Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit einem hat Herr Kollege May mit Sicherheit vollkommen recht. Es bedarf schon eines sehr starken Winkelzugs, um von einem Truppenübungsplatz in der Rhön den Bogen zum Afghanistaneinsatz der Bundeswehr schlagen zu können. Aber offensichtlich ist das gelungen. Deswegen reden wir heute Morgen über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan.
(Zurufe: Heute Morgen! – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Herr Kollege Schäfer-Gümbel,Aktuelle Stunden finden normalerweise morgens statt. Sehen Sie mir das nach. Ich bin so ein bisschen sklavisch an die Ablaufpläne gebunden. Das ist das Schicksal eines parlamentarischen Geschäftsführers. Fragen Sie Herrn Kollegen Rudolph. Er kann das bestätigen.
Natürlich handelt es sich hier um ein durchaus ernsthaftes Thema. Die Fraktion DIE LINKE hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Bundeswehreinsatz in Afghanistan – sie nennen das immer den Kriegseinsatz in Afghanistan – ablehnen. Ich glaube, es ist in den Beiträgen all meiner Vorredner deutlich geworden, dass sie damit in diesem Hause alleine stehen. Das ist auch gut so.
(Beifall bei der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE):Wir haben die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns!)
Erstens. Es ist mitnichten so, dass die Bundeswehr in Afghanistan einmarschiert wäre. Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan, weil wir einen entsprechenden Beschluss der Vollversammlung der UNO haben. Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan, weil das afghanische Parlament und die afghanische Regierung sie darum gebeten haben. Die Bundeswehr befindet sich in Afghanistan, weil es einen entsprechenden Beschluss des Deutschen Bundestages dazu gibt. Das ist also kein Kriegseinsatz, sondern ein humanitärer Hilfe- und Aufbaueinsatz,um diesem Land Stabilität,Sicherheit und Demokratie zu verleihen.
Wir können diesen Einsatz jetzt auch nicht ohne Weiteres abbrechen. Wir würden den Menschen in Afghanistan einen Bärendienst erweisen, wenn wir sie zu diesem Zeitpunkt mit ihren Problemen alleine lassen würden, wenn die Bundeswehr, aber auch alle anderen Verbündeten, die dort mit uns diesen humanitären Dienst leisten, aus dem Land abziehen würden.
Wir können uns aus Afghanistan erst zurückziehen, wenn in diesem Land eine sich selbst tragende Sicherheitsstruktur geschaffen wurde.Die müssen wir dort gemeinsam mit unseren Partnern aufbauen.
Das klang hier bereits an. Da geht es um die Frage der Ausbildung der Polizeikräfte. Da geht es um die Frage der Etablierung einer eigenen afghanischen Armee, die in der Lage ist, die Probleme, insbesondere die mit den gewaltbereiten Taliban-Milizen, selbst im Sinne eines wehrhaften Staates zu lösen, der sich auch nach innen verteidigen kann. Diese Probleme müssen erst gelöst werden. Danach können wir, geordnet, aus Afghanistan abziehen. Das ist das, was die FDP haben möchte.
Mit Sicherheit fällt es keinem in einem Parlament leicht – Herr Kollege May hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in diesem Landtag überhaupt nicht darüber entscheiden, ob und wo die Bundeswehr in Einsatz gebracht wird, in diesem Fall entscheidet das der Deutsche Bundestag –, deutsche Soldaten in eine Situation zu entsenden, in der sie Gefahr laufen, Leib und Leben zu riskieren. Das ist überhaupt keine Frage. Dieser Verantwortung sind sich, glaube ich, alle, die in Berlin darüber befinden oder befunden haben, sehr bewusst.
Trotzdem haben wir auch den Menschen in Afghanistan gegenüber eine Verantwortung. Wir haben eine Verantwortung gegenüber dieser sich entwickelnden Gesellschaft. In Zukunft wird es vielleicht auch dort möglich sein, dass die Mädchen in die Schule gehen können, ohne dass sie Angst haben müssen, dafür gesteinigt zu werden, und dass Frauen eine universitäre Ausbildung anstreben können, ohne dass sie Angst davor haben müssten, dafür gesteinigt zu werden. Dort soll für alle Menschen in der Gesellschaft ein Leben möglich sein, wie wir das hier praktizieren.
