Protocol of the Session on November 18, 2009

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie haben recht!)

Vielen Dank. – Sie zeigt vor allem, dass Ihnen die Konzepte fehlen. Ihnen fehlen die Konzepte für eine neue Bildungspolitik; denn Lehrerstellen allein sind gut, aber sie geben keine Antwort auf die Frage, wie ein Bildungssystem geschaffen wird, das möglichst viele zu möglichst guten Schulabschlüssen führt und nicht so viele auf dem Weg dorthin schon verliert.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Diese neuen Lehrerstellen reichen vor allem auch nicht aus,um all die Versprechen zu erfüllen,die Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung gemacht haben. Sie haben nämlich vieles versprochen, was auch unsere Zustimmung findet. Sie haben eine Stärkung der frühen Bildung versprochen. Sie haben den Ausbau der Ganztagsschulen versprochen. Sie haben die eigenverantwortliche Schule versprochen. Und Sie haben neue Freiräume durch eine 105-prozentige Lehrerversorgung versprochen.

Meine Damen und Herren, ich kann heute feststellen:All diesen Zielen sind Sie mit diesem Haushaltsentwurf nicht näher gekommen,

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

auch nicht mit den 650 Lehrerstellen; denn diese werden zu einem großen Teil dazu gebraucht, um die verkorkste G-8-Reform auch in der Oberstufe umzusetzen.

Lassen Sie mich zu den einzelnen Punkten etwas sagen. Die 105-prozentige Lehrerversorgung entpuppt sich mehr und mehr als Fata Morgana. Je näher man auf sie zukommt, desto weiter scheint sie zurückzuweichen. Das ist das Phänomen, das wir feststellen.

So hat die Kultusministerin im vergangenen Schuljahr gesagt: Wir haben die 100-prozentige Lehrerversorgung erreicht.– Zum Schuljahresbeginn 2010 hat sie versprochen, dass wir 102 % haben werden, entsprechend den Etappen hin zu den 105 % bis 2013. Aber statt dieser versprochenen Etappe ist es wieder bei 100 % geblieben.

In der kursorischen Lesung haben wir dazu erfahren, die für das nächste Jahr vorgesehene Zielzahl von 102 % wird wegen der Verkleinerung der Klassengrößen nicht erreicht. Das Ziel der Klassenverkleinerung haben wir ebenfalls mit Ihnen geteilt. Sie haben aber beides versprochen.Sie haben von Anfang an verschwiegen,dass die versprochenen 2.500 Lehrerstellen nicht ausreichen werden, um beides umzusetzen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, was mit der Schulsozialarbeit in diesem Land geschehen ist; denn der Vorschlag der Kultusministerin, Schulsozialarbeit aus den nicht vorhandenen 105 % zu finanzieren, ist ein Hohn für die Schulen und für die Kommunen und verschiebt den Ausbau von Schulsozialarbeit auf den SanktNimmerleins-Tag.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Kommen wir zum Stichwort Ganztagsschulen. Ja, es gibt neue ganztätig arbeitende Schulen, wie sie nach den Richtlinien lauten. Es gibt neue pädagogische Mittagsbetreuungen in diesem Land. Es gibt genau das, was Frau Henzler in den vergangenen Jahren immer als Mogelpackung bezeichnet hat; denn es gibt keine Chance für die Schulen, ein Modell aus bestehenden auszuwählen und sich auf den Weg zu machen, gebundene Ganztagsschule zu werden. Das haben Sie zugesagt.Wir sind weiter davon entfernt als in den vergangenen Jahren.

Es gibt kein verlässliches selbstständiges Schulprogramm. Es gibt keine Möglichkeit der Schulen, sich weiterzuentwickeln. Bis heute wissen wir nicht, wie es in den kommenden Jahren bei den Ganztagsschulen weitergehen soll.

Stichwort: frühe Bildung. Die Einführung des Bildungsund Erziehungsplanes stagniert.Wir haben wiederum die berühmten 500.000 c im Einzelplan 04 etatisiert.Was damit passiert, ist nicht etwa eine Implementierung des Bildungs- und Erziehungsplanes. Das meiste geht für Organisation und Bürokratie drauf. Die Mittel dafür, dass Schulen und Kindergärten endlich miteinander kooperieren können, um diesen Plan in die Realität umzusetzen und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, um dies mit den Gruppen realisieren zu können,finden sich wiederum nicht in diesem Haushaltsplanentwurf.

