Wir haben in Hessen eine Reihe von Angeboten für eine gesunde Ernährung. Es gibt das Projekt „Werkstatt Ernährung“ des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums. Wir haben im Main-Taunus-Kreis ein hochinteressantes Projekt,den Ernährungsführerschein.Ein Bündnis für ge
sunde Schule zwischen dem Ministerium für Arbeit,Familie und Gesundheit, dem Kultusministerium und den Lions Clubs aus dem Jahr 2004 haben wir im Februar 2008 erneuert. Das heißt, in der Richtung tut sich einiges.
Lassen Sie mich einige Zahlen,Daten und Fakten nennen. Wir haben in Hessen 2.000 Schulen. 800.000 Schüler mal 200 Unterrichtstage:Wenn wir Ihren Vorschlag in die Praxis umsetzen wollten, würde das bedeuten, dass wir jedes Jahr 160 Millionen Stück Obst vor Ort verteilen müssten. Soll das der Lahn-Dill-Kreis als Schulträger für seine 99 Schulen organisieren? Sollen das die Kommunen machen? Soll täglich oder wöchentlich angefahren werden? Der logistische Aufwand ist hoch, der ökonomische Aufwand ist hoch,und der bürokratische Aufwand ist genauso hoch.
Niedersachsen hatte ursprünglich vor,mitzumachen.Dort hat man dann festgestellt, dass das einen hohen bürokratischen Aufwand verursacht und dass der Kostenfaktor zu bedenken ist.
Das Land Niedersachsen hat – von wegen 2,2 Millionen c – 1 c pro Schüler und Woche kalkuliert.Wenn wir das auf Hessen umrechnen – 800.000 Schüler mal 40 Wochen –, ergibt sich ein Kostenfaktor von 32 Millionen c. Unter anderem deshalb hat Niedersachsen darauf verzichtet.
Bremen sagt Nein zum EU-Programm, das Land Sachsen sagt Nein, die SPD in Mecklenburg-Vorpommern sagt Nein, und sogar das rot-rot regierte Berlin sagt Nein dazu.
Sie sagen, Nordrhein-Westfalen macht mit. NordrheinWestfalen macht aber nur in ausgewählten Grund- und Förderschulen mit. Das wars. Sonst macht es nicht mit.
Ein Bruchteil der Schüler wird damit erreicht. In Bayern nehmen nur die Grundschulen daran teil, und in Bremen sind lediglich die Grundschulen in sozial schwachen Stadtteilen einbezogen. Dafür stehen 100.000 c zur Verfügung.
Die EU-Kommission – Stichwort: Bürokratisierung – hat umfangreiche Leitlinien zur Durchführung des Schulobstprogramms vorgelegt: detaillierte Vorschriften, Kontrollpflichten, Dokumentationspflichten, Berichtspflichten, Evaluationsregelungen. Die Mitgliedstaaten müssen die Umsetzung überwachen. Laut Anhang 5 ist ein Überwachungsbericht vorgesehen. Im Anhang 6 stehen die Vorgaben: sozioökonomischer Hintergrund der Schüler, Nahrungsmittel allgemein, Wissen über gesunde Ernährung, Obst- und Gemüseverzehr.
Anhang 7: Lieferanten, Eltern, Lehrer und Schüler müssen im Sinne der Evaluation umfangreiche Auskünfte erteilen. – Lasst die Kirche im Dorf. Das ist doch mit normalen Maßstäben nicht mehr zu messen.
Ich sage ganz deutlich: Ich habe ein Problem mit der Vollkaskomentalität in diesem Staat. Der Staat kann nicht alles regulieren. Er muss sich auf sein Kerngeschäft beschränken.
Wir müssen auch deutlich machen, dass Obst etwas Wertvolles ist, dass Lebensmittel etwas Wertvolles sind und dass wir mit ihnen bewusst umgehen müssen. Das, was nichts kostet, ist im Prinzip auch nichts wert.
Meine Damen und Herren, wir diskutieren heute über kostenloses Obst, morgen über kostenloses Frühstück und übermorgen über kostenloses Mittagessen.Einen solchen Antrag – kostenloses Mittagessen für alle hessischen Schüler – haben Sie doch schon vor zwei Monaten gestellt.
Frau Habermann, warum haben Sie denn keinen Haushaltsantrag dazu gestellt? Wir haben Ihnen vorgerechnet, was das kostet. Es bleibt nicht bei den 32 Millionen c für das Schulobst. Dann werden 300 Millionen c für ein kostenloses Schulmittagessen benötigt. Das ist das Minimum. Ich denke, irgendwo hört der Spaß auf.
Man muss einmal deutlich sagen, das liegt in der Verantwortung der Eltern. Es ist deren Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder gesund aufwachsen, gesund ernährt werden, zu Hause ein ordentliches Frühstück erhalten und ein ordentliches Pausenbrot mit in die Schule bekommen.
