Protocol of the Session on December 9, 2009

Meine Damen und Herren, das kann so nicht stehen bleiben. Ich habe im Zusammenhang mit diesen Themen an anderer Stelle schon einmal gesagt: Wir reden hier über Menschen und nicht über Schrauben.

Frau Kollegin, entweder wissen Sie es nicht besser – das würde mich enttäuschen –, oder das, was Sie ausgeführt haben, war nicht zutreffend. Seit dem ersten Tag meiner Amtsführung und, soweit ich das beurteilen kann, auch während der Amtszeit meines Vorgängers – das sind zu

sammen über 14 Jahre – gilt in der hessischen Verwaltung der Grundsatz, dass niemand seine Schulausbildung abbrechen und dass schon gar niemand auf sein Abitur oder auf Ähnliches verzichten muss, um hier ein Aufenthaltsrecht zu bekommen.

Die Erlasslage ist: Wir billigen es jedem zu, dass er seinen Schulabschluss macht und dass er eine berufliche Ausbildung bekommt. Das geschieht genau deshalb, weil wir sagen:Wenn einer schon gehen muss, wollen wir ihm wenigstens die Chance geben, dass er einen qualifizierten Schulabschluss und einen Ausbildungsabschluss erwirbt. Das ist in jedem Fall besser, als wenn er mit einer abgebrochenen Ausbildung zurückgehen würde. Das gilt seit 1998.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir können die Punkte unterschiedlich beurteilen. Das ist in Ordnung.Wir können sie auch politisch unterschiedlich bewerten.Aber ich bitte darum, dass hier sachgerecht und wahrheitsgemäß vorgetragen wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Kollege Merz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, zunächst einmal hat sich Ihre Rede über weite Strecken wohltuend von dem abgehoben, was Herr Kollege Bellino hier vorgetragen hat.

(Zurufe von der CDU)

Doch, Herr Bellino, Sie haben hier die Nummer mit den kriminellen Ausländern gebracht – um das klar und deutlich zu sagen.

(Zurufe von der CDU)

Jawohl, das haben Sie.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, aber auch Sie haben eine paar Dinge gesagt, die ich nicht unkommentiert lassen will.

Das eine ist Folgendes. Wir sollten aus Respekt vor den Menschen, um die es hier geht, die sich als Sachwalter der Interessen einzelner Personen verstehen, die sich in humanitär sehr schwierigen Situationen befinden, sie nicht mit dem Wort „moralinsauer“ belegen. Ich finde, das ist nicht in Ordnung. Das wird dem Anliegen dieser Menschen nicht gerecht. Es ist durchaus nicht so, dass sich hier die Moralapostel auf der einen Seite und die rationalen Vertreter des Gemeinwohls auf der anderen Seite gegenüberstehen würden. Das entspricht nicht der Realität.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es! – Peter Beuth (CDU): Herr Kollege Merz, dann sollten Sie anders reden!)

Die Realität ist auch nicht, dass es bei diesem Verfahren innerhalb der Kommission um eine Gegenüberstellung zwischen diesen Personen und den besonders berufenen Vertretern des Allgemeininteresses geht. Denn zweifellos sind wir das als Landtagsabgeordnete. Wer wollte das bestreiten?

Aber darum geht es nicht in der Kommission. Der Ausgleich zwischen den humanitären Aspekten des Einzel

falls und den Interessen der Allgemeinheit wird durch das Zusammenspiel mit dem Minister hergestellt. Sie sind in diesem Fall der Berufene und gesetzlich bestimmte Vertreter des Allgemeininteresses. Da haben Sie abzuwägen. Sie haben auch gesagt, dass Sie das tun.

(Peter Beuth (CDU): Sie lehnen es ab, die Verantwortung zu übernehmen!)

Wir haben erfahren, dass in 23 der 26 Fälle dieses Zusammenspiel offensichtlich so funktioniert hat, dass Sie nach mehr oder weniger langen Überlegungen – das so zu machen gehört zu Ihrem Amt, so verstehen Sie das, so habe ich das verstanden, das ist zu respektieren – zu derselben Auffassung wie die Kommission gekommen sind. Das ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist Folgendes: Sie haben im Zusammenhang mit der Frage der Sicherung des Lebensunterhaltes davon gesprochen, dass es ein Einverständnis darüber gebe, dass keine Einwanderung in die Sozialversicherungssysteme stattfinden dürfe. Ich will jetzt einmal dahingestellt sein lassen, ob es diese Übereinkunft tatsächlich so gibt, wie Sie das gesagt haben.

(Peter Beuth (CDU): Das ist interessant! Welche Position hat denn die SPD dazu?)

