Protocol of the Session on February 18, 2009

Für uns Liberale ist entscheidend – das gilt für die gesamte Landesregierung –, dass alle Kinder am Anfang ihrer Schullaufbahn die Möglichkeit bekommen, ihre Startchancen zu nutzen. Wir wissen, dass diese Startchancen aufgrund des familiären Umfelds häufig sehr unterschiedlich sind. Die Kinder können nichts dafür, wenn ihre Eltern nicht bildungsaffin sind, wenn diese vielleicht nicht die Zeit haben, sich um die Förderung ihrer Kinder zu kümmern. Deshalb wollen wir gerade die frühkindliche Bildung verbessern und den Schritt in die Grundschule vereinfachen.

Wir haben uns deshalb die Einführung eines besonderen Schulvorbereitungsjahres vorgenommen.Am Beginn dieses Schulvorbereitungsjahres steht eine Schuleingangsprüfung. Diese Eingangsprüfung bildet die Grundlage für alle abzustimmenden Programme. Das Wichtige ist: Wir

wollen die Förderprogramme mit den Eltern und mit der Schule abstimmen. Wir wollen die individuellen Schwächen der Kinder feststellen und dort ansetzen. Vor dem Eintritt in die Grundschule müssen die Ziele dieses Förderprogramms erfüllt sein. Das ist entscheidend. Die Botschaft von Dorothea Henzler ist und war – die Kollegen der CDU haben das im Wahlkampf genauso gesagt –:

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Wir wollen nicht, dass Kinder dadurch, dass sie aus unterschiedlichen familiären Verhältnissen kommen, in der Grundschule unterschiedliche Startchancen haben. – Wir wollen gleiche Startchancen für alle Kinder in der Grundschule. Auch darauf können sich die Eltern in Zukunft verlassen.

(Beifall bei der FDP)

Bei den Förderzielen beziehen wir kognitive Fähigkeiten genauso wie soziale Fähigkeiten ein. Es ist uns wichtig, dass die Kinder ein entsprechendes Sozialverhalten erlernen, wenn sie in eine große Gruppe kommen, damit die Lehrer uneingeschränkt mit der Wissensvermittlung beginnen können.Das muss unser Ziel sein.Dass dieses Modell in Hessen neu ist, wissen Sie. Es stellt nach meiner Auffassung einen Paradigmenwechsel dar. Es ist ein Fortschritt für die Schüler, die Eltern und die Lehrer, und es wird die Chancengerechtigkeit erhöhen.

Zweitens. Wir wollen Hessens Schulen Ruhe und Verlässlichkeit zurückgeben. Das, was ich gerade beschrieben habe, das, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben, Herr Kollege Al-Wazir, hat bei vielen Eltern, Schülern und Lehrern deshalb so viel Unbehagen ausgelöst,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Überhaupt nicht!)

weil sie eben nicht wollen, dass erneut eine Schuldiskussion geführt wird. Die Schulen brauchen jetzt a) eine gute Ausstattung, b) mehr Personal und Eigenverantwortung und c) Ruhe vor neuen Reformen. Das muss die Marschrichtung dieser bürgerlichen Koalition sein. Wir wollen den Schulen Ruhe und Verlässlichkeit zurückgeben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Auch in der Frage der Freiheit für die Schulen führen wir einen Paradigmenwechsel herbei. Ja, es handelt sich um ein völlig neues Modell. Der Herr Ministerpräsident hat das aufgeführt, was wir hier implementieren wollen. Wir wollen, dass die Entscheidungen vor Ort getroffen werden. Wir wollen, dass die Entscheidungen in der Schule mit den Lehrern, den Eltern und den Schülern vereinbart werden. Es muss nicht so sein, dass diese Entscheidungen über Behörden in Wiesbaden oder über Staatliche Schulämter laufen. Wir wollen, dass sofort entschieden werden kann.

Meine Damen und Herren, das ist ein Paradigmenwechsel, der die Verwaltungsstrukturen in diesem Lande auf den Kopf stellt.Deshalb wird das nicht ohne Probleme gehen.Aber das ist, wenn es umgesetzt wird, der einzig richtige Weg, weil die Verantwortung dort wahrgenommen werden muss, wo sie hingehört – vor Ort, direkt bei den Schülern und bei den Eltern.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen mit der Einstellung von 2.500 zusätzlichen Lehrern vor allen Dingen erreichen, dass die Bildung in diesem Land eine ganz, ganz hohe Priorität genießt. Die Aussage, dass wir unseren einzigen Rohstoff im Kopf tragen, und die Aussage, dass wir als Land, das kaum andere Rohstoffe hat, die Bildung fördern müssen, sind Allgemeinplätze, die wir alle unterschreiben können. Die Menschen werden uns daran messen können, was wir davon umgesetzt haben.

