Protocol of the Session on December 8, 2009

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von RotGrün, Sie müssen mir eine zweite Feststellung gestatten. Sie gerieren sich hier sehr gerne als große Verfechter von Bürgerrechten. Sie werden sehr laut, wenn es in diesem Hause um notwendige zusätzliche Befugnisse für die Polizei geht.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Dabei blenden Sie aus, was Sie selbst – das gilt vor allem für die SPD – im BKA-Gesetz zur Gesetzeskraft erhoben haben. Gerade für den Änderungsantrag der SPD, der jetzt zum HSOG vorliegt, gilt: Über weite Strecken haben Sie in Berlin genau das ins Gesetz geschrieben, was Sie der hessischen Polizei vorenthalten möchten. Sie haben sogar noch viel mehr hineingeschrieben.Ich nenne nur die Stichworte: Onlinedurchsuchung, durchlöcherter Schutz des Anwaltsgeheimnisses, Internetsperren. Sie vergessen dann ganz gerne, und hier dürfen sich auch die GRÜNEN angesprochen fühlen, welche Grundrechte Sie durch Ihren grün-roten Bundesinnenminister Otto Schily – aus grün wurde rot; das kommt anscheinend häufiger vor – als weniger relevant eingestuft haben. Seine Maßnahmen haben als die sogenannten Otto-Kataloge eine fragwürdige bundesweite Berühmtheit erlangt.

Noch ein paar Stichworte für die GRÜNEN – das können Sie gerne haben –: weitgehende Abschaffung des Bankgeheimnisses, Inlandszuständigkeit für den Auslandsgeheimdienst BND, nahezu unbegrenzter Zugriff der Geheimdienste auf Kundendaten von Telekommunikationsunternehmen, Post- und Luftfahrtunternehmen, und das alles, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, ohne Benachrichtigung der Betroffenen, sodass es nicht einmal nachträglich einen Rechtsschutz gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Gegensatz dazu haben wir, die Fraktionen von CDU und FDP, die Eingriffsvoraussetzungen bei der sogenannten QuellenTKÜ entsprechend eng gefasst. Eine Onlinedurchsuchung gibt es in Hessen nicht.

(Beifall bei der FDP)

Während Sie zunächst mit den Otto-Katalogen und neuerlich mit dem BKA-Gesetz die größten und umfassendsten Eingriffe in Bürger- und Freiheitsrechte, die es in Deutschland je gegeben hat, mit den niedrigsten Eingriffsvoraussetzungen, die es in Deutschland je gegeben hat, gesetzlich legitimiert haben, bringen wir in ausgewogenem Maße Freiheit und Sicherheit in Einklang miteinander.

Lassen Sie es mich zum Schluss sagen: Wir stärken die Handlungsfähigkeit der Polizei, wo es notwendig ist. Wir passen das Gesetz den facettenreichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an, und wir schützen die Bürgerrechte, die Grundrechte und die Freiheitsrechte in Hessen.

Herr Greilich, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme absolut zum Schluss und darf als Vertreter der FDP bei aller gebotenen Bescheidenheit mit einem gewissen Stolz sagen: Die FDP hat einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran, dass dieser Gesetzentwurf so ausgewogen auf den Weg gebracht wurde. Deshalb können wir auch sagen: Dieses Polizeigesetz ist das liberalste, das es in Hessen je gegeben hat.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Greilich. – Als Nächste hat Frau Kollegin Faeser das Wort für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Herr Greilich, wenn man Ihrer Rede zuhört, hat man den Eindruck, Sie hätten weder die Anhörungsunterlagen gelesen, noch wären Sie bei der Anhörung am 30. September anwesend gewesen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier von dem liberalsten Gesetz zu reden ist wirklich eine Frechheit. Denn der vorgelegte Gesetzentwurf von CDU und FDP zur Regelung des hessischen Polizeigesetzes genügt gerade nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Greilich, dem Gesetz fehlt gerade auch die notwendige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit, die Sie hier freimütig eingefordert haben. Sie ist nicht gegeben. Dazu ist es auch noch handwerklich schlecht gemacht, Herr Greilich. Das haben die schriftliche und auch die mündliche Anhörung vom 30. September eindrucksvoll ergeben. Ich weiß nicht, warum Sie das heute ignorieren und auf Bundespolitik verweisen, um Ihren eigenen, schlecht gemachten und verfassungswidrigen Gesetzentwurf zu verteidigen.

