Sie greifen in der Begründung Ihres Antrags auf Vermutungen und Unterstellungen zurück. Sie vermuten bei den uns vorliegenden Zahlen – die sind viel zitiert worden – eine erhebliche Dunkelziffer an unversorgten Schulabgängern. Sie unterstellen statistische Kosmetik bei Jugendlichen, die sich in Fördermaßnahmen und Weiterbildungsmaßnahmen fit machen. Herr Bocklet, deswegen habe ich es eben schon einmal als Zwischenruf deutlich gemacht. Wir sind gar nicht unterschiedlicher Meinung, dass diese Jugendlichen in diesen Weiterbildungsmaßnahmen stecken.Der eine oder andere sagt,dass sie noch eine Warteschleife drehen. Wir haben aber eine andere Auffassung, welche Qualität das hat.
Diese Jugendlichen sind in diesen Weiterbildungsmaßnahmen und Weiterqualifikationsmaßnahmen, um sich für den ersten Ausbildungsplatz fit zu machen.Da sind wir uns offenbar einig, wunderbar. Dann würde ich aber sagen,bitte jetzt nicht so tun,als ob das eine statistische Kosmetik an dem Arbeitsmarkt sei. Doch, Herr Bocklet, das kam bei Ihnen heraus. Da kommt vor allem aus dem Antrag der LINKEN der Vorwurf heraus.Also nicht den falschen Eindruck erwecken.
(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn die Jugendlichen da rauskommen, dann sind sie vorbereitet auf nichts! – Günter Schork (CDU): Wollen Sie damit sagen, dass das Berufsvorbereitungsjahr nichts bringt? – Zurufe von der LINKEN)
Herr Bocklet, wir kommen gleich noch darauf. – Meine Damen und Herren von den LINKEN, es wird der Eindruck erweckt, dass sich die Situation für Ausbildungssu
chende in diesem Land dramatisch verschlechtert hat.Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt hat sich zum Glück und dank der gemeinsamen Anstrengungen von Unternehmen und Kammern und dem Land Hessen deutlich verbessert. Der hessische Ausbildungsstellenmarkt ist trotz der gegenseitigen Wirtschaftskrise nicht beeinträchtigt. Ende September 2009 hatten wir hessenweit 635 unvermittelte Bewerber.
Diesen 635 stehen aber 1.310 unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. Ich wiederhole es gern noch einmal: zwei offene Plätze je unvermittelter Bewerber. Das ist die Realität. Dieser Realität müssen sich auch die LINKEN stellen.
Der Bund hat sich am hessischen Altbewerberprogramm orientiert – das ist viel zitiert worden – und ein vergleichbares Programm im Rechtskreis des SGB III mit dem Ausbildungsbonus aufgelegt. Durch diese Umstrukturierung des hessischen Altbewerberprogramms geht kein einziger betrieblicher Ausbildungsplatz für diese Zielgruppe verloren. Der Haushaltsansatz 2010 – Sie haben recht – wurde im Vergleich zu 2009 um 4,2 Millionen c gekürzt. Diese Summe entspricht aber der Förderung durch den Bund für den Ausbildungsbonus.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Bocklet, Frau Wissler, Hessen hat als einziges Bundesland die Programme nicht sofort eingestellt oder modifiziert. Das kann man vor allem nicht von den Ländern sagen, wo die LINKEN mitregieren. Ich würde das gerne für die GRÜNEN vielleicht zitieren. Nur sind Sie leider nicht in allzu vielen Bundesländern noch in der Landesregierung.
Im Wirtschaftsministerium bleiben alle anderen Ausbildungsplatzförderprogramme in vollem Umfang erhalten. Nur Hessen hat die Programme nicht sofort eingestellt.
Meine Damen und Herren, halten wir uns ein bisschen an den Antrag der LINKEN. Zur Forderung in Ihrem Antrag, was die Aufgaben des Landes betrifft, muss ich Ihnen sagen, das ist eben eine Fehlannahme. Darauf kommen wir an diesem Punkt immer wieder. Es ist eben nicht Aufgabe des Landes oder hessischer Unternehmen, jedem Bewerber an jedem Ort in jedem gewünschten Unternehmen einen Traumjob anzubieten.
