Protocol of the Session on June 18, 2009

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir hören aber nichts davon!)

Auf der anderen Seite muss man fragen, was man aus einer solch verfahrenen Situation machen kann, die für mich ein Stück weit exemplarisch für den Dialog zwischen den Religionen unserer Welt ist.

Ich halte es für richtig, jetzt diesen runden Tisch anzuberaumen. Denn ich glaube, man muss dieses Problem aus der Welt schaffen. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass es Herrn Kermani nicht intellektuell gelingen kann, Herrn Steinacker und Herrn Lehmann seine Beweggründe für diesen Artikel darzustellen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass Herr Kermani dazu sehr gut in der Lage ist.

Jetzt kann man sagen – Herr Al-Wazir, ich sehe das Ihrem Gesicht an –, das ist gar nicht notwendig, weil dieser Artikel so glasklar ist. Ich gebe zu, ich sehe das auch so. Aber ich kann nicht für andere sprechen. Ich glaube, gerade der Respekt vor Herrn Kardinal Lehmann und Herrn Steinacker gebietet es, diesen Dialog zu unterstützen. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich alle vier noch einmal zusammensetzen. Da vergibt sich niemand etwas.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Klar ist aber auch: Wenn dieses Gespräch nicht zustande kommen sollte oder ohne Ergebnis bleibt – das möchte ich nicht vollständig ausschließen, angesichts der Vorgeschichte und der medialen Kommentierung dieses Themas von vielen Seiten –, dann muss aus meiner Sicht und aus Sicht der FDP diese Preisverleihung abgesagt werden, weil dann deren Geschäftsgrundlage entfallen ist. Dem Sinn dieses Preises,den interreligiösen Dialog auszuzeichnen, kann doch nicht entsprochen werden, wenn dieser Dialog nicht gelingt.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Holger Bellino und Axel Wintermeyer (CDU))

Dann muss logischerweise gesagt werden,dieses Jahr wird diese Preisverleihung ausgesetzt.

Ich sage das auch ganz bewusst: Ich glaube, es ist keine gute Idee, diesen Preis nur Einzelnen zu verleihen – ganz im Gegenteil, ich glaube, das wäre ein Fehler.

Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, diese Debatte wird uns weiter beschäftigen. Ich hoffe, von diesem runden Tisch werden wir gute Ergebnisse erfahren.

Ich will schließen mit einer Aussage des Wiesbadener Rabbis und Kantors der Jüdischen Gemeinde, Avraham Nussbaum. Er hat gesagt, und ich finde, man kann das kaum besser ausdrücken:

Ich habe, wie viele andere Juden auch, ein großes Problem mit dem Kreuz, sowohl theologisch-moralisch als auch emotional. Wer das nicht hören will, der darf gerne weghören, wäre aber wohl eher als Preisträger für den Monolog der Religionen geeignet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 3. Juni 2009 habe ich zu den Fragen der antragstellenden Fraktion in öffentlicher Sitzung im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst über den Kulturpreis berichtet.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nichts gesagt!)

Die Aussage im Antrag der GRÜNEN, die Landesregierung habe sich nicht zur Verleihung des Hessischen Kulturpreises geäußert, entspricht deshalb nicht den Tatsachen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ist es!)

Auch die in diesem Antrag der GRÜNEN aufgestellte Behauptung, die Landesregierung habe die Entscheidung des Kuratoriums nicht öffentlich gemacht und nicht transparent dargestellt, weise ich als unrichtig zurück.

Mit der Presseinformation vom 13. Mai 2009 hat die Landesregierung ausführlich über die Hintergründe der Entscheidung des Kuratoriums informiert und die öffentliche Debatte angestoßen. Ich bin aber gern bereit, die Entscheidung des Kuratoriums erneut – wie bereits im Ausschuss am 3. Juni geschehen – näher zu erläutern.

Die Intention des Kuratoriums für die Verleihung des Hessischen Kulturpreises 2009 war es, mit diesem Preis darauf aufmerksam zu machen, dass Religion ein entscheidender Bestandteil des kulturellen Lebens einer freien Gesellschaft ist.

Das Kuratorium, dem neben dem Ministerpräsidenten und mir neun weitere hochrangige Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft angehören, war sich von Anfang an dessen bewusst, dass diese Vergabe des Kulturpreises für religiöse Beiträge zur Kultur kein leichtes Unterfangen darstellen werde.

Im Lauf der Entscheidungsfindung kam es zu dem Vorschlag,vier Preisträger auszuwählen,die sich für das friedliche Miteinander der drei großen Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam herausragend einsetzen. Das Kuratorium benannte einvernehmlich Prof. Dr. Salomon Korn, Karl Kardinal Lehmann, Prof. Dr. Peter Steinacker sowie Prof. Dr. Fuat Sezgin zu Trägern dieses Kulturpreises. Dann entschied sich Prof. Sezgin, den Kulturpreis

wegen Äußerungen des Mitpreisträgers Salomon Korn über die aktuelle Situation in Israel nicht anzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schon dieser Vorgang zeigt, wie schwierig dieser Dialog ist.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Richtig!)

Daraufhin wurde Herr Navid Kermani von Kuratoriumsmitgliedern aufgrund seines bis dahin geleisteten publizistischen und literarischen Wirkens als Preisträger vorgeschlagen. Seine religionsübergreifenden Darstellungen standen hierfür im Vordergrund.