Ein kleiner Teil der Eltern wird der Verantwortung nicht gerecht.Deswegen wollen wir alles unterstützen,wodurch die Eltern aufgeklärt werden. Das muss im Kindergarten anfangen und wird in der Grundschule weitergeführt. Man erzielt eine nachhaltigere Wirkung, wenn ein dauerhafter Erkenntnisgewinn damit verbunden ist, wenn die Eltern erkennen, wie wichtig eine gesunde Ernährung für die Entwicklung ihre Kinder ist.Wenn das in den Köpfen der Menschen verankert ist, haben wir etwas gewonnen. Wenn Sie uns dazu Vorschläge machen, haben Sie uns immer an Ihrer Seite.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Irmer, ich glaube, Sie sollten Ihrer eigenen Ministerin besser zuhören.Anfang Oktober hat sie anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft für Ernährung einen sehr wahren Satz gesagt. Sie hat gesagt:
Ein ernährungsbezogener Verbraucherschutz ist wichtig, insbesondere dann, wenn Kinder und Jugendliche dabei in den Mittelpunkt rücken. Schlechte Ernährung führt zu Übergewicht und kann krank machen. Es gehört zu unseren Aufgaben, Kinder und Jugendliche in der Schule für gesunde Ernährung zu sensibilisieren.
Diese Äußerungen wurden gemacht, nachdem von der Landesregierung endlich das Votum für das Schulobst gekommen war. Es gab ein langes Zerren im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss.
Als GRÜNE haben wir uns gefreut, dass die Frau Ministerin umgeschwenkt ist. Ich glaube, die Frau Ministerin hat sehr wohl von den Vorteilen des Schulobstprogramms gewusst. Es geht um ein Recht auf gesunde Ernährung, um ein Recht auf Gesundheit und um Gesundheitsbildung.Wir haben diese wunderbare Kombination mit einer Agrarförderung in der EU, die eigentlich Ihrer Klientel entsprechen müsste.
Für mich ist es sehr wichtig, dass dieses Programm schon ausprobiert worden ist. In Dortmund gibt es Modellschulen, in denen das Programm durchgeführt und wissenschaftlich evaluiert wurde. Was hat sich gezeigt? Es hat sich gezeigt, dass gerade bildungsferne Schichten davon profitieren,also die Kinder,die von daheim kein gesundes Pausenbrot mitbekommen. Es hat sich gezeigt – Herr Irmer, jetzt komme ich zu Ihnen –, dass Kinder, wenn man sie einbezieht, Obst und Gemüse durchaus wertschätzen. Wenn sie einbezogen werden, bringen sie von zu Hause sogar mehr Obst und Gemüse mit.
Für mich ist der wichtigste Punkt,dass wir mit diesem Programm ein Präventionsprojekt haben könnten, um die Folgekrankheiten und Folgekosten von Adipositas, also schwerem Übergewicht, zu verhindern. Sie müssen sich vor Augen führen, dass die Hälfte der Deutschen übergewichtig ist. Jeder Fünfte ist deutlich übergewichtig. Die Folgeerkrankungen werden von Experten als so gravierend eingeschätzt wie die Folgeerkrankungen von Tabakund Alkoholmissbrauch. 6 % aller Krankheitskosten sind durch Übergewicht verursacht. Gerade bei Kindern und Jugendlichen haben wir eine rapide Zunahme.Wir haben also eine Kostenlawine in Aussicht.
Herr Irmer, all das scheint Frau Lautenschläger erkannt zu haben.Aber was macht Ihre Fraktion, die Fraktion der CDU? Sie verhindert das. 1 Million c würden Sie benötigen, um das Programm anlaufen zu lassen.
Ich habe die Rechnung sehr wohl mitbekommen. 1 Million c benötigten Sie, um das Programm anlaufen zu lassen. Dann würden Sie die EU-Kofinanzierung bekommen.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Anlaufen! Was kostet das insgesamt? – Axel Wintermeyer (CDU): 32 Millionen c!)
Natürlich gibt es Folgekosten. Aber, Herr Irmer, wichtig ist doch das, was Sie gerade kritisiert haben. Es ist genau richtig, bei den Problembezirken anzusetzen. Es ist genau richtig, in die Grundschulen zu gehen. Wir brauchen das
Programm nicht flächendeckend, und wir brauchen es auch nicht an den Gymnasien, wo die Kinder meistens ein gutes Pausenbrot mitbekommen.Wir brauchen es gerade in den Problembezirken.
Wir finden es schade, dass Frau Lautenschläger es nicht schafft, sich in ihrer Fraktion modern und nachhaltig für den Verbraucherschutz, für die Ökologie und für Umweltthemen aufzustellen. Wir warten bei erneuerbaren Energien.Wir warten beim Naturschutz.Wir warten beim Ökolandbau. Frau Lautenschläger, Sie haben ordentlich Vorschusslorbeeren erhalten. Sie gelten als die potenzielle Nachfolgerin Roland Kochs.
Ich würde mir wünschen, dass Sie genau deshalb Ihre Kompetenzen einmal ausspielen. Ich würde mir wünschen, dass Sie genau deshalb einmal Ihrer Fraktion zeigen, was nachhaltige Verbraucherschutzpolitik ist. Bringen Sie dieses Programm auf den Weg. Tun Sie es auch deshalb, weil die Argumente der Mitglieder Ihrer Fraktion nicht stichhaltig sind. Das hat man gerade gemerkt.
Sie haben davon geredet, das sei zu teuer. 1 Million c Anlaufkosten können wirklich getragen werden.
Herr Irmer, die Folgekosten könnte man hereinholen. Das erkennt man, wenn man sich die Folgekosten der Krankheiten anschaut.