Protocol of the Session on June 27, 2013

Es ist von größerer Bedeutung, Ihnen dieses Konfliktpotenzial nahezubringen.

Meine Damen und Herren, weil Sie in große Schwierigkeiten gekommen sind, haben Sie drei weitere Themen in die Debatte eingebracht, aber ich sage Ihnen, damit werden Sie auf der Verliererseite sein. Sie haben versucht, das Thema Mindestlohn in die Debatte einzubringen. Sie müssten aber wissen, dass Ihnen dieses Thema davongleitet, weil die Tarifpartner unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel Lohnuntergrenzen für 4 Millionen Menschen eingeführt haben, die weit über dem liegen, was Sie als gesetzlichen Mindestlohn festlegen wollen. Wir haben das Problem durch die Tarifpartner lösen lassen, und Sie rennen hier mit gesetzlichen Vorgaben hinterher.

Sie haben außerdem das Thema Minijobs eingebracht. Teile von Rot-Rot-Grün wollen diese Jobs wieder abschaffen. Sie wissen gar nicht, welchen Personenkreis Sie damit treffen würden. Sie würden die Studenten treffen, die rüstigen Pensionäre, die Gastronomie und auch den Einzelhandel, der in Spitzenzeiten darauf angewiesen ist, 450-€-Jobber einzustellen.

Der Gipfel war, dass Sie die Hartz-IV-Gesetzgebung grundsätzlich angreifen wollten, indem Sie die Möglichkeit des Aufstockens erneut gebrandmarkt haben. Hier schließe ich mich völlig den Ausführungen des Kollegen Lenders an: Es ist viel besser, dass die Menschen Arbeit haben, als wenn sie überhaupt keine Arbeit haben. Dieses Instrumentarium wurde von einer rot-grünen Regierung geschaffen. Heute wollen Sie davon nichts mehr wissen. Interessanterweise hat sich Herr Schäfer-Gümbel bei diesem Thema auf Bundeskanzler a. D. Schröder bezogen. Das war sehr mutig von ihm, weil die hessische SPD von Herrn Schröder an sich nichts mehr wissen will. Vielleicht hängt das aber damit zusammen, dass er finanzpolitischer Sprecher von Herrn Steinbrück ist. Ich weiß nicht, ob diese Verbindung derzeit noch werbewirksam ist. Es wurde hier aber doch in Erinnerung gebracht.

Abschließend möchte ich Folgendes sagen. Wir stehen zur Tarifautonomie. Wir werden uns in Tarifverhandlungen nicht durch Beiträge im Parlament einmischen. Es wäre gut, wenn eindeutige Erklärungen hierzu – von den LINKEN erwarte ich das nicht – auch von den anderen Parteien kommen würden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Ich darf Herrn Bocklet für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! DIE LINKE hat ihre Aktuelle Stunde der Auseinandersetzung im Einzelhandel gewidmet. Frau Wissler hat zu Recht gesagt: Zunächst wird immer betont, dass grundsätzlich die gute Regel gilt, dass sich Politiker nicht in Tarifverhandlungen einmischen sollten, vor allem dann nicht, wenn es

um Fragen der Lohnerhöhung geht. – In der Tat hat die Politik dazu nichts beizutragen. Im Gegenteil, wir entscheiden gar nicht darüber. Das will ich für meine Fraktion hier zu Protokoll geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU)

Eine andere Frage ist, ob man dazu eine politische Meinung hat, ob man Verständnis für eine bestimmte Situation äußert. Eine andere Frage ist auch, ob die Tarifparteien innerhalb bestimmter politischer Rahmenbedingungen verhandeln. Frau Wissler, auch Sie haben gesagt, dass die Tarifparteien innerhalb eines bestimmten gesetzlichen Rahmens arbeiten. Wir haben hier schon oft über die Arbeitsmarktpolitik diskutiert. Die Themen, die dort zu behandeln sind, Fragen zu Mindestlohn, zu Leiharbeit, zu befristeter Beschäftigung, zu Minijobs, auch zu Teilen der Hartz-Gesetzgebung, formen die Rahmenbedingungen, unter denen die Tarifparteien verhandeln.

Die Kollegen von SPD und GRÜNEN haben hier schon mehrfach zu Recht festgestellt, dass es in vielen Fällen einen Nachsteuerungsbedarf gibt. Zu jedem einzelnen dieser Punkte zu sprechen, würde sicherlich mehr als 20 Minuten dauern. Wir haben gesagt, bei all den Stichworten, die ich eben nannte, gibt es einen Nachbesserungsbedarf, konkret bei Mindestlohn, Leiharbeit, befristeter Beschäftigung und Minijobs.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn man sich die Situation der Beschäftigten im Einzelhandel anschaut, muss man zwei Punkte zu Kenntnis nehmen. Zwei Drittel der Beschäftigten im Einzelhandel sind Frauen. Von den Frauen im Einzelhandel ist ein Drittel in Vollzeit, ein Drittel in Teilzeit und ein Drittel in Minijobs beschäftigt. Es liegt also auf der Hand, welche Bedeutung eine faire Gestaltung der täglichen Arbeitszeit für diese Frauen hat.