Ende April dieses Jahres teilten die zwei Preisträger der christlichen Religionsgemeinschaften, Kardinal Lehmann und Prof. Steinacker, mit, dass sie es aufgrund eines aktuellen Artikels in der „Neuen Zürcher Zeitung“, den Herr Kermani verfasst hatte, ablehnten, diesen Preis gemeinsam mit Herrn Kermani entgegenzunehmen. Beide empfanden sich durch Äußerungen in diesem Artikel in ihren religiösen Gefühlen verletzt und sahen das Zentrum ihres Glaubens angegriffen.

Daraufhin wurde Herrn Kermani mitgeteilt, seine Ausführungen hätten bei Herrn Kardinal Lehmann und Herrn Prof. Steinacker scharfe Kritik hervorgerufen, und beide sähen sich nicht in der Lage, unter diesen Umständen den Preis gemeinsam mit ihm anzunehmen. Herrn Kermani wurde der Wunsch der zwei Preisträger christlichen Glaubens übermittelt, eine erläuternde schriftliche Äußerung zur Klärung abzugeben. Dies lehnte Herr Kermani ab.

Unter Berücksichtigung der vielen Aspekte in diesem spannungsreichen Prozess von entschiedener Abweisung zueinander und nach reiflicher Abwägung traf das Kuratorium dann einstimmig und auf Vorschlag mehrerer Kuratoriumsmitglieder die Entscheidung, den Hessischen Kulturpreis 2009 an Prof. Korn, Karl Kardinal Lehmann und Prof. Steinacker unter Verzicht auf Herrn Kermani zu verleihen.

Zugleich beschloss das Kuratorium ebenso einstimmig, den gesamten Vorgang öffentlich zu machen, um damit Debatten anzustoßen, die aus den Erfahrungen lernen lassen.Das Kuratorium hat weiterhin beschlossen,die Beteiligten Prof.Dr.Salomon Korn,Karl Kardinal Lehmann, Prof. Dr. Peter Steinacker, Prof. Dr. Fuat Sezgin und Navid Kermani zu einem öffentlichen Disput einzuladen, um so zu erreichen, dass selbst angesichts so offensichtlich großer Unterschiede nicht übereinander, sondern miteinander geredet wird. Herr Kermani wurde vor der Veröffentlichung einer Presseerklärung darüber unterrichtet und zur öffentlichen Diskussion eingeladen.

In einer weiteren Kuratoriumssitzung wurde beschlossen, die Preisvergabe in den Herbst 2009 zu verschieben und zunächst ein nicht öffentliches gemeinsames Gespräch zwischen Prof. Steinacker, Kardinal Lehmann, Herrn Korn und Herrn Kermani abzuwarten.

Dass dieses Gespräch nun zustande kommt, begrüßen alle, die am Kulturpreis wirklich ein Interesse haben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Jawohl!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wären gut beraten, das Gespräch nicht im Vorfeld durch ideologische Debatten zu belasten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das ist das Niveau dieser Landesregierung! – Widerspruch bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist zweifelsohne eine schwierige Debatte. Das Wort hat jetzt aber Herr Kollege Schäfer-Gümbel und sonst niemand.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kühne-Hörmann, oder eigentlich besser Herr Koch,

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)

es wäre diesem Thema und den Bewertungen dieser Debatte in vielen Zeitungen – auch gerade angesichts Ihrer persönlichen Geschichte rund um das Thema Integration und Toleranz – sehr angemessen gewesen, wenn Sie hier heute endlich zu den Vorgängen Stellung nehmen würden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es gibt Leute, die es als Feigheit bezeichnen würden, dass Sie hier Frau Kühne-Hörmann nach vorne schicken, die krampfhaft eine Erklärung abliest, während Sie danebensitzen und ganz offensichtlich nicht bereit sind, auf eine der zentralen Fragen zu antworten,

(Günter Rudolph (SPD): Feige auch noch!)

ob nämlich die Aberkennung des Preises an Herrn Kermani von Ihnen initiiert wurde.Hier wird nur abstrakt von „einigen Personen“ gesprochen. Ich verlange von Ihnen, dass Sie hier und heute sagen, ob Sie dahinterstehen, dass dieser Preis aberkannt wurde.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die Intention des interreligiösen Dialogs – insofern ist die Idee des Kuratoriums, den Hessischen Kulturpreis für den interreligiösen Dialog zu vergeben, ausdrücklich zu begrüßen gewesen –

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ja, sehr richtig!)

wird durch die Vorgänge völlig konterkariert,

(Beifall bei der SPD)

da Sie offensichtlich nicht bereit waren, die realen Konflikte, die hier in der Debatte noch einmal deutlich geworden sind, zuzulassen. Ich bin Herrn Kollegen Rentsch ausdrücklich für das dankbar, was er hier vorgetragen hat – mit ein, zwei Sätzen Unterschied. Denn es muss in der Sache möglich sein, dass dieser jahrtausendelange Konflikt über religiöse Symbolik auch zwischen den Kirchen und Religionen weiterhin ausgetragen wird. Er wird auch noch viele Jahre lang ausgetobt werden.Das ist überhaupt keine Frage. Die Frage ist nur: Haben wir das Recht, über die Würdigung eines öffentlichen Preises in diesen Konflikt in der Art einzugreifen, wie es hier eben passiert ist?