Aber darum geht es in diesen Fällen nicht. In den Fällen, über die wir hier reden,nämlich diejenigen,die in die Härtefallkommission kommen, hat die Zuwanderung, wenn man so will, längst stattgefunden. Es sind Menschen, die hier seit vielen Jahren leben und denen aus humanitären Gründen ein Bleiberecht eingeräumt wird oder nicht. In diesem Zusammenhang kann überhaupt keine Rede davon sein, dass es um die Frage gehe, ob eine Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme stattfindet. Auch das konnte so nicht stehen bleiben. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Sie können nur Bezug nehmen auf den Vorredner. Das war Herr Merz. Sie können nicht auf einen Bezug nehmen, der davor gesprochen hat.

Herr Bellino, Sie haben das Wort.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Sehr geehrter Herr Schaus,wenn ich einen lila Zettel bekomme, denke ich an das, was mit Lila zu tun hat. Bekomme ich einen gelben Zettel, denke ich an das, was mit Gelb zu tun hat. Okay?

(Horst Klee (CDU): So einfach ist das!)

Herr Schaus, ansonsten bekommen Sie die rote Karte.

Aber nicht von mir. – Herr Kollege Bellino, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Merz, die Frage der Zuwanderung in die So

zialsysteme kann man durchaus ansprechen. Denn jeder, der sich mit dieser Thematik auseinandersetzt, weiß doch, dass wir die haben.Das ist doch so.Man muss das auch benennen dürfen.

Das hat auch mit anderen Themen der Ausländerpolitik, der Asylpolitik und der Integrationspolitik zu tun. Man sucht nach Gemeinsamkeiten und nach Lösungen. Man darf aber auch die Problemstellungen nennen. Denn das ist ein ganz wichtiges Problem.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe sechseinhalb Jahre in diesem Gremium mitgearbeitet. Ich weiß, wie intensiv da abgewogen wurde.

Frau Kollegin Öztürk, Sie stellen immer so schöne Bilder. Mir ist kein Fall bekannt, in dem jemand seine Schulausbildung abbrechen musste, um für seine Familie Geld zu verdienen oder in dem eine ältere Dame das Land verlassen musste – Sie sagten das so –, weil sie keine Krankenversicherung hatte oder weil der Lebensunterhalt nicht gesichert war.

Damals waren es nur die „bösen Politiker“, die Sie in diesem Gremium nicht mehr sehen wollten. Da waren nur Politiker. Das war eine reinrassige Politikveranstaltung. Wir haben immer nach Lösungen gesucht und auch Lösungen gefunden, damit diese Leute hierbleiben konnten. Das will ich auch in aller Deutlichkeit noch einmal sagen.

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist falsch!)

Herr Dr. Jürgens, Sie können sich noch einmal melden. Ich mache das Podium gleich frei. Dann können Sie sich hier entsprechend auslassen.

Das ist auch deshalb gelungen, weil das Innenministerium immer bereit war, jegliche Frage zu beantworten. Es hat mit uns gemeinsam nach Lösungen gesucht,sofern das gerechtfertigt war, sofern also keine Ausschlussgründe vorlagen, wie etwa Straffälligkeit oder andere.

Sie haben das eben als Gegensatz dargestellt. Die Sicherung des Lebensunterhaltes auf der einen Seite und die Humanität auf der anderen Seite stellen aber keinen Widerspruch dar. Wenn man nur will, kann das gelingen, und zwar auch in Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden und in Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Landkreisen. Mit ihnen zusammen kann man Lösungen finden, dass die Bürger, wenn sie sich hier entsprechend eingliedern wollen, auch eine Möglichkeit dazu bekommen.

Im Übrigen könnten auch andere darüber nachdenken, ob sie Zuschüsse leisten wollen. Es ist relativ einfach, als Nichtregierungsorganisation irgendwelche Forderungen zu stellen. Man kann dann aber auch überlegen, ob man sich daran beteiligt.

Ich warte immer noch auf die Beispiele und auf die konkreten Fälle. Nennen Sie die konkreten Fälle. Mit denen können wir bzw. die Kollegen in dem Gremium sich dann auseinandersetzen.

Die Zahlen sind etwa halbes Jahr alt. In der 16. Wahlperiode hatten wir 186 Fälle. Damals waren davon noch 29 offen. Die sind vielleicht jetzt auch entschieden. In den 186 Fällen wurde der Antrag von den Antragstellern in 76 Fällen zurückgezogen.In 32 Fällen wurde abgelehnt.In 67 Fällen gab es eine Zustimmung.

Das sind die Fakten. Die sind belastbar. Das zeigt, wie die damals bestehende Härtefallkommission gearbeitet hat.

Ich bin zuversichtlich, dass dann, wenn sich der Rauch der Polemik etwas gelegt hat, die neu besetzte Härtefallkommission genauso arbeiten wird. Das tut dann beiden Seiten gut, nämlich unserer Gesellschaft und denjenigen, die die Anträge stellen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das Wort hat nun Frau Abg. Cárdenas.