Protocol of the Session on November 18, 2009

verschiedenen Gerichten. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Hahn, bei der Integrationspolitik beobachten wir sehr genau, dass die Rhetorik eine andere geworden ist. Wir beobachten sehr genau, dass auch die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich zugenommen hat. Wir werden auch sehr genau darauf schauen, ob am Ende eine andere Politik dabei herauskommt.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn die dabei herauskommt, haben Sie unsere Unterstützung. Wenn nur Rhetorik dabei herauskommt, dann werden wir darauf hinweisen, dass die realen Handlungen fehlen. Aber bitte sehr, diese Möglichkeit haben Sie. Wir wünschen Ihnen gutes Gelingen bei der Durchsetzung gegenüber Ihrem Koalitionspartner.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ernst-Ewald Roth (SPD))

Herr Ministerpräsident, Sie haben im Übrigen so schön gesagt, dass die Wählerinnen und Wähler CDU und FDP gemeinsam mit der größten Mehrheit ausgestattet hätten, die sie je gehabt hätten. Ich finde es spannend, dass die CDU bei dem Punkt dann anfängt, zu jubeln.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Sie freuen sich für die FDP!)

Die Union hat zweimal hintereinander in absoluten Zahlen an Stimmen verloren, und das, obwohl bei der zweiten Landtagswahl die SPD deutliche Verluste hatte und die bei der anderen Volkspartei nicht angekommen sind.Dass Sie offensichtlich weiterhin nicht der Auffassung sind,einmal darüber nachdenken zu müssen, ob das vielleicht auch etwas mit Ihrer Politik zu tun hat, finde ich, ehrlich gesagt, ein wenig unterkomplex.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vierte Leitfrage. Liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir in Hessen endlich den nötigen Aufbruch in der Bildungspolitik, und schaffen wir es in Hessen in der Schulund Hochschulpolitik endlich, unabhängig von der Herkunft der Schülerinnen und Schüler und der Studierenden zu fördern? Antwort: leider immer noch nicht. – Die Proteste am gestrigen Tag zeigen Ihnen sehr deutlich, dass es weiterhin an den Schulen und Hochschulen grummelt.Ich sage Ihnen ausdrücklich: Das ist der Punkt, wo viele Menschen Hoffnung in die FDP gesetzt haben. Die sind in der Schulpolitik bisher bitterlich enttäuscht worden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind deshalb bitterlich enttäuscht worden, weil auch die Beteiligung der FDP nicht dazu geführt hat, dass die Hessische Landesregierung endlich die Kraft zu einem nötigen Neuanfang in der Bildungspolitik hat. Wir befinden uns im Jahr 9 nach PISA. Wir haben in diesem Sommer beim Übergang von Grundschule zu weiterführender Schule Anmeldequoten von unter 4 % für die Hauptschule gehabt. Wir haben weiterhin die Situation, dass 20 bis 25 % der Schülerinnen und Schüler zur Risikogruppe gehören und die Schule ohne Abschluss oder mit einem schlechten Abschluss verlassen bzw. einem Abschluss, der im Zweifel dafür sorgt, dass sie auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben. Im nächsten Jahr wird das sicher

nicht einfacher werden, wenn ich mir so die Arbeitsmarktentwicklung anschaue.

Das heißt,wir müssten uns alle miteinander die Frage stellen: Fördern wir so, wie wir fördern müssten? Liebe Kolleginnen und Kollegen, da sage ich Ihnen sehr deutlich: Ich wünschte mir – Stichwort: wie ist das in anderen Bundesländern? –, dass auch in Hessen die Regierungsfraktionen erkennen würden, dass man mit der Politik aus den Sechziger- und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts nicht die Antworten für die Jahre 2010 ff. gibt. Das wünschte ich mir. Das bedeutet: keine ideologischen Debatten mehr, sondern schlicht die Anerkennung der Realität.

Wir haben die Situation, dass die Eltern und die Schülerinnen und Schüler die Hauptschule nicht mehr akzeptieren. Wir haben die Situation, dass wir die Risikogruppen, die schwächeren Schülerinnen und Schüler, nicht genug fördern. Wir haben die Situation, dass sich soziale Herkunft am Ende auch durch unser Bildungswesen fortsetzt, und das darf nicht so bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen, und zwar egal, wer regiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kühne-Hörmann, dass Sie zur Hochschulpolitik am Ende eine Losung aus der Oktoberrevolution zu Ihrer Losung machen und sagen: „Alle Macht den Räten“, wenn auch den Hochschulräten, das hätte ich nicht für möglich gehalten.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Ma- thias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie hat auch schon etwas Rotes an!)

Das hat in der Oktoberrevolution nicht funktioniert, und das sollten wir auch heute, im Jahre 2009, in Hessen nicht einführen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Sahra Wagenknecht der Union!)

Fünfte Frage.Ziehen wir aus der Wirtschaftskrise die richtigen Konsequenzen, und machen wir endlich eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik? Antwort: leider nein.Wir haben die Situation, dass, wenn man sich anschaut, was dieses Wirtschaftsministerium eigentlich macht, ein altes Lied mit dem Refrain „Beton, Beton“ angebracht wäre. Wir haben viele Straßen, wir haben viele Landebahnen, virtuelle wie in Kassel-Calden oder in Bau befindliche wie in Frankfurt, aber wir haben keine Situation, dass wir endlich einmal darüber nachdenken würden, was Wirtschaftspolitik der Zukunft ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da sage ich Ihnen ausdrücklich:Wir brauchen in der Umweltpolitik eine Effizienzrevolution, und wir haben allen Chancen,wenn ich mir Viessmann und Buderus anschaue. Wir brauchen bei den erneuerbaren Energien endlich ein Herausgehen aus der Geisterbahn, in der Herr Beuth immer nur Monster sieht, zu einer wirklich zukunftsfähigen Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen bei der Breitbandkommunikation wirklichen Fortschritt und nicht nur Modellprojekte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen bei der Kreativwirtschaft endlich ein Verständnis dafür, dass Wirtschaftspolitik der Zukunft eben nicht nur auf der Autobahn stattfindet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider zum größten Teil Fehlanzeige.