Meine Damen und Herren, um zu erreichen, dass Hessen nach fünf Jahren verfassungswidrigem Zustand endlich ein verfassungsgemäßes, modernes Polizeirecht bekommt, hat die SPD-Fraktion einen umfangreichen Änderungsantrag zu den einzelnen Befugnissen eingebracht:

Automatisierte Kennzeichenerfassung. Herr Greilich, das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 11.03.2008 die Regelung über die Kennzeichenerfassung im hessischen Polizeigesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Polizeirecht war zu unbestimmt und der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu hoch. Das betraf die Regelung des § 14 Abs. 5. Herr Greilich, ich habe vermisst, dass Sie erklären, warum der für verfassungswidrig erklärte Paragraf nach wie vor in Ihrem Gesetzentwurf steht.Wie kommt denn das?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie halten nach wie vor daran fest. Deswegen haben wir beantragt, diese Passage ersatzlos zu streichen; das ist § 14 Abs. 5.

Aber auch die Neuregelung der Kennzeichenüberwachung in § 14a HSOG ist bedenklich. Unter Verfassungsrechtlern bestehen Zweifel – das hat die Anhörung eindrucksvoll bewiesen – an der grundsätzlichen Eignung der automatisierten Kennzeichenerfassung als polizeiliche Maßnahme. Zum einen wird in der Praxis die Effizienz bezweifelt. Sie ist nämlich nur dann wirksam, wenn ausreichend Personal zur Verfügung steht,um die Maßnahme zu begleiten, und das steht es in Hessen leider nicht.

(Holger Bellino (CDU): So viele wie noch nie zuvor!)

Zum anderen hat die Praxis in einigen Bundesländern gezeigt, dass Aufwand und Ertrag im Rahmen einer verfassungsrechtlich zulässigen Normierung der Kennzeichenerfassung in keinem Verhältnis zueinander stehen. Deshalb sind die ersten Bundesländer dazu übergegangen, es wieder abzuschaffen, nämlich Bremen und SchleswigHolstein. Soweit ich weiß, wird Schleswig-Holstein von CDU und FDP regiert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen spricht gegen die von CDU und FDP vorgesehenen Überwachungspläne – auch dazu haben Sie nichts gesagt –, dass in Hessen nicht nur die Kennzeichen erfasst werden.Nein,es werden auch noch die Personen in den Fahrzeugen erfasst, und das ist ein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte informationelle Selbstbestimmung. Das schießt weit über das Ziel der bloßen Gefahrenabwehr hinaus und ist somit verfassungswidrig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Greilich (FDP): Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung!)

Auch das war Ergebnis der Anhörung, Herr Greilich.

Zur Telekommunikationsüberwachung. Sie haben gesagt, dass für das Eindringen in informationstechnische Systeme, die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die Befugnisse eingeschränkt werden. Das sehen wir anders. Sie haben das BKA-Gesetz vielfältig erwähnt. Diese Regelung orientiert sich am BKA-Gesetz. Allerdings müssen bei der Gefahrenabwehr im Landesrecht wesentlich strengere Regeln gelten. Sie bedarf nämlich einer Abwendung der gegenwärtigen Gefahr. Daran fehlt es hier leider. Wenn man die Endgeräte erfasst, z. B. einen Computer, um Computertelefonie zu überwachen, wäre es gerade das Eindringen in den Wohnraum, und das ist besonders sensibel. Hier haben Sie leider den Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre nur unzureichend geregelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur Rasterfahndung. Das Bundesverfassungsgericht hat den Anwendungsbereich der Rasterfahndung im Landesrecht klar eingegrenzt. Es hat ausdrücklich entschieden, dass die Rasterfahndung nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulässig ist. Diesen Anforderungen genügt der Gesetzentwurf der CDU und der FDP keinesfalls, weshalb wir mit unserem Änderungsantrag hier einen konkreten Gefahrenbegriff eingefügt haben. Wir bitten, diesen zu unterstützen.

Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich Herrn Prof. Dr. Gusy von der Universität Bielefeld zitieren. Er hat in seinem mündlichen Vortrag im Ausschuss gesagt, normalerweise können Gefahren im Vorfeld „nicht hinreichend bestimmt werden“.