(Zuruf von der SPD: Das werden wir tun!)

In diesem Bereich ist in den letzten Jahren vieles auf den Weg gebracht worden, auch von der CDU-Alleinregierung. Ich meine vor allen Dingen den Bildungs- und Erziehungsplan. Der Bildungs- und Erziehungsplan enthält den Grundkonsens, dass wir sagen, Bildung fängt nicht erst in der Grundschule an. Bildung fängt mit der Stunde der Geburt an, bei den Eltern. Das ist die erste Hürde, die zu nehmen ist.

Deshalb muss auch das klar sein:Der Staat kann und muss verschiedene Aufgaben übernehmen.Aber die erste Priorität – die erste Verantwortungshürde – liegt bei den Eltern, die diese Aufgabe zu erfüllen haben. Dann kommt der Staat ins Spiel. Darauf, dass in unseren Institutionen und dort, wo wir die Eltern bei der Kinderbetreuung entlasten wollen, Bildung stattfindet, müssen sich die Eltern verlassen können.Das ist das Ziel dieser Koalition.Ich bin mir sicher, dass wir dieses Ziel auch gemeinsam erreichen werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich glaube ganz fest, dass es ein richtiger Schritt war, das Ministerium umzubenennen, wie es Herr Minister Banzer gemacht hat. Jetzt kann man natürlich – so würde ich es bei meiner Tochter nennen – in Indianerwutgeheul ausbrechen. Dann gibt es tränenreiche Auftritte nach dem Motto „Das alles kann gar nicht so sein“.

Ich glaube schon, dass das so sein kann; denn diese Neubenennung zeigt auch, wo die Prioritäten liegen. Für uns hat die Familie die Priorität Nummer eins. Für mich hat das Thema Familie in dieser Gesellschaft die Priorität Nummer eins. Wenn die Familie nicht funktioniert, kann nämlich die ganze Gesellschaft nicht funktionieren.

Deshalb werden wir uns ganz konkret auf diesen Bereich konzentrieren. Im Koalitionsvertrag haben wir eine ganze Menge von Maßnahmen und Vorschlägen. Ich lade Sie herzlich ein, mitzudiskutieren – auch wenn Sie kaum noch vorhanden sind. Diskutieren Sie mit uns. Ich spreche damit vor allem diejenigen an, die nicht anwesend sind, z. B. Frau Ypsilanti.Ich spreche alle an.Diskutieren Sie mit uns über die besten Wege.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube nämlich wirklich, dass es sich lohnt. Ich denke auch, dass die Menschen es honorieren werden, wenn sie merken, dass dieses Parlament nicht nur aufgrund von persönlichen Angriffen, sondern auch über inhaltliche Diskurse Schlagzeilen macht. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ betrifft mich mittlerweile selbst. Die Sichtweise ist eine andere, wenn man selbst betroffen ist; das ist so. Aber ich glaube, dass das, was wir den Menschen hier versprochen haben, einerseits sehr ambitioniert ist und andererseits auf jeden Fall von uns eingehalten werden muss.

Junge Menschen, die sich in diesem Land für Kinder entscheiden, erwarten von uns, dass wir diese Versprechen wahr machen. Sie erwarten von uns, dass Kinderbetreuung eben nicht nur ein Zufallsprodukt ist,ein Produkt von guten Beziehungen, also der Tatsache, dass man irgendjemanden kennt, der vielleicht auf das Kind aufpasst, oder dass man möglicherweise eine Tagesmutter oder einen Tagesvater in der Nähe hat, der das Ganze übernehmen kann.

Ich sage ganz offen: Sie können meine Leistung direkt daran messen, ob wir das nach fünf Jahren geschafft haben. Wir sind dort auf einem Weg. Wir haben einen Weg eingeschlagen, der auch eine Menge Geld kostet. Auch das muss man sagen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Hier übernimmt der Staat eine große Aufgabe, die richtig teuer ist. Aber es ist eine richtige Aufgabe; denn wir können es uns nicht leisten, dass vor allem Frauen – in der Mehrzahl sind es eben Frauen – darauf verzichten müssen, in den Beruf zurückzukehren. Das wird es mit dieser Landesregierung nicht geben.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hessen ist ein Familienland. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden alles dafür tun, dass sich Familien in diesem Bundesland wohlfühlen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das fängt nicht nur bei der Betreuung an, sondern auch damit, dass wir demnächst mit ganz einfachen Maßnahmen Familien in diesem Bundesland willkommen heißen werden.