Stichwort: nachhaltige Haushaltspolitik. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wir können keine Situation weiter betreiben, in der wir immer mehr Schulden machen, gleichzeitig immer weniger Einnahmen haben, immer mehr Zinsen zahlen müssen für die Schulden, die wir dafür machen, und am Ende mehr Schulden aufnehmen, um die Zinsen zu bezahlen. Wer in einer solchen Situation ist, und zwar auch jenseits von Krisensituationen, der kommt irgendwann an den Rand – ich hätte fast schon gesagt – argentinischer Verhältnisse. Aber ich glaube, Sie wissen selbst, dass es auf die Dauer so nicht funktionieren kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die sechste Leitfrage für uns: Wie bleiben wir als Land und wie bleiben die Kommunen in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen, oder werden das Land und die Kommunen durch unverantwortliche Steuersenkungen faktisch in den Ruin getrieben?

Da wird das Jahr 2010 schon die Stunde der Wahrheit werden. Wir sehen mit großem Interesse, was der Landkreistag über die kommunale Finanzsituation sagt. Wir sehen mit großem Interesse, was Petra Roth als Vorsitzende des Städtetages über die Finanzsituation der großen Städte sagt.Wir sehen mit großem Interesse, was der Städte- und Gemeindebund über die Frage sagt, wie Daseinsfürsorge noch erfüllt werden soll.

Ich glaube, dass Sie alle sich Gedanken machen müssen, wie Sie vor Ort den Leuten erklären, was Sie alles zumachen oder welche notwendigen Aufgaben Sie nicht erfüllen, wenn Sie gleichzeitig auf Landes- und Bundesebene die Verantwortung dafür tragen, dass der Staat immer weniger Geld in der Kasse hat. Diese Frage müssen Sie beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Diese Frage werden wir in den nächsten zwei Jahren stellen. Da ist genau wieder die Frage: Welchen Staat wollen wir? Wollen wir den Staat, den sich nur die Gutverdienenden leisten können, weil sie im Zweifel ausweichen können, weil sie auf die öffentlichen Angebote nicht angewiesen sind, oder wollen wir einen anderen Staat? Diese Debatte führen wir.

Herr Ministerpräsident,ich glaube,viele Menschen in diesem Land sind auf der Suche nach politischen Antworten, die sie mit ihrer Lebenswirklichkeit wieder in Einklang bringen können. Es gibt viele Menschen, die verstanden haben, dass man weder mit einer völlig unkritischen Huldigung der Kräfte des freien Marktes, wie die einen Radikalen, die Marktradikalen, es wollen, noch mit einem Wunsch zur Rückkehr in nationalstaatliche Wirtschaftsund Sozialpolitik der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts, wie die anderen Radikalen, die Staatsradikalen, es wollen,eine Gesellschaft der Zukunft baut,dass der Staat, den wir wollen, so nicht funktionieren kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen: Wir werden über die Frage debattieren, wie man Ökonomie, Ökologie und Gerechtigkeit zusammenbringt. Wir werden über die Frage debattieren, welche Aufgaben der Staat am Ende erfüllen muss. Wir werden über die Frage debattieren, ob wir in einer solidarischen

Gesellschaft leben und arbeiten wollen. Wir werden auch über die Frage debattieren, wie viel Nachhaltigkeit wir zum wirtschaftlichen Erfolg brauchen. So herum wird ein Schuh draus, Herr Ministerpräsident. Es ist die Frage, wie viel Nachhaltigkeit wir dringend nötig haben für den wirtschaftlichen Erfolg. Das ist kein Gegensatz mehr.Wer immer noch so denkt, der ist in diesen Fragen leider von vorgestern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich wünsche mir, dass wir in den nächsten Jahren eine ernsthafte Debatte führen. Wir haben keine Landtagswahl, keine Bundestagswahl. Wir haben eine Kommunalwahl vor uns, aber bis dahin sind es auch noch eineinhalb Jahre. Das heißt, wir werden auf alle diese Fragen Antworten geben müssen. Wir werden das tun, die anderen werden es tun. Die Regierung muss es tun, und am Ende müssen wir alle miteinander vor die Bürgerinnen und Bürger treten und sagen: Das ist unser Konzept, wie wir uns eine wirtschaftlich erfolgreiche und ökologisch verantwortbare Zukunft dieses Landes Hessen vorstellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da bin ich gespannt darauf, ob die Debatten der Zukunft in diesem Landtag etwas mehr Substanz beinhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen,als immer nur die alten Platten abzuspielen, die am Ende keinerlei Zukunftsaussagen mehr haben. Herr Ministerpräsident, das wird die spannende Frage sein.

Herr Finanzminister, wir reden hier über den Haushalt, und ich sage Ihnen: Wenn Sie noch einmal über den Länderfinanzausgleich jammern, ohne einen Vorschlag zur Veränderung vorzulegen, dann nennen wir Sie den Bruce Darnell der hessischen Landespolitik.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Immer nur „Drama, Drama!“ rufen, aber nie eine Antwort haben, das funktioniert nicht. Das funktioniert nicht bei Finanzen,und das funktioniert in der Politik insgesamt nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): „Bruce Darnell“ kann man googeln!)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Rentsch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war der Auftritt unserer Opposition. Es war jedoch nicht sehr ermunternd, was wir bisher von Ihnen gehört haben.