Protocol of the Session on July 7, 2009

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich damit beginnen – wir sind zwar bei der Bildungspolitik –, dass ich Herrn Reif zitiere. Herr Reif hat vorhin gesagt: Ich habe selten eine Anhörung im Hessischen Landtag erlebt, bei der so viel Übereinstimmung festzustellen war.

Meine Damen und Herren, die haben wir auch im Kulturpolitischen Ausschuss erlebt;denn es herrschte dort Übereinstimmung bei den Anzuhörenden darüber, dass eine Erschwerung der Neugründung von integrierten Gesamtschulen ein falscher Schritt ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Landesschülerrat, Elternbund, GEW, Gesamtschulverband, der Hessische Landkreistag, der Hessische Städtetag, der Ganztagsschulverband – sie alle haben sich gegen diese geplante Änderung des Schulgesetzes ausgesprochen.

Diese Anhörung hat es eigentlich auch den Begriffsstutzigsten deutlich gemacht: Es ist keine Frage der Jahrgangsbreite, ob und wie eine zweizügige Gesamtschule erfolgreich arbeiten kann. Man braucht auch kein Abbild des dreigliedrigen Schulsystems, um erfolgreich auf alle verschiedenen Schulabschlüsse vorzubereiten. Meine Damen und Herren, die Schulen sind sich durchaus der Verantwortung bewusst, dass sie am Ende der jeweiligen Schulzeit eine zentrale Abschlussprüfung der verschiedenen Bildungsgänge vorbereiten müssen, also den Hauptschul- und den Realschulabschluss wie auch den Übergang in die gymnasiale Oberstufe.

Dazu braucht man keine Dreizügigkeit. Dazu braucht man ein Konzept, das auf individueller Förderung und Binnendifferenzierung aufbaut. Dann können die Schulen auch leisten, wenn man sie nur lässt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ein weiteres Argument gegen die erschwerte Gesamtschulgründung brachten die Kommunalen Spitzenverbände vor. Meine Damen und Herren, dieser Landtag hat sich sehr frühzeitig mit den Folgen der demografischen Entwicklung in Hessen auseinandergesetzt.Wir wissen, in einzelnen Regionen werden die Schülerzahlen um bis zu 20 % zurückgehen. Deshalb brauchen wir eine Antwort darauf, wie für jedes Kind der Zugang zu Bildungsangeboten in erreichbarer Nähe erhalten werden kann, die zu jedem Abschluss führen. Der Hessische Landkreistag hat erkannt, dass das Angebot einer IGS ein solches Bildungsangebot erhalten kann, und plädiert ausdrücklich dafür, hier keine Änderung im Schulgesetz vorzunehmen. Auch der Hessische Städtetag spricht sich dagegen aus, prinzipiell zweizügige Gesamtschulen per Schulgesetz auszuschließen.

Meine Damen und Herren, da Sie aber hinreichend für Ihre mangelnde Kommunalfreundlichkeit bekannt sind, will ich Ihnen aus der Pressemitteilung der VhU zitieren, was die Unternehmerverbände zur regionalen Absicherung von Bildungsangeboten zu sagen haben:

Die jetzt vorgesehene Regelung, die Zügigkeit für integrierte Gesamtschulen von zwei auf drei Klassen zu erhöhen, schränkt ohne Rücksicht auf die regionale Nachfrage den dargestellten Entscheidungsspielraum der Schulgemeinden für Erhalt und Neueinrichtung von Schulangeboten unvertretbar ein.