Wir wollen auf der einen Seite einen Betreuungsgutschein – dazu komme ich gleich –, und wir wollen auf der anderen Seite vor allem ein Begrüßungspaket: Herr Kollege Al-Wazir, jedes Kind, das in Hessen geboren wird, muss wissen, dass es hier wirklich positiv aufgenommen wird. Diese Modelle gibt es sogar in grün regierten Kommunen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jeder FDP-Abgeordnete bekommt ein Begrüßungspaket!)

Ich glaube, das Paket werde ich nicht mehr bekommen. Aber vielleicht bekomme ich irgendwann doch noch eines. Ich werde mir Mühe geben.

Nichtsdestotrotz ist es das richtige Signal, dass wir in Hessen Familien willkommen heißen.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir haben damit verbunden, zu sagen: Ja, wir wollen auch die Erziehungskompetenz der Eltern stärken. – Frau Kollegin Fuhrmann, das ist eine lange Diskussion, die wir auch schon geführt haben: ob und wie man das macht – verpflichtend oder nicht verpflichtend.

Als Liberaler sage ich, dass wir Eltern in dieser Frage zu nichts zwingen können. Die Eltern sind die Verantwortlichen, die diese Frage für sich klären müssen. Aber wir wollen einen Anreiz dahin gehend setzen, dass Eltern die Chance haben, Erziehungskompetenz zu lernen. Deshalb ist das, was bei uns als Prüfauftrag enthalten ist, nämlich Erziehungskompetenzgutscheine an Eltern zu verteilen, neben der Versicherung, dass jedes Kind in Hessen willkommen ist, der richtige Weg – wenn wir denn dazu kom

men. Wir wollen nämlich die Erziehungskompetenz stärken.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Einen ganz erheblichen Paradigmenwechsel haben wir bei der Frage, wie wir die Betreuung finanzieren, vorgenommen. Betreuungsgutscheine in Hessen einzuführen und hierzu einen Modellversuch aufzulegen, halte ich für einen der wichtigsten Schritte bei der Kinderbetreuung.

Wir müssen endlich davon wegkommen, dass der Staat bestimmten Einrichtungen Geld gibt.Vielmehr sollen die Eltern dieses Geld erhalten. Die Eltern bekommen von uns einen Gutschein, den sie bei einer Einrichtung ihrer Wahl oder auch bei einer Tagesmutter einlösen können. Sie sorgen dafür, dass der Gutschein einen Wert hat; denn die Einrichtungen müssen darum werben, dass die Gutscheine bei ihnen eingelöst werden.

Das ist ein Modell, das in Hamburg läuft. Es ist unter der FDP eingeführt worden und wird jetzt von Schwarz-Grün fortgesetzt. Das ist ein Modell, das, glaube ich, auch die GRÜNEN mittragen können.

Frau Kollegin Schulz-Asche, ich habe mich sehr gefreut, dass das Wiesbadener Stadtparlament vor einer Woche einem solchen Modell zugestimmt und erklärt hat: Die Stadt Wiesbaden will sich mit den Stimmen der Sozialdemokraten, der GRÜNEN, der FDP und der CDU darum bewerben, dass dieser Modellversuch in Wiesbaden durchgeführt wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herzlichen Dank dafür.Ich finde es toll,dass Sie auch einmal parteipolitische Gräben übersprungen haben. Ich halte das für richtig.

Ich glaube, dass wir damit auch einen zweiten Effekt erreichen, nämlich die Eltern wirklich zu stärken.

Ein dritter Effekt: Wir brauchen auch endlich einen positiven Wettbewerb in diesem Bereich. Es gibt ganz viele tolle Institutionen – das sieht man in Hamburg –, die zwar auf dem Markt der Kinderbetreuung mitmachen wollen, es aber gar nicht können, weil das Geld schon vorher verteilt ist. Ich glaube, diesen kleinen Institutionen – das sind häufig ganz kleine Organisationen und Vereine – geben wir eine Chance, wenn wir das System endlich auf Gutscheine umstellen. Das ist ein riesengroßer Paradigmenwechsel in diesem Land.