Man kann Gefahren, von denen man noch nicht einmal weiß, worin sie eigentlich bestehen und wer die Urheber sind, kaum so klar bezeichnen, dass sich daraus ein Raster basteln lässt.Das mag bei der Strafverfolgung, wenn die Straftat schon begangen ist, anders sein. Bei der Gefahrenabwehr dagegen ist das praktisch nicht möglich, …

Dementsprechend schießen Sie auch hier über das Ziel hinaus. Wir lehnen das deshalb auch ab und haben einen konkreten Gefahrenbegriff eingefügt.

(Beifall bei der SPD)

Zur Wohnraumüberwachung. Da haben Sie zum Teil recht,dass Sie den Kernbereichsschutz verbessert haben – aber noch nicht hinreichend. Die Wohnraumüberwachung gehört laut Bundesverfassungsgericht zu den sensibelsten und stärksten Eingriffen in die Menschenwürde und den Schutz des Wohnraums.Deshalb ist grundsätzlich fraglich, ob dieses Instrumentarium hier überhaupt zulässig ist. Übrigens, das sage ich Ihnen auch einmal dazu, bevor Sie hier so laut schreien:Von 1998 bis 2003 hat es diese Maßnahme in Hessen überhaupt nicht gegeben.

(Zurufe von der CDU)

Aber selbst wenn man es ausnahmsweise für erforderlich hält, müssen die Eingriffsvoraussetzungen rechtsstaatlich einwandfrei reguliert werden. Diesen Anforderungen genügt das Gesetz hinsichtlich der Regelung des geschützten Kernbereichs immer noch nicht.

Mit Genehmigung des Präsidenten darf ich Herrn Prof. Dr. Breyer zitieren, der ausführt:

Um die Befugnisse zur akustischen Wohnraumüberwachung... verfassungskonform zu gestalten, muss der im Gesetzentwurf vorgesehene Kernbereichsschutz genauer geregelt werden und müssen verfahrensrechtliche Sicherungen eingeführt werden.

Dies wurde von Rechtsanwalt Hilbrans sehr eindringlich bestätigt, der es aus diesem Grund nämlich für verfassungswidrig hält. Auch deshalb haben wir an der Stelle eine Änderung beantragt, um es verfassungskonform auszugestalten.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Zum geschützten Personenkreis. Herr Greilich, Sie lassen sich hier dafür feiern, dass Sie jetzt Personen eingeführt haben, die einem besonderen Schutz unterliegen, analog den Berufsgeheimnisträgern aus der Strafprozessordnung.Dann haben Sie aber leider vergessen,zu erwähnen, warum Sie die geschützten Berufsgeheimnisträger aus dem Strafprozessrecht, nämlich die Ärzte und Psychologen, herausgelassen haben. Meine Damen und Herren, warum haben Sie die herausgelassen, privilegieren aber die Abgeordneten, die Rechtsanwälte und andere Berufsgeheimnisträger? Das ist nicht zu verstehen. Wir haben auch die Änderung beantragt, dass alle Berufsgeheimnisträger gleichermaßen geschützt werden.

Sie müssen bitte zum Schluss kommen, Frau Faeser.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Auch der Datenschutz hat Lücken. Zum Glück haben Sie die letzten Warnhinweise des Datenschutzbeauftragten des Landes Hessen, Herrn Ronellenfitsch, noch aufgenommen. Aber hinsichtlich der EU-Maßstäbe und der Zweckbindung der erhobenen Daten reicht es immer noch nicht.

Einem liberalen Polizei- und Staatsverständnis entspricht der Gesetzentwurf jedenfalls ganz und gar nicht. Wir haben erhebliche Zweifel an der verfassungsgemäßen Ausgestaltung dieses Gesetzes und behalten uns deshalb vor, dass wir es rechtlich überprüfen lassen, wenn Sie unseren Änderungsanträgen nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Faeser. – Herr Frömmrich, ich darf Ihnen das Wort erteilen. Sie hatten sich als Nächster gemeldet für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Wolfgang Greilich (FDP): Jetzt enttäuscht mich der Nächste! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das kann auch an Ihnen liegen!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin immer wieder, ich weiß nicht, ob ich „erstaunt“ oder „berührt“ sagen soll

(Zurufe von der CDU: Fasziniert!)