Protocol of the Session on September 16, 2009

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Deshalb: Informieren Sie sich ein bisschen besser. Dann können wir den Sachverhalt neu aufrollen.– Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel und Günter Rudolph (SPD): Jetzt kommt Herr Koch!)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. – Herr Kollege Rudolph, zur Geschäftsordnung, bitte.

Herr Präsident, wir bitten, zu Ziffer 4 unseres Antrags Drucks. 18/993 eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Ich gehe davon aus, dass überhaupt nach Ziffern abgestimmt werden soll.Aber es liegt mir kein Antrag vor.

(Günter Rudolph (SPD): Das interessiert nicht!)

Dann halte ich fest: Über Ziffer 4 des Antrags Drucks. 18/993 führen wir eine namentliche Abstimmung durch. Das machen wir vorab. Dann können wir über die anderen Punkte abstimmen. Einverstanden?

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danach einzeln!)

Also stimmen wir über jede Ziffer einzeln ab.Alles klar. Das geht in Ordnung. Dann bitte ich, zu beginnen. Ich bitte, bei Zustimmung laut und deutlich Ja, bei Ablehnung Nein und bei Enthaltung „Enthaltung“ zu sagen.

(Namensaufruf – Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Meine Damen und Herren, wir müssen noch einmal zählen.Ich mache Ihnen den Vorschlag,dass wir jetzt über die Ziffern 1, 2, 3, 5 und 6 abstimmen. Bis dahin sind die anderen Stimmen ausgezählt.

Ich rufe die Ziffer 1 des Antrags der SPD auf.Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Ich stelle fest, dass die Ziffer 1 bei Zustimmung der SPD und Ablehnung aller anderen Fraktionen nicht angenommen worden ist.

Ziffer 2.Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen?

(Günter Rudolph (SPD): Ich denke, ihr stimmt nicht mit den LINKEN ab! Jetzt macht ihr es doch!)

Wer enthält sich der Stimme? – Ziffer 2 ist mit dem gleichen Ergebnis wie Ziffer 1 abgelehnt.

Ziffer 3. Wer stimmt zu? – Wer lehnt ab? – Ich stelle fest, dass Ziffer 3 bei Zustimmung von SPD, GRÜNEN und LINKEN sowie Ablehnung der Fraktionen der CDU und der FDP ebenfalls abgelehnt worden ist.

Ziffer 5. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Ziffer 5 ist mit dem gleichen Ergebnis wie Ziffer 3 abgelehnt.

Ziffer 6.Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle fest, dass Ziffer 6 bei Zustimmung von SPD und GRÜNEN sowie Ablehnung von CDU, FDP und LINKEN abgelehnt ist.

Das Ergebnis der Auszählung zu Ziffer 4 hat ergeben: Mit Ja haben 48 gestimmt.Mit Nein haben 66 gestimmt.Damit ist die Ziffer 4 ebenfalls abgelehnt.

(Anlage 2: Erklärung zur Abstimmung nach § 88 Abs. 2 GOHLT der Abg. Heike Habermann und Nancy Faeser (SPD))

Meine Damen und Herren, wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 18/994. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP bei Zustimmung durch die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE abgelehnt.

Zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 18/1067.Wer möchte dem zustimmen? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann stelle ich fest, dass der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP bei Ablehnung der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE beschlossen worden ist. Damit können wir den Punkt abschließen.

Ich rufe nichts mehr auf, sondern teile Ihnen nur mit, dass wir den Dringlichen Antrag der Fraktion der SPD betreffend Arbeitslosigkeit abbauen – Qualifikationen erhalten – Menschen aktiv in Arbeit bringen, Drucks. 18/1107, erhalten haben.Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dies Tagesordnungspunkt 77, den ich zusammen mit Tagesordnungspunkt 43 aufrufe. Sind alle dafür? – Wunderbar.

