Protocol of the Session on October 8, 2009

Meine Damen und Herren, diese globale Krise kann, wenn überhaupt, nur dann einen Sinn haben, wenn wir den Irrsinn begreifen, der sie verursacht hat. Sie kann nur dann einen Sinn haben, wenn wir die Finanzmärkte tatsächlich nachhaltig zähmen und regulieren. Das Umdenken,so ist mein Eindruck,findet statt.Beim Gegensteuern wünsche ich mir an manchen Stellen und bei manchen handelnden Personen mehr Mut und Konsequenz und weniger Ideologie. Immerhin werden jetzt Unterschiede zwischen denen deutlich, die nur Erklärungen unterschreiben und sich vorher nicht zu Wort gemeldet haben, und denen, die konsequent an einer Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft und für eine nachhaltige Weltwirtschaft arbeiten.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Hierbei ist die Kontrolle der Managergehälter von zentraler Bedeutung. Diese müssen sich deutlich mehr am langfristigen unternehmerischen Erfolg orientieren und nicht an überzogenen kurzfristigen Renditen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Demonstrati- ver Beifall bei Abgeordneten der CDU – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Das steht bei uns im Programm!)

Als die SPD bereits im Jahr 2007 das Thema Managergehälter angegangen ist,hagelte es Kritik,Spott,Häme,auch vonseiten des damaligen Koalitionspartners CDU. „Ihr führt einmal wieder eine Neiddebatte“, mussten wir uns da von Ihnen anhören.

(Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Dennoch wurde im Parlament auf unser Drängen hin der Public Corporate Governance Kodex des Bundes beschlossen, der unter Federführung des Finanzministeriums erarbeitet wurde. Hiernach können Manager ihre Aktienoptionen frühestens nach vier und nicht schon nach zwei Jahren einlösen. In börsennotierten Aktiengesellschaften kann ein Vorstandsmitglied erst nach zwei Jahren Karenzzeit in den Aufsichtsrat wechseln.

Die Verhaltensanreize bei der Vorstandsvergütung richten sich an der nachhaltigen Unternehmensentwicklung aus. Ihre Bemessungsgrundlage läuft deshalb über mehrere Jahre. Bei einem Missbrauch oder schlechten Management werden die Möglichkeiten zur Herabsetzung der Bezüge erleichtert.Außerdem wurde die Transparenz gegenüber Anteilseignern und Öffentlichkeit durch eine verschärfte Pflicht zur individuellen Offenlegung von Vorstandsbezügen, insbesondere bei Versorgungsbezügen, unter sozialdemokratischer Führung gesteigert.

Klar muss auch sein:Alle Finanzdienstleister müssen sich am nachhaltigen und langfristigen Erfolg von Unternehmen orientieren und nicht an undurchschaubaren Produkten mit unrealisierbaren Renditen, aber realisiertem

Risiko. Hedgefonds und Private Equity Fonds müssen wirkungsvoll reguliert werden.

Wichtig ist auch: Steueroasen müssen wirkungsvoll ausgetrocknet werden. Steuerflucht und Steuerhinterziehung sind keine Kavaliersdelikte, sondern eine Frage der Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir dürfen nicht zulassen, dass Vermögende Millionensummen in Steueroasen transferieren, während die absolute Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ehrlich ihre Steuern bezahlt, damit der Staat seine Aufgaben wahrnehmen kann. Dabei reicht es nicht, wenn Hochglanzminister Guttenberg bei Gottschalk den Strahlemann mimt und Kalenderblattweisheiten von sich gibt, aber in Wirklichkeit nur jahrelang zugeschaut hat, wie deutsche Steuermillionen auf diversen Nummernkonten in der Schweiz verschwinden.

(Beifall bei der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): So lange ist er noch nicht Minister!)

Klar ist auch, dass diejenigen, die die Krise verursacht haben, nun auch an der Reihe sind, an ihrer Bewältigung beteiligt zu werden. Die, die mit ihren Spekulationen horrende Gewinne einfahren, sind nun selbstverständlich dafür zuständig, bei der Bewältigung der Krise, für die sie verantwortlich sind, mitzuwirken.

„Die Diskussion darüber, wer die Kosten der aktuellen Krise eigentlich trägt, hat noch nicht einmal begonnen“, hat Horst Köhler am letzten Montag beim DGB gesagt. Im gleichen Atemzug erwähnte er, Merkels Verhandlungsergebnissen von Pittsburgh konnte er

... nicht entnehmen, dass sich eine Krise dieser Dimension auf den Weltfinanzmärkten nicht doch eines Tages wiederholen kann.Eine solche Krise aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen muss doch der Maßstab sein, an dem wir den Erfolg der internationalen Bemühungen messen. Wie sollte Politik sonst überhaupt Sinn machen? Wie könnte die Politik den Menschen sonst guten Glaubens z. B.Vorsorgesparen für das Alter empfehlen?

Das fragte Horst Köhler vor dem DGB.