Dies stellt Jörg Feuchthofen von der VhU sehr treffend fest. Zumindest ihm sollten Sie doch vorurteilsfrei zuhören.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Reif hat vorhin gesagt,man solle den Anzuhörenden auch folgen. Aber genau diese Absicht scheinen Sie wiederum nicht zu haben. Sie verharren bewegungslos und beratungsresistent in Ihrem ideologischen Schützengraben; denn das ist der einzige Hintergrund für diese Schulgesetzänderung, der in Wirklichkeit greift.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN)

Ich finde es einfach jämmerlich, dass die Herren von der FDP und mit ihnen die Kultusministerin sich als willfährige Steigbügelhalter für eine Bildungspolitik aus dem vorletzten Jahrhundert hergeben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenig Ruhm haben Sie sich auch mit der Ablehnung des SPD-Antrags zum Schulgesetz erworben, der sich mit dem Schulbesuch von Kindern ohne legalen Aufenthaltsstatus beschäftigt. Im April 2008 verkündete die derzeitige Kultusministerin, damals gemeinsam mit ihrem Fraktionsvorsitzenden, eine Änderung der Rechtslage sei dringend erforderlich,damit jedes Kind sein Recht auf Bildung wahrnehmen könne. Recht hat sie gehabt, die Kultusministerin. Aber der Landtagsbeschluss,der mit den Stimmen von FDP,SPD,GRÜNEN und LINKEN gefasst wurde, ist bis heute nicht umgesetzt.

Deshalb hat die SPD-Fraktion analog zur bestehenden Regelung im Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen eine Änderung des Hessischen Schulgesetzes vorgelegt,die die Schulpflicht für alle Kinder unabhängig vom rechtlichen Status regelt. Frau Henzler, ich zitiere aus dem vergange

nen Jahr – das ist heute noch auf der FDP-Homepage zu lesen –:

Bayern und Nordrhein-Westfalen haben gute Regelungen im Schulgesetz. Hier gilt die allgemeine Schulpflicht ausdrücklich auch für „ausreisepflichtige“ Ausländerkinder.

Heute flüchten Sie sich in Ausreden. Welcher Eiertanz hier vollführt wird, haben wir heute Nachmittag in der Fragestunde erlebt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich kann nur eindringlich an Sie appellieren, sich diese Haltung noch einmal zu überlegen.

Wir werden einigen Punkten in diesem Schulgesetzentwurf zustimmen, beispielsweise der Vorverlegung der Einschulungsuntersuchung. Aber insgesamt lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Ich beantrage für den Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes eine dritte Lesung, damit Sie noch einmal Gelegenheit haben, die Unterlagen der Anhörung sorgfältig zu lesen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Keine dritte Lesung beantragen wir für die Änderung des Lehrerbildungsgesetzes, nachdem die Koalition bereit war, ihre eigenen Fehler, die Sie sogar doppelt gemacht haben, weil der Gesetzentwurf auch nicht hinreichend war, nach dem Anhörungsverfahren zu korrigieren und die Bewertungstabelle so zu ändern, dass Ungerechtigkeiten vermieden werden. Wir hätten der Tabelle der GEW den Vorrang gegeben; aber sie unterscheidet sich nur marginal von der des Amtes für Lehrerbildung,die Sie präferiert haben.

Wir begrüßen auch,dass sichergestellt wird,dass die Lehramtsstudenten, die in diesem Jahr ihr Examen gemacht haben, nicht benachteiligt werden, sondern auch rückwirkend von dieser Änderung profitieren können.

Unzufrieden sind wir allerdings mit der Festlegung der Qualifikation für Seiteneinsteiger ins Lehramt. Das Seiteneinsteigerprogramm ist der Not geschuldet, dass für die Mangelfächer in den kommenden Jahren nicht genügend Lehramtsbewerber zur Verfügung stehen. Es kann aber nicht im Interesse der Schüler und der Schulen sein, wenn die notwendige Qualifikation der Seiteneinsteiger nur verschwommen definiert wird und der Lehrerberuf Gefahr läuft, dequalifiziert zu werden. Dagegen sprechen wir uns aus und wollten deswegen den universitären Abschluss auch in dem Gesetzentwurf festschreiben. Das haben Sie leider nicht mitgetragen.

Ich komme als letzten Punkt zu unserem Antrag betreffend eine Reform des Lehrerbildungsgesetzes, hier mit Priorität auf der zweiten Ausbildungsphase. Wir werden im Ausschuss Gelegenheit haben, die Eckpunkte zu diskutieren. Ich will nur wenige Bemerkungen machen.

