Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man sollte ja meinen, dass eine Partei so kurz vor den Wahlen jede Gelegenheit nutzt, um für ihre Ideen zu werben. Herr Bellino, das setzt allerdings voraus, dass sie welche hat.
Das scheint bei der CDU offensichtlich nicht der Fall zu sein. Normalerweise arbeitet sich eine Opposition an der Regierung ab, in diesem Haus ist es umgekehrt.
Statt für Ihre Politik zu werben – ich kann mir vorstellen, dass das nicht ganz einfach ist –, versuchen Sie einmal mehr, Panik zu verbreiten und eine Negativkampagne loszutreten. Heute wollen Sie die Hessen vor grüner Bevormundung warnen und führen den Veggie-Day, das Tempolimit und das Verbot von Ölheizungen an, als stünde deshalb unsere Freiheit auf dem Spiel.
(Ismail Tipi (CDU): Darum geht es! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP – Glockenzeichen des Präsidenten)
Dabei wird unsere Freiheit doch von ganz anderen Dingen gefährdet. Wenn Sie sich ernsthaft Sorgen um die Freiheit machen, sollten Sie aufhören, Sicherheitsgesetze zu verschärfen, und nachfragen, was die NSA in Wiesbaden-Erbenheim so treibt.
Aber Sie sollten nicht den sogenannten Veggie-Day bekämpfen. Um was geht es denn da? Das ist ein Vorschlag der GRÜNEN, in öffentlichen Kantinen einmal pro Woche freiwillig einen fleischlosen Tag einzuführen.
Was dadurch erreicht werden soll, ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass zu hoher Fleischkonsum weder ökologisch noch gesund ist.
(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP – Glockenzeichen des Präsidenten)
Die massenhafte Fleischproduktion schadet dem Klima und bedeutet einen enormen Flächen- und Wasserverbrauch. Zu viel Fleischkonsum ist auch nicht gesund, es fördert z. B. Diabetes, Herzinfarkte und auch das Krebsrisiko.
Meine Damen und Herren, gerade die hessische Küche bietet doch gute fleischlose Gerichte. Denken Sie an die Grüne Soße, an Handkäs oder Spundekäs. Das sind doch alles leckere Gerichte ganz ohne Fleisch.
Nach christlicher Tradition, auf die Sie sich sonst immer berufen, wird freitags auch auf Fleisch verzichtet, in der Fastenzeit sogar vollständig. Im Vaterunser ist auch nicht die Rede von: „Unser täglich Fleisch gib uns heute.“
Im Konrad-Adenauer-Haus scheint man sich zumindest daran zu halten. Ich habe gelesen, dass es dort freitags kein Fleisch gibt, sondern Fisch,
sozusagen zwangsverordnet von oben. Herr Bellino, wenn Sie also schon einen Kampf gegen den fleischlosen Tag in Kantinen führen wollen, dann fangen Sie doch bitte in Ihrer eigenen Parteizentrale damit an, und verschonen Sie uns damit.
Zum Thema Tempolimit: Sogar der wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministers fordert ein generelles Tempolimit. Sie entrüsten sich über den Vorschlag, den Neueinbau von Ölheizungen zu verbieten, wohlgemerkt: den Einbau, nicht den Betrieb bestehender Heizungsanlagen.
(Kurt Wiegel (CDU): Wenn sie kaputt ist, darf ich keine neue kaufen! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
Es geht hier doch um die Frage von Freiheit und Verantwortung. Die Freiheit des einen kann zur Unfreiheit und Einschränkung des anderen werden.
Das gilt für Rasen auf den Autobahnen, das gilt für massenhaften Fleischkonsum und auch für den hohen CO2Ausstoß.
Die CDU ist auch nicht die Partei gegen staatliche Bevormundung, ganz im Gegenteil. Sie sind es doch, die den Menschen Ihre Vorstellungen aufzwängen, und zwar in Lebensbereichen, die sehr viel wichtiger sind als die Art der Heizung. Sie wollen der Gesellschaft ihr Fünfzigerjahre-Familienbild oktroyieren,
homosexuellen Paaren verweigern Sie konsequent die Gleichstellung. Lassen Sie doch die Menschen so leben, wie sie das wollen, und nicht, wie Sie es wollen.
Sie verhängen ein Kopftuchverbot für den gesamten öffentlichen Dienst und werfen anderen vor, dass sie Menschen bevormunden würden. Das Tanzverbot am Karfreitag finden Sie gut, aber ein Tag ohne Fleisch in der Kantine ist für Sie die Vorstufe zur Diktatur.
Eine bessere Kennzeichnung von ungesunden Lebensmitteln lehnen Sie ab, aber Sie verbieten den Leuten das Kiffen, angeblich aus Sorge um deren Gesundheit.
In puncto direkte Demokratie: Wenn Sie die Menschen nicht bevormunden wollen, dann lassen Sie sie doch ab und zu über wichtige Dinge entscheiden.
Zum Schluss will ich noch etwas ernster an die Adresse der FDP sagen: Hessische FDPler haben GRÜNE in den letzten Wochen wiederholt als „Ökofaschisten“ bezeichnet. Ich halte das für geschichtsvergessen und für dumm.
Herr Minister Hahn, dass Sie als Landesvorsitzender der FDP und als stellvertretender Ministerpräsident hier keine klaren Worte finden, sondern diesen Unfug auch noch verteidigen, das halte ich für beschämend.
Und an die Adresse von Herrn Noll und an alle anderen, die einen derartigen Unfug erzählen: Die Faschisten haben in Deutschland Menschen verfolgt, ermordet und vergast.
Sie wollen mit dem Begriff „Ökofaschisten“ die GRÜNEN beleidigen. In Wirklichkeit verhöhnen Sie damit die Opfer des Faschismus. Dafür sollten Sie sich entschuldigen.