Weiterhin bitte ich Sie, trotz der Zeitverschiebung an der Eröffnung der Ausstellungen „20 Jahre friedliche Revolution und deutsche Einheit“ und „Schifflersgrund“ teilzunehmen, die unten im Foyer stattfindet.

Sie können jetzt bis 15:15 Uhr in die Mittagspause eintreten.

(Unterbrechung von 14:09 bis 15:18 Uhr)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie begrüßen und die Sitzung wieder eröffnen.

Wir fahren fort mit dem Setzpunkt der LINKEN, Tagesordnungspunkt 43:

Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend keine neuen Sanktionen gegen Hartz-IV-Beziehende, Aussetzung aller laufenden Sanktionen – Drucks. 18/1072 –

gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 76:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Arbeitsmarktreform dringend weiterentwickeln – Drucks. 18/1105 –

und Tagesordnungspunkt 77:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Arbeitslosigkeit abbauen – Qualifikationen erhalten – Menschen aktiv in Arbeit bringen – Drucks. 18/1107 –

Redezeit: zehn Minuten pro Fraktion. Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Schott gemeldet. Sie haben das Wort, bitte schön.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wir haben uns dazu entschlossen,einen Antrag zur Aussetzung der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger einzubringen. Dafür gibt es generelle, aber vor allem auch aktuelle gute Gründe.

Wir haben momentan 17 % weniger offene Stellen als im Vorjahr, dafür aber mehr Arbeitslose. Angesichts dessen sind Sanktionen gegen Arbeitslose, speziell gegen HartzIV-Empfängerinnen und -Empfänger, eine besonders unangemessene Umgehensweise. Erwerbslose werden dafür bestraft, dass sie z. B. zu spät zu einem Termin kommen, dass sie nicht für 1 c arbeiten wollen oder dass sie nicht zum nächsten Bewerbungstraining gehen wollen, nicht an noch einem Computerkurs teilnehmen wollen oder in Ruhe darüber nachdenken wollen, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben.

Bei der gerichtlichen Überprüfung eben dieser Eingliederungsvereinbarungen fallen diese regelmäßig durch. Ich kenne einen Volljuristen, der zu einem Bewerbungstraining geschickt wurde. Als er dem Arbeitsvermittler erklärte, dass es sinnvoller wäre, ihn als Trainer einzusetzen denn als Teilnehmer dieser Maßnahme, wurde ihm in ruhiger und bestimmter Art erklärt, dass er mit Leistungskürzung zu rechnen habe, wenn er nicht an dem Training teilnehme. – Eine effektivere Mittelverschwendung kann ich mir nicht vorstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese geübte Sanktionspraxis gegen Erwerbslose führt Jahr für Jahr zu neuen Sanktionen und zu einer steigenden Zahl von Widersprüchen, insbesondere von erfolgreich geführten Widersprüchen. In Zeiten wie diesen, in denen wir im August steigende Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen haben, in denen die Bundesregierung ohne lange Diskussion die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld verlängert, in Zeiten wie diesen, in denen wir in Hessen fast täglich ein kleines oder mittelständisches Unternehmen verlieren und nach wie vor um die Arbeitsplätze bei Opel fürchten müssen, beschäftigen sich unzählige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsverwaltung damit, Sanktionen auszusprechen und sich dann oft monatelang mit den Widerspruchsverfahren zu befassen. Statt Kraft, Energie und Kosten in sinnentleerte Auseinandersetzungen über vermeintliche Verstöße zu geben,muss alle Kraft aufgewendet werden, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen wurden im Jahr 2008 789.000 Sanktionen verhängt. Wie erklären Sie mir, dass von 83.000 Widersprüchen,die 2008 gegen diese Sanktionen eingelegt wurden, 41 % erfolgreich waren, über den Klageweg sogar 65 %? Sanktionen schaffen keine Arbeitsplätze. Sie erhöhen auch nicht die Bereitschaft, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Im Gegenteil, sie sind kontraproduktiv.