Die SPD-Fraktion ist recht erstaunt darüber, dass die Regierungsfraktionen und die zuständige Ministerin sich auf die Veränderung einer Notentabelle beschränkt haben, obwohl die Notwendigkeit einer Reform der zweiten Ausbildungsphase im vergangenen Jahr von allen Fraktionen als vordringlich angesehen wurde. Der Fraktionsentwurf der FDP vom vergangenen Jahr wurde von Herrn Herr schon erwähnt. Umso erstaunlicher ist, dass er nicht

gleichzeitig mit dem Fraktionsentwurf von CDU und FDP jetzt wieder auf dem Tisch gelegen hat.

(Wolfgang Greilich (FDP): Das liegt daran, dass Sie nicht wissen, wie man regiert!)

Entweder war dieser Entwurf damals ein Schnellschuss, der nur den Zweck hatte, sich öffentlich in Szene zu setzen, oder es gibt auch in diesem Punkt wieder einmal unüberwindbare Gegensätze zwischen den Koalitionspartnern. Beide Varianten dürften weder die Studierenden noch die Schulen, noch die Studienseminare erfreuen.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zu meinem letzten Satz, Herr Präsident. – Das haben wir bereits im Ausschuss gemerkt.

Wir warten gespannt auf Ihren Vorschlag, halten es trotzdem für notwendig, dass wir unsere Eckpunkte im Ausschuss konstruktiv beraten und dann vielleicht auch Ihr Tempo beim Lehrerbildungsgesetz etwas beschleunigen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Wagner, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beraten heute in zweiter Lesung das Lehrerbildungsgesetz und den Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes sowie einen Antrag der SPD zu weiteren Veränderungen in der Lehrerausbildung.

Ich möchte mit dem Gesetzentwurf zum Lehrerbildungsgesetz anfangen. Hier werden nun endlich einige der Fehler korrigiert, auf die einige Fraktionen hier im Hause seit Jahren hingewiesen haben. Seit Jahren haben wir gesagt, die Notentabelle kann nicht so bleiben, wie sie ist; sie enthält gravierende Fehler.Es ist gut,dass diese Notentabelle jetzt endlich korrigiert wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Quanz [SPD])

Das Lehrerbildungsgesetz enthält an einer zweiten Stelle eine Notmaßnahme. Da geht es um den Quereinstieg in den Lehrerberuf.Warum ist diese Regelung des Quereinstiegs nötig? – Weil wir in Hessen in den vergangenen Jahren – auch das ein Ergebnis von zehn Jahren Bildungspolitik, einmal mit und einmal ohne FDP – zu wenige Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet haben. Deshalb müssen wir uns jetzt Gedanken machen, wie wir Menschen über einen Quereinstieg in den Lehrerberuf holen.

Die Regelung,die jetzt vorliegt,trifft unsere Zustimmung, sofern es eine Ausnahmeregelung bleibt. Es kann nicht sein, dass der Lehrerberuf durch die Hintertür entprofessionalisiert wird. Es kann nur eine Ausnahme sein, dass wir ausnahmsweise Leuten den Quereinstieg ermöglichen, die eigentlich nicht die volle notwendige Qualifi

kation für den Lehrerberuf haben. Deshalb stimmen wir dieser Änderung als Notpaket zu.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren,noch einmal wichtig zum Festhalten: nichts Innovatives von CDU und FDP vorgelegt, sondern reine Korrektur der eigenen Fehler,keine einzige Neuerung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es völlig richtig, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPD in ihrem Antrag darauf hinweisen, dass wir weiteren Änderungsbedarf in der Lehrerausbildung haben. Herr Kollege Herr, wenn Sie behaupten, mit diesem Gesetz sei alles gelöst, dann nehmen Sie schlicht und ergreifend die Wirklichkeit an den Studienseminaren nicht wahr.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist mitnichten die Arbeitsbelastung der Lehrer im Vorbereitungsdienst gelöst.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das hat er doch gar nicht gesagt!)