Ich gebe mich gar nicht der Illusion hin, dass Afghanistan eine Demokratie nach westlichem Vorbild werden würde.
Ich glaube auch nicht, dass es unsere Aufgabe ist, das anderen Völkern aufzupfropfen. Aber wir müssen dort gemeinsam mit unseren Verbündeten und den afghanischen Partnern eine Situation schaffen, aufgrund derer dieser Staat und diese Gesellschaft in der Lage sind, sich aus sich selbst heraus vor terroristischen Übergriffen und vor dem zu schützen, was die Taliban dort über Jahre und Jahrzehnte angerichtet haben. Ich glaube, dieser Verantwortung können und sollen wir uns nicht einfach entziehen. Deswegen ist dieser Einsatz nach wie vor auch in dieser Zeit richtig.
Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass Sie mit Ihrer Meinung an dieser Stelle allein stehen. Es ist vernünftig, dass sich alle anderen Fraktionen hier im Hause, aber auch im Deutschen Bundestag, dieser besonderen Verantwortung für die Menschen in Afghanistan bewusst sind und bewusst bleiben.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Aus Sicht der Landesregierung kann ich das auf wenige Bemerkungen beschränken.Ich schließe mich ausdrücklich den Ausführungen der Kollegen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN an.
Der Antrag der LINKEN ist hier hinreichend skizziert worden.Wenn man dies täte,würde dies dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland in der Welt nachhaltig schaden.
Dort sind viele Länder – es ist erwähnt – aufgrund eines Mandats der UNO engagiert. Man möge sich einmal vorstellen, dass ganz viele Länder dort ihre Verpflichtungen erbringen, und ausgerechnet Deutschland macht sich aus Sicht dieser Länder vom Acker.
Drittens. Dieser Gedanke ist mir wichtig, weil er bisher nicht erwähnt wurde. Wir würden die Terrorgefahr nicht nur dort, sondern auch in unserem Land nachhaltig befördern.Es ist bisher offenkundig vergessen,dass es nicht nur – so lobenswert das ist – um den Schulbesuch in Afghanistan geht. Es geht auch darum, dass nicht wieder eine Situation entsteht, wie sie bestand, dass es sieben große Ausbildungslager in Afghanistan gab – ausschließlich bestückt mit Kämpfern. Die wurden ausgebildet, um in der ganzen Welt Anschläge zu vollbringen.
Die deutschen Sicherheitsbehörden haben in den letzten Jahren ein halbes Dutzend Anschläge in Deutschland verhindert. Wenn es gelingt, zu verhindern, dass dort wieder ein Staat errichtet wird, der als staatliches Programm den Terror in die ganze Welt tragen will, dann verteidigen wir auch die Freiheit der Menschen in diesem Land. Das darf nicht vergessen werden.
Zu den Einzelheiten, über die man sehr gut diskutieren und auch mit Grund unterschiedlicher Meinung sein kann, wie man das alles machen muss, will ich mich aus Zeitgründen nicht äußern. Ich will auf Herrn Kollegen May Bezug nehmen. Es ist eine Parlamentsarmee. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben in Erfüllung des UNO-Beschlusses die Bundeswehr dorthin geschickt. Ich finde, es ist das Mindeste, was wir dann diesen Soldatinnen und Soldaten schulden, dass wir sie ordentlich ausbilden, damit sie ihrem Auftrag auch gerecht werden können.
Deshalb braucht es auch Truppenübungsplätze, die übrigens Teil von besonderen Naturschutzgebieten sind – ein Thema, das ich jetzt nicht vertiefen will. Aber Sie kennen das, Herr May.
Ich will eine abschließende Bemerkung machen. Diejenigen, die in unserem Auftrag dort – auch in lebensbedrohlicher Situation – kämpfen, verdienen unsere Anerkennung und unseren Respekt.
Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass in diesem Haus nicht über den Einsatz der Bundeswehr zu entscheiden ist. Sie haben aber unter anderem über andere mit zu entscheiden, die auch in Afghanistan tätig sind und die ich heute hier nicht auslassen will.
In Afghanistan wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, Sicherheit in diesem Land für die Menschen aufzubauen. Das ist nicht nur militärische, das ist auch polizeiliche Sicherheit.
Mir ist es ein Anliegen, in dieser Stunde auch denen zu danken, die als hessische Polizeibeamte, als Bundespolizeibeamte und Polizeibeamte aus anderen Bundesländern in Afghanistan Dienst tun. Das tun die freiwillig. Die Soldaten müssen ihrem Befehl gehorchen. Die Polizeibeamtinnen und -beamten tun dies freiwillig; die können wir nicht auf Befehl dorthin entsenden.
Seit Jahren sind hessische Beamte dort unter großen persönlichen Opfern tätig. Ich finde, diese Debatte ist eine gute Gelegenheit, dass wir nicht nur unsere Solidarität und unseren Respekt gegenüber den Soldaten, sondern ausdrücklich auch gegenüber den dort tätigen Polizeibeamten aussprechen.
Ich bedanke mich namens der Landesregierung auch ausdrücklich für diese Bereitschaft und für diesen wichtigen Beitrag im Interesse des Friedens in Afghanistan, aber auch in unserem Land.
(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP sowie des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))
Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag – Drucks. 18/1065 –
Zur Einbringung, Herr Kollege Blum. Zehn Minuten Redezeit ist vereinbart, die kann, muss aber nicht ausgeschöpft werden.
Herr Präsident! Ich danke für den Hinweis. Aber nachdem ich eben schon festgestellt habe, dass es noch früh am Morgen ist, müsste noch genügend Luft auch für zehn Minuten sein.
diesem Haus einen Antrag zur Beratung vorgelegt, der sich noch einmal mit dem Vertrag von Lissabon und dem entsprechenden Begleitgesetz II,das am morgigen Freitag im Bundesrat abzustimmen ist, beschäftigt.Wir haben das getan, weil wir davon überzeugt sind, dass beides von besonderer Bedeutung ist, von besonderer Bedeutung für den weiteren europäischen Einigungsprozess, von besonderer Bedeutung für unser Land Hessen als Bundesland im Herzen von Europa, aber eben auch von besonderer Bedeutung für die Frage, wie wir uns im europäischen Einigungsprozess in einer föderalen Struktur, wie wir sie in der Bundesrepublik Deutschland haben, künftig verhalten und wie die Länder ihre Interessen an dieser Stelle wahren.
Der Vertrag von Lissabon ist uneingeschränkt zu begrüßen. Er ist ein wichtiger Baustein für das gemeinsame Haus Europa, weil er helfen soll, Europa den Menschen ein Stück näherzubringen. Wir alle wissen, dass es immer noch nottut, Europa als Ganzes den Menschen ein Stück weit begreiflicher zu machen. Der Weg über gemeinsam vereinbarte Grundwerte, über mehr Transparenz im parlamentarischen Entscheidungsprozess, über die Stärkung des Europaparlaments ist sicherlich ein richtiger Schritt, um den Menschen besser zu verdeutlichen, welche Bedeutung Europa für uns alle und für unser tägliches Leben hat.
Aber Akzeptanz für Europa wird uns eben nur dann gelingen, wenn Europa auch weiterhin ein Europa der Regionen bleibt, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass eben nicht ausschließlich bürokratischer Zentralismus aus Brüssel Europa bestimmt, sondern dass die Regionen dieses vereinigten Europas mit all ihren Unterschiedlichkeiten und mit ihren jeweiligen Besonderheiten eine Chance haben, sich in dieses Europa mit entsprechender Stimme einzubringen und sich selbst entsprechendes Gehör zu verschaffen. Darum geht es bei der Frage des Begleitgesetzes II.