Klar ist, wir werden die Diskussion, die laut Köhler noch nicht begonnen hat, fortführen müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen,der neuen Bundesregierung kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Wir werden ganz genau darauf achten, ob sie für die Kosten den Normalbürger heranzieht, der keine großen Aktiendepots oder -fonds hat, der nicht gerade mal schnell seinen Wohnsitz aus steuerlichen Gründen ins Ausland verlagern kann,der nicht zum Essen ins Kanzleramt eingeladen wird,

(Zurufe von der CDU: Oh!)

oder ob Schwarz-Gelb den Mumm hat, diejenigen für die Folgen der Krise zur Kasse zu bitten, die vor der Krise am meisten Kasse gemacht haben, die den Hals nicht voll bekommen haben und nach immer höherer, immer kurzfristigerer Rendite geschrien haben.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Deshalb fordern wir auch eine Börsenumsatzsteuer, die nach dem Vorbild der britischen Stempelsteuer in Höhe von 0,5 % bis 1,5 % des Kurswertes auf börsliche Wertpapiergeschäfte ab einem Umsatz von 1.000 c erhoben wird. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass eine solche Steuer europaweit – –

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Milde, wissen Sie, die ganzen Vorschläge, die in Finanzfragen von Ihrer Seite kommen, von der hessischen CDU – –

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir hatten die Diskussion heute Morgen auch schon. Seit zehn Jahren sind Sie dran, ist das Finanzministerium in Hessen CDU-geführt.

(Günter Rudolph (SPD): Das weiß der gar nicht mehr!)

In den zehn Jahren sind die Schulden des Landes Hessen nahezu verdoppelt worden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben es nicht einmal geschafft, in den zehn Jahren einen Haushalt vorzulegen, der ein Defizit von weniger als 0,5 Milliarden c gehabt hat,auch nicht in Jahren,in denen die Steuereinnahmen durch sozialdemokratische Politik in Berlin gesprudelt sind, auch da nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU) – Axel Wintermeyer (CDU): Wer hat die Körperschaftsteuerreform gemacht?)

Nicht einmal haben Sie das geschafft. Jetzt haben Sie wieder das höchste Defizit aller Flächenländer, und von Ihnen muss ich mir das hier anhören.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Herr Milde, wenn Sie uns hier Ratschläge geben wollen, ist das ungefähr so, als wenn der Letzte im Marathonlauf anschließend einen Vortrag über erfolgsorientierte Lauftechniken hält. Was diese Finanzpolitik angeht, das muss ich mir von Ihnen nicht anhören.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Wir haben ein Einnahmeproblem in unserem Landeshaushalt. Das sehen wir jedes Jahr erneut bei den Haushaltsberatungen. Wer sich einer Verbesserung der Einnahmeseite durch eine Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine Verbreiterung der Erbschaftsteuer widersetzt, der muss Antworten darauf geben, wie die im Grundgesetz vereinbarte Schuldengrenze bis 2020 eingehalten werden soll, wie unsere Bildung, die innere Sicherheit, die verkehrliche und soziale Infrastruktur ohne Schulden bezahlt werden sollen.

Die Vermögensteuer kann je nach Ausgestaltung Zusatzeinnahmen von 1 Milliarde c für den Landeshaushalt generieren. Das ist nicht so viel, wie ein Verzicht aller FDPUnterstützer auf Steuerhinterziehung bringen würde,

(Lebhafte Zurufe von der FDP)

leistet aber einen wichtigen Beitrag der Leistungskräftigen zu den Zukunftsaufgaben des Landes. Die Vermögensteuer könnte man beschäftigungsfreundlich gestalten, indem sie z. B. auf Privatvermögen beschränkt wird und so sichergestellt ist, dass das Eigenkapital von Betrieben nicht beeinträchtigt wird.

(Wortmeldung des Abg. Leif Blum (FDP))

Man könnte durch die Föderalisierung der Vermögensteuer, also durch die Erhebung ausschließlich in Landeskompetenz, für einen echten föderalen Wettbewerb sorgen, wenn jedes Land – –

Herr Kollege Weiß, die Redezeit ist abgelaufen. Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

(Zurufe von der SPD: Schade!)

Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Zusammenfassend kann ich als Quintessenz sagen:Wir müssen die Einnahmesituation der Landeshaushalte verbessern. Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit für die Länder und auch für die Kommunen. Beide, sowohl die Vermögen- als auch die Erbschaftsteuer, stellen taugliche Elemente dar, Steuergerechtigkeit und die Einnahmesituation der Landeshaushalte zu verbessern. Börsenumsatzsteuer ist richtig, auf nationaler Ebene jedoch zu kurz gegriffen. Wir werden uns deshalb bei dem Antrag der LINKEN enthalten und dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Weiß. – Nun hat sich Herr Kollege Blum zur Geschäftsordnung gemeldet.

Frau Präsidentin, Sie haben gestern Abend in Ausübung Ihrer Sitzungsleitung und des Ermessens, das Ihnen dabei zusteht, den Kollegen Greilich in seiner Rede unterbrochen und ihn für eine Äußerung gerügt, von der ich nach wie vor glaube, dass sie nicht rügenswürdig war. Sie haben das kommentiert.

Ich erwarte ganz deutlich im Rahmen einer fairen und dem Amt gerecht werdenden Sitzungsleitung, dass Sie das Gleiche dem Kollegen Weiß für die Äußerung zukommen lassen, die er eben getätigt hat. Das, was eben passiert ist und was Sie ihm haben durchgehen lassen, werden wir Ihnen nicht noch einmal durchgehen lassen. Ich werde es in der nächsten Sitzung des Ältestenrats definitiv thematisieren.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frechheit!)

Zunächst möchte ich festhalten, dass Kritik an der amtsführenden Präsidentin oder dem amtsführenden Präsidenten im Ältestenrat besprochen wird. – Herr Kollege Rudolph, zur Geschäftsordnung.