Meine Damen und Herren, das ist unmöglich. An der Stelle werden wir uns immer wieder begegnen. Das ist unmöglich,selbst für die LINKEN,Frau Wissler.Das werden Sie niemals erreichen können, zumindest dann nicht, wenn Sie an dem dualen Ausbildungssystem festhalten wollen. Leider ist auch nicht jeder Bewerber gleichermaßen qualifiziert.
Darum ist auch die Unterstellung der statistischen Kosmetik, die die ganze Zeit hier durchschwirrt, bei den Schulabgängern, die Fördermaßnahmen in weiterführenden Schulen besuchen wollen, die sich für einen gewünschten Ausbildungsplatz qualifizieren, eben entkräftet. Sie können das nicht erreichen. Sie können das nicht mit den Maßnahmen erreichen, wenn Sie irgendwo noch daran glauben, dass das duale System das beste Ausbildungssystem ist,das wir in Deutschland und in Europa haben.
Wenn Sie das infrage stellen, wenn Sie natürlich staatliche Lösungen bevorzugen, dann kommen wir in der Tat dazu, dann könnten Sie vielleicht jedem Wunsch nachkommen. Selbst dann würde es Ihnen wohl nicht gelingen, weil Sie so vielen Wünschen gar nicht nachgehen wollen. Dann werden Sie diesen Zielkonflikt haben, weil Sie das nicht schaffen.Sie können nicht jedem Bewerber seinen Traumberuf vermitteln. Deswegen können Sie die statistischen Zahlen immer in die falsche Richtung interpretieren. Wir werden uns an dieser Stelle immer wieder begegnen, wenn Sie sich nicht davon verabschieden, dass Sie jedem Auszubildenden an jedem Ort in jedem gewünschten Unternehmen den Ausbildungsplatz zur Verfügung stellen wollen, wofür er im Zweifelsfall noch nicht einmal qualifiziert ist.
Vermutungen und Unterstellungen reichen als Argumente nicht aus. Ich würde mich ganz gern ernsthaft mit Ihnen über diesen Antrag unterhalten,aber es reicht nicht aus, um diesen Antrag ernsthaft zu diskutieren, geschweige denn, dazu eine Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, wirtschaftliches Wachstum schafft Zukunft, schafft Wohlstand und schafft Ausbildungsplätze. Hessen ist dabei auf einem sehr guten Weg. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit der einfachen Feststellung beginnen:Der Antrag der LINKEN, er schadet nichts. Ob er hilft, das entscheidet nicht die LINKE, sondern das entscheiden wir hier miteinander, wie wir mit dieser Fragestellung, wie wir mit diesem Thema umgehen. Ich glaube, es eignet sich kein Thema weniger als dieses, um auf den Buckeln von Betroffenen Politik zu machen.
Es wird darauf ankommen, sich um die Menschen zu kümmern, die wirklich betroffen sind – wer das ist, wie viele das sind, haben wir teilweise gehört, ich werde darauf noch zu sprechen kommen –, weil das eine der Zukunftsfragen, wenn nicht die Zukunftsfrage unserer Gesellschaft ist. Wir sagen oft: keine Therapie ohne Diagnose.Aber es fällt verdammt schwer, angesichts der Fragestellung, die hier angesprochen ist, zu einer vernünfti
gen Diagnose zu kommen. Da schwirren die unterschiedlichsten Zahlen durch die Medien. Aber nicht nur durch die Medien, auch in der Verwaltung, auch im Ministerium sind unterschiedliche Zahlen angekommen. Die Situation, die wir vorfinden, hat meine Fraktion angeregt, im Ministerium für Arbeit
das lassen wir in unserem Fall weg – nachzufragen, und der Herr Minister hat antworten lassen. Spätestens diese Antwort rechtfertigt den Antrag der LINKEN, um Klarheit in die Situation hineinzubringen, wie denn die reale Situation ist. Die Antwort macht deutlich – das kann man nachlesen, wir sind von der Fraktion gern bereit, sie allen anderen Fraktionen zur Verfügung zu stellen –, es gibt eine große Diskrepanz in den veröffentlichten Zahlen. Und das Ministerium ist ratlos,woher das kommt.Wir vermuten, solche Formulierungen sind dort zu lesen.
