist eine sehr grundsätzliche Frage. Welche Ursache hat eigentlich Politikverdrossenheit? Weshalb haben so viele Menschen ein Problem damit, wenn vor der Wahl etwas versprochen wird? Das ist doch auf solche Verhaltensweisen zurückzuführen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Hahn ruft die ganze Zeit schon von der Regierungsbank aus dazwischen. Meistens sprechen Ihre Zwischenrufe für sich, Herr Hahn, aber nicht für Sie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Der Herr Ministerpräsident hingegen ist sehr viel ruhiger, weil er genau weiß, dass es im Zusammenhang mit Vertrauen eine spannende Frage gibt, nämlich: Würden Sie von dieser Person einen Gebrauchtwagen kaufen?

(Holger Bellino (CDU): Wir reden über den Flughafen!)

Richtig, wir reden über den Flughafen, meinetwegen auch über ein Gebrauchtflugzeug. Die meisten Menschen kaufen aber nicht so oft gebrauchte Flugzeuge.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wenn Sie so weitermachen, dann wird in Zukunft im Rhein-Main-Gebiet von Ihnen noch nicht einmal jemand einen Gebrauchtwagen geschenkt haben wollen. Darüber sollten Sie sich einmal ernsthaft Gedanken machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich sage Ihnen sehr deutlich: Sie versuchen gerade, sich vom Acker zu machen. Das gilt z. B. auch für den direkt gewählten Abgeordneten aus Mühlheim. Dieser hat vielleicht auch irgendetwas mit dem Flughafenausbau zu tun, wenn er schon hier so dazwischenruft.

(Volker Hoff (CDU):Aber ja!)

Er hat aber auch im Wahlkampf etwas versprochen.

(Zuruf des Abg.Volker Hoff (CDU))

Vielen Dank für den Zwischenruf, Herr Hoff. Sie haben immer das Gleiche dazu gesagt. Jetzt können Sie Ihr Versprechen einlösen. Das ist relativ einfach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Mit der Drucks. 18/1685 haben wir einen sehr kurzen und deutlichen Entschließungsantrag vorgelegt. Darin heißt es:

Die Darlegungen des VGH zum rechtlichen Weg der Durchsetzung des Nachtflugverbots belegen eindrucksvoll, dass es keine unüberwindlichen Hindernisse gibt, das versprochene Nachtflugverbot tatsächlich einzuführen.

Demgemäß erwartet der Landtag von der Landesregierung, auf Revisionsanträge gegen die Urteile zu verzichten und unverzüglich das im Urteil ihr auferlegte ergänzende Planfeststellungsverfahren zum Nachtflugverbot durchzuführen.

So klar, so einfach.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir erleben gerade, dass Sie – nicht nur die Landesregierung, sondern jeder einzelne Abgeordnete von CDU und FDP, der auf der Grundlage eines Wahlversprechens in dieses Parlament gewählt worden ist – versuchen, sich vom Acker zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Patrick Burg- hardt (CDU): Stimmt doch gar nicht! – Zuruf von der CDU: So ein Unsinn! – Weiterer Zuruf von der CDU: Eine Unverschämtheit!)

Dabei wollen Sie nicht erwischt werden, Herr Dr.Arnold. Deshalb reden Sie so wortreich darum herum.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube immer noch daran, dass es ein paar Leute geben muss – vielleicht den direkt gewählten Abgeordneten aus dem Landkreis Groß-Gerau,den direkt gewählten Abgeordneten aus Mühlheim oder den anderen direkt gewählten Abgeordneten aus dem Landkreis Groß-Gerau –, denen das, was sie vor der Wahl versprochen haben, auch nach der Wahl noch irgendetwas wert ist.

(Patrick Burghardt (CDU): Ich habe es nicht versprochen!)

Deshalb beantrage ich namens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine namentliche Abstimmung über diesen Antrag. – Vielen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Gernot Grumbach für die SPDFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Regel gibt es sehr simple Anzeichen dafür, wenn ein Redner Schwächen in seiner Argumentation zeigt.

Erstes Anzeichen: Es wird falsch zitiert. Dieser Strategie folgte der Minister, indem er den Fraktionsvorsitzenden der SPD falsch zitierte. Ich wiederhole, was Thorsten Schäfer-Gümbel gesagt hat: Das Gericht hat entschieden, was wir – CDU,SPD und FDP – immer wollten.Die Tricksereien sind aufgeflogen, und der VGH hat Sie und Ihre Rechtstheoreme rund um den Planfeststellungsbeschluss zerpflückt. Das Urteil sind 417 Seiten Ohrfeigen.

(Zurufe von der CDU)

Das ist etwas ganz anderes als das, was Sie vorhin zitiert haben.

Zweites Anzeichen: Es wird unvollständig zitiert. Das ist die Technik des Kollegen Arnold.

(Zuruf des Abg. Dr.Walter Arnold (CDU))

Lassen Sie mich einfach vorlesen; denn das dient der Wahrheitsfindung:

... er schränkt den Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde hinsichtlich der Betriebsregelung für die Kernstunden der Nacht... – auf annähernd null – ein.

Weiter heißt es:

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist der Grundsatz zum Lärmschutz in der LEP-Änderung 2007 als grundsätzliches Verbot planmäßiger Flüge in der Zeit von 23 bis 5 Uhr zu verstehen, von dem Ausnahmen nur dann als gerechtfertigt erscheinen, wenn außergewöhnliche Betriebsbedingungen vorliegen, die zum Zeitpunkt der Landesplanung wegen fehlender Detailschärfe nicht vorhersehbar waren.

Herr Kollege Arnold, Sie haben den Satz, der Ihre Argumentation kaputt macht, nicht zitiert, weil Sie etwas anderes wollen. Das ist der Punkt, um den es hier geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Das ist Ihre Aus- legung!)

Ich komme zu einem dritten Aspekt, nämlich zum Gestus der Argumentation. Sie treten hier auf, als seien Sie eine unparteiische Gruppe, die ein Urteil lediglich zu analysieren habe. Das ist nicht korrekt. Streitige Gerichtsentscheidungen bedeuten, dass es zwei oder mehr Parteien gibt.Das Gericht entscheidet zwischen den Positionen der Parteien.

Wenn ein Gericht entschieden hat, dann stellt sich die spannende Frage, was eine betroffene Partei mit dem Urteil macht.Was macht eine betroffene Partei insbesondere dann mit dem Urteil, wenn es exakt der Position entspricht, die sie vor dem Verfahren eingenommen hat? Wenn sie das Urteil nicht akzeptiert, dann geht es nicht um Juristerei, sondern es geht um politischen Willen. Dann geht es darum, dass eine Partei nicht will.