Stattdessen haben wir ein Schulvorbereitungsjahr im Ministerium von Herrn Banzer. Wir wissen noch nicht, was da passieren wird. Eines scheint klar zu sein: Frau Henzler, Ihre Vorstellung, die wir sehr unterstützt haben, dass Schulen und Kindertagesstätten kooperieren,dass die Ministerien diese Kooperation gemeinsam steuern oder dass das in eine Hand geht – ins Kultusministerium –, ist wohl dahin. Im Bereich der frühen Bildung wird sich weiterhin wenig tun.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Stichwort: eigenverantwortliche Schule. Inzwischen ist das zu einer Worthülse verkommen. Ich habe mich heute Morgen gefragt,ob der Ministerpräsident nur ansatzweise weiß,wovon er geredet hat,als er von einem Schulversuch „Schule gemeinsam verbessern“ gesprochen hat. Dieser Schulversuch wurde noch zu Zeiten von Rot-Grün konzipiert. Er wurde in Groß-Gerau begonnen und inzwischen auf andere Schulträger umgesetzt. Aber was da passiert ist, ist in den Ansätzen stecken geblieben.

Diese Schulträger und diese Schulen haben keinerlei neue Verantwortungsspielräume gewonnen. Das Ganze ist in den Kinderschuhen geblieben und nicht weiterentwickelt worden. Inzwischen ist dort die Motivation verloren gegangen. Ich glaube, das sind keine guten Signale für die Entwicklung der eigenverantwortlichen Schulen.

Das Gleiche gilt für Selbstverantwortung plus. Auch hier dümpelt so einiges dahin. Schon vor einem Jahr wurde den Schulen versprochen, dass sie in diesem Jahr die Teilrechtsfähigkeit erhalten. Auch hier ist Fehlanzeige. Wer neue Schulen motivieren will, an diesem Modellversuch teilzunehmen, der muss ihnen dafür auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stellen. Wir haben diese beantragt, und Sie lehnen das weiterhin ab.

Meine Damen und Herren, ein kleines Schmankerl am Rande. Wir haben auch eine Erhöhung des Lernmitteletats. Versprochen sind zum Ende der Legislaturperiode 40 Millionen c. Wir waren im vergangenen Jahr bei 34 Millionen c. Die Kultusministerin hat erklärt, in die

sem Haushalt werden es schon 37 Millionen c sein. Was wir jetzt haben, sind 35 Millionen c.Wenn man nachfragt, warum das so ist, dann heißt es: Da waren wir wohl etwas optimistisch. – Das heißt, eine planbare Aussage darüber, wie Sie Ihre Versprechen umsetzen, eine Verlässlichkeit Ihrer Aussagen ist nicht gegeben. Das gilt für sämtliche Bereiche in diesem Einzelplan 04.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir haben mit unseren Anträgen einen Weg gewiesen, um die Fragen zu beantworten, die ich am Anfang gestellt habe. Wir haben Ihnen aufgezeigt,wie man frühe Bildung stärken kann,wie man Ganztagsschulen auf den Weg bringen kann, die diesen Namen auch verdienen.

Wir haben Ihnen auch mit auf den Weg gegeben: Schaffen Sie Voraussetzungen für eine Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen. Schaffen Sie neue Stellen für den gemeinsamen Unterricht; denn das, was im vorigen Jahr dazu getan wurde, beruhte allein auf einer Initiative dieses Landtags im Jahre 2008. Auch hier kein Regierungshandeln, das in die Zukunft weist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir brauchen ein inklusives Schulsystem in diesem Lande. Wir müssen gemeinsames Lernen fördern; denn dieses ist die Antwort darauf, wie sich Schülerströme in Zukunft verteilen werden. Hier sind Sie in keiner Weise bereit, auf unsere Vorschläge einzugehen – im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern unter schwarzer Regierungsbeteiligung und auch unter gelber, die sich um uns herum auf den Weg machen.

Zum Schluss will ich noch das Stichwort Weiterbildung erwähnen. Auch hier sind wir der Auffassung, es genügt nicht, allein Hessen-Campus mit einer Anstoßfinanzierung zu versehen.Auch hier müssen gefestigte Strukturen erarbeitet werden, und vor allen Dingen müssen auch die Träger als Träger in ihrer Weiterbildungsarbeit gestärkt werden. Der Anteil des Landes an der Finanzierung von Weiterbildung ist in Hessen erschreckend niedrig. Es wird Zeit, dass sich das Land auch an dieser Stelle bewegt und finanzielle Mittel hinzugibt. Auch das haben wir vorgeschlagen, und darüber würden wir sehr gerne konstruktiv mit Ihnen beraten.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Habermann. – Für die CDU-Fraktion Herr Irmer, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Habermann, in einem Punkt haben Sie recht: was die Zahl der Neueinstellungen angeht. Das ist so. Ich habe das nicht weiter vertieft, aber Sie haben recht.