Es ist für mich eine wichtige Voraussetzung, dass wir uns zunächst mit dem Datenmaterial ordentlich auseinandersetzen, damit da nicht mehr als nötig durch das Raster fallen – schlimm genug für jeden, der durchfällt.
Kollege Bocklet hat eben von den 35.000 gesprochen – es sind fast 36.000. Davon münden 13.500, also knapp 38 %, in eine ungeförderte betriebliche Ausbildung, zusätzlich gut 3.000 in eine geförderte betriebliche Ausbildung. Es bleiben aber immer noch gut 19.000, die entweder in einer Fördermaßnahme sind, die eine Warteschleife drehen oder – auch das ist nachzulesen – deren Verbleib unbekannt ist. Dann heißt es ganz lapidar: Lediglich 637 sind unversorgt. Das ist nur ein Drittel derer, die tatsächlich – nach den Zahlen, die der DGB nennt, aber auch andere – unversorgt sind, ein Drittel nur. Die anderen zwei Drittel müssen uns wichtig sein und wichtig werden.
Darum ist der Antrag der LINKEN, insbesondere in seinen ersten beiden Punkten, äußerst wichtig: das zunächst festzustellen.
Um damit umzugehen, um aufgrund der Diagnose zu einer vernünftigen Therapie zu kommen, braucht es etwas mehr, als dann die weiteren Punkte unter II beschreiben. Ich glaube, da darf man auf viele Programme zurückgreifen, die es anderswo gibt. Die muss man sich anschauen. Ich will ausdrücklich sagen: Nicht alles in diesem Bereich ist schlecht, im Gegenteil.
Aber mehr als zwei Drittel – wir reden da von gut 19.000 Personen – bleiben auf der Strecke.Von denen wissen wir nur bedingt etwas. Für die haben wir keine adäquate Ausbildungsstelle. Die müssen uns in der nächsten Zeit dringend beschäftigen.
Ich komme auf einen Punkt zu sprechen, der in der bisherigen Debatte keine Rolle gespielt hat, jedenfalls habe ich es nicht gehört. Ich bin heilfroh, wenn sich – dann hoffentlich im Januar – die Enquetekommission zum Thema Integration konstituiert. Denn ich habe den begründeten Verdacht, es gibt einen engen Zusammenhang zwischen dem Thema Integration und dem Thema Ausbildung;auch dazu liegt die eine oder andere Untersuchung vor. Das
werden wir uns in der Enquetekommission sehr genau anschauen. Dann werden wir womöglich eine weitere Antwort auf die Fragen finden, die hier aufgeworfen wurden. Ich meine, wir haben jedenfalls genug Material, um im Ausschuss im Sinne der Betroffenen – und nicht nach dem Motto: wer hat gewonnen? – eine gute Lösung zu finden. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige allgemeine Bemerkungen, und dann will ich gern auf den Antrag der LINKEN eingehen.
Nach dem Verlauf dieser Diskussion habe ich nur ein bisschen den Eindruck, wir verwechseln da manche Dinge. Denn die allgemeine Ausbildungssituation hat mit dem, was im Antrag der LINKEN steht, überhaupt nichts zu tun.
Dort geht es um einen ganz speziellen Bereich, nämlich die Altbewerber, und dazu haben die Kollegen Lenders und Schork schon einiges gesagt. Ich bin es gewöhnt, mich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die hier beantragt wurden.
Herr Kollege Roth, ich bin gern bereit, im Ausschuss über das Zahlenmaterial zu diskutieren, das Sie hier angeführt haben, und möglicherweise das eine oder andere dabei aufzuklären.
Das hat seine Ursache zum Teil darin, dass all das, was wir als statistisches Material von der Arbeitsverwaltung bekommen, natürlich nur das ist, was dort auch anlandet. Vieles aus dem Bereich der Berufswahl und der Ausbildungsplatzsuche, das sich heute in ganz anderen Bereichen abspielt, erscheint in den Statistiken der Arbeitsverwaltung überhaupt nicht.