(Beifall bei der LINKEN)

Erwerbslose, denen ihr ohnehin schon knapp bemessenes Geld gekürzt wird, sind damit beschäftigt, die Kürzungen irgendwie zu kompensieren. Ihr Kopf wird nicht freier

und kreativer, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu bewähren. Der Sanktionsgedanke rührt aus der Annahme, dass ein großer Teil der Erwerbslosen sich in der sozialen Hängematte ausruht. Gerhard Schröder hat mit seinem „kein Recht auf Faulheit“ eine unsägliche Debatte begonnen, in der er die Verantwortung für Arbeitslosigkeit individualisiert hat, um darüber hinwegzutäuschen, dass es schlicht und ergreifend nicht genug Arbeitsplätze gibt. – Beachten Sie die Vokabel „Arbeitsplätze“; denn Arbeit gibt es genug.

Die Faulheitsthese ist vollkommen falsch. Der steigende Anteil von Menschen, die zu Niedriglöhnen arbeiten oder als Leiharbeitnehmer beschäftigt sind, zeigt deutlich, dass immer mehr Menschen bereit sind, zum Teil zu unwürdigen Bedingungen zu arbeiten. Auch der jüngste Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass der überwiegende Teil der Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger bereit ist, Beschäftigung deutlich unter ihrem Qualifikationsniveau anzunehmen, längere Arbeitswege in Kauf zu nehmen, mehr Belastung am Arbeitsplatz zu akzeptieren und ungünstige Arbeitszeiten und geringes Einkommen zu verschmerzen. Was, bitte, sollen Erwerbslose eigentlich noch in Kauf nehmen, um am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen?

Der Arbeitsmarkt hält aber schlicht und ergreifend kein Angebot für diese Menschen bereit. Die Arbeitslosigkeit ist in Deutschland nach wie vor durch ein massives Arbeitsplatzdefizit gekennzeichnet. Mit der Krise wird sich diese Situation dramatisch verschärfen.Wenn in der Zielvereinbarung zwischen dem BMAS und der Bundesagentur zur Erreichung der Ziele der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2009 die Rede davon ist, die existenzsichernden Leistungen um 3 % zu senken, dann frage ich mich ernsthaft, wie das gehen soll, wenn nicht durch vermehrte Sanktionen, deren einziger Sinn genau die Erfüllung dieser Vereinbarung ist.

Nebeneffekt dieser Sanktionen ist ein ungeheurer Druck sowohl auf Erwerbstätige als auch auf die Erwerbslosen, alles Mögliche an Verschlechterungen in der Arbeitswelt zu akzeptieren, um nur ja zu vermeiden, in die Gefahr von Erwerbslosigkeit oder gar einer Sanktion zu kommen. Auf diese Weise geraten wir noch stärker in eine Abwärtsspirale bei Löhnen und Arbeitsbedingungen, als wir es ohnehin schon sind.

Die Sanktionen müssen aber auch deshalb beendet werden, weil sie eine Art Sippenhaft darstellen. In jeder betroffenen Bedarfsgemeinschaft werden alle von den Kürzungen betroffen. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass bei einer Mittelkürzung das Familienmitglied, das für die Kürzung verantwortlich ist, ganz allein diese Kürzung wieder einspart. Das heißt für alle und damit auch für die Kinder:Weniger Geld in der Haushaltskasse bedeutet weniger Lebensqualität, bedeutet unter Umständen weniger zu essen.

Befragen Sie die Anwälte, die die Widerspruchsverfahren führen. Sie wissen zu berichten, dass häufig nicht darauf aufmerksam gemacht wird, dass es Lebensmittelgutscheine gibt, dass Bescheide, gegen die Widerspruch erhoben werden soll,oft erst nach vier Wochen ausgestellt werden, dass Widersprüche häufig bis zu sechs Monate Bearbeitungszeit haben und dass der Widerspruch natürlich keine aufschiebende Wirkung hat.

Die Folge von Sanktionen ist häufig Verschuldung. Sollte der Erwerbslose bis hierhin noch nicht verschuldet oder