1999 haben wir – weil die Situation, die Sie zu verantworten hatten, besonders notleidend war – in einer ersten Tranche auf einen Schlag 1.300 Lehrer zusätzlich eingestellt.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Das hat damals den Kollegen Quanz, den ich ja sehr schätze, dazu veranlasst, zu sagen, es sei ein Fehler, so viele Lehrer auf einmal einzustellen. – So viel zur Geschichte.

Meine Damen und Herren, insgesamt kann ich für diese Fraktion – ich glaube, das gilt auch für den Koalitionspartner FDP – wirklich sagen: Mit diesem Bildungshaushalt stellen wir einmal mehr unter Beweis, dass Bildung bei uns Priorität hat. Jahr für Jahr wird bei uns der Ansatz im Bildungsbereich erhöht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Heute haben wir 900 Millionen c mehr zur Verfügung, als dies noch zur Zeit Ihrer Regierungsverantwortung der Fall war.

(Helmut Peuser (CDU): Hört, hört!)

Ich glaube, das zeigt sehr wohl, wir sind uns bewusst, welche Notwendigkeiten es gibt.

Ich weiß auch, dass es viele Wünsche gibt – teilweise berechtigte –, die wir nicht alle sofort erfüllen können.

Denken wir nur an die Lehrerzahl. 3.500 waren es zusätzlich von 1999 bis 2008. 1.000 kamen zum 01.08.2009 hinzu. Das macht 4.500. 650 kommen zum 01.08. nächsten Jahres hinzu – dann liegen wir bei 5.150 zusätzlichen Lehrern. Zusätzlich haben wir versprochen, es wird weitere 850 in dieser Legislaturperiode geben. Das heißt, sage und schreibe sind das zusätzliche 6.000 Lehrerstellen – plus demografische Rendite, die geschätzt irgendwo am Ende dieser Legislaturperiode bei etwa 2.000 Stellen liegen dürfte. Wir diskutieren also über eine Verbesserung der Unterrichtssituation während der gesamten Regierungszeit von CDU und FDP von zusammen 8.000 zusätzlichen Lehrern. Ich glaube, das kann sich sehen lassen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vorhin wurde der Kollege Nagel von der GEW angesprochen.Meine Damen und Herren,ich hätte Verständnis für jede Form von Protest von der GEW, wenn wir statt 8.000 oder 6.000 zusätzlichen Lehrern 500 – wie Sie es gemacht haben – abgebaut hätten. Das wäre realistisch gewesen. Das wäre eine ehrliche Kritik gewesen. Das hat er aber nicht getan.

(Zuruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Angesichts der Tatsache von 6.000 zusätzlichen Lehrerstellen zu erklären, wir befänden uns in einer Art Bildungsnotstand, zeigt, dass er mit der Realität nichts zu tun hat. Es geht ihm um ein ganz anderes Süppchen, um ein parteipolitisches Süppchen zugunsten von SPD, GRÜNEN und Kommunisten, weil er politisch auf dieser Seite anzusiedeln ist.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Heike Habermann (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn er denn sagt: „Wir wollen, dass die eine Stunde, die die CDU draufgesattelt hat, zurückgegeben wird“, dann kann ich das emotional, auch fachlich-sachlich, durchaus nachvollziehen. Das kann ich, das ist überhaupt keine Frage. Aber es wäre ehrlicher, zu sagen:Wir haben eine Stunde zusätzlich von der CDU bekommen, und davor haben wir von SPD und GRÜNEN zwei Stunden zusätzlicher Unterrichtsverpflichtung auferlegt bekommen, insgesamt also drei. – Ich meine, es gehört zur Wahrheit dazu, das ebenfalls zu sagen. Das ver

schweigt er aber, und das zeigt, es geht ihm eben nicht um die Sache, sondern um ganz billige Parteipolitik.

Ich sage es sehr deutlich: Ich kann es nicht nachvollziehen und nicht akzeptieren, dass jemand, der als Beamter tätig ist und alle Privilegien genießt, gleichzeitig noch zum Streik aufruft. Meine Damen und Herren, das Streikrecht ist mit dem Beamtentum nicht kompatibel.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Quatsch, das ist Quatsch!)