Wenn man sich die Mühe macht, das Flugblatt von ver.di anzuschauen, dann sieht man – Frau Kollegin Wissler wird mir recht geben –: Es geht um die Sorge der Tarifverhandler aufseiten der Gewerkschaften, dass es zu einer deutlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, zu einer spürbaren Senkung der Einkommen und zu einer weiteren Flexibilisierung zuungunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommt. Ich glaube, angesichts der Wirtschaftsdaten, angesichts der Beschäftigungssituation vieler Frauen im Einzelhandel können wir – als eine politische Frage an uns gerichtet – nur sagen: Es kann nicht sein, dass das im Jahre 2013 nach vielen Tarifrunden und Jahren des Verzichts so ist. – Wir können nur sagen: Wir begrüßen es, wenn die Tarifpartner darüber verhandeln, dass es gerechte Löhne gibt, dass es gute Arbeitsbedingungen gibt, dass über die Flexibilisierung fair verhandelt wird und dass es auch wieder zu einem Manteltarifvertrag kommt – den die Arbeitgeber übrigens einseitig gekündigt haben. Deshalb kann man das ganz unaufgeregt sehen.

Wir GRÜNE wünschen uns faire Löhne. Wir wünschen uns gute Arbeitsbedingungen. Wir wünschen uns, dass die Flexibilisierung nicht ausschließlich aufseiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stattfindet. Wir wünschen uns, dass die Tarifverhandlungen möglichst ohne Streiks auskommen, weil das in der Regel größeren Schaden anrichtet. Wir wünschen uns außerdem, dass die Rahmenbedingungen der Arbeitsmarktpolitik so geordnet werden – das ist unsere Hausaufgabe –, dass es für die Tarifparteien

in Zukunft einfacher wird, die Bedingungen für soziale und gerechte Arbeitsverhältnisse in den Tarifverhandlungen zu beschließen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Rentsch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer sich die Situation im hessischen Einzelhandel anschaut – Frau Kollegin Wissler, das ist sicherlich zum Teil eine Grundlage für die Debatte –, stellt fest, dass die Umsatzzahlen rückläufig sind. Ich sage das an jeden Einzelnen in diesem Raum gerichtet: Das Verhalten der Käufer hat sich verändert.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Die Leute brauchen mehr Lohn!)

Das Kaufen über das Internet nimmt immer mehr zu. Gerade Berufstätige nutzen den Internethandel; die Waren werden nach Hause geschickt. Das sorgt übrigens an einer anderen Stelle für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Sie wissen, dass wir in der letzten Woche in der Nähe von Frankfurt, in Obertshausen, den ersten Spatenstich für das größte Post- und Paketverteilzentrum der DHL gemacht haben. Die lassen sich übrigens auch deswegen dort nieder, weil der Frankfurter Flughafen in der Region liegt. Das gehört alles zusammen.

Aber Fakt ist, das Käuferverhalten hat sich verändert. Leider geht das nicht spurlos am Einzelhandel vorüber. Das zeigt auch diese Tarifauseinandersetzung. Da stimme ich mit zwei meiner Vorredner, den Kollegen Bartels und Lenders, überein: Es ist nicht die Aufgabe des Hessischen Landtags, Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber zu belehren, wie sie eine Tarifauseinandersetzung zu führen haben. Das wird auch so bleiben; die Tarifautonomie ist dieser Landesregierung heilig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber an einigen Stellen muss man sich schon wundern. Ich will einmal auf das Beispiel eingehen, das Herr Lenders vorhin nur kurz angesprochen hat: auf das Thema Schlecker. Wir hatten die Situation, dass ver.di – dieses Beispiel führt Kollegin Wissler für die Linkspartei gern an; ver.di ist sozusagen einer der engen Partner, auch in der politischen Debatte – Schlecker jahrelang bekämpft hat. Wir erinnern uns an Sitzstreiks und an Kampagnen, die sich gegen die schlechte Bezahlung richteten. Das hat den Ruf des Unternehmens natürlich nicht gerade verbessert, sondern es hat ihm massiv geschadet.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Man muss auf Missstände aufmerksam machen!)

Frau Kollegin Wissler, das kann einer der Gründe gewesen sein, warum Schlecker irgendwann einmal in eine schwierige Situation gekommen ist.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Herr Kollege Schaus, ich merke, Sie werden wach. Das zeigt, dass ich den wunden Punkt getroffen habe. – Das sind aber dieselben, die Staatshilfen wollen, wenn ein Unternehmen in die Schieflage geraten ist. Das ist die Spirale, in der Sie sich bewegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Noch eines: Ich glaube, dass die Sozialdemokraten mit der Agenda 2010 einen positiven Anteil daran haben, dass wir bei der Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile eine Struktur haben, dass die Lohnstückkosten gesenkt worden sind und dass das Land wettbewerbsfähig geworden ist. Herr Kollege Decker, deshalb wünsche ich mir mehr von dem Reformeifer, den man früher, vor zehn oder 15 Jahren, in der SPD spüren konnte.

Wo ist dieser Reformeifer eigentlich geblieben? Sie sind mittlerweile sozusagen zur alten Parteiprogrammatik zurückgekehrt. Von dem, was Gerhard Schröder und Wolfgang Clement wollten, ist nichts mehr zu spüren. Es ist eben eine Bedrohung für unser Land, wenn von dieser politischen Kraft kein Reformeifer mehr ausgeht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Wolfgang Decker (SPD): Herr Kollege Rentsch, es geht um die Aufkündigung von Tarifverträgen und nicht um Hartz IV! Das ist ein großer Unterschied!)

Ja, Herr Kollege Decker, aber Sie müssen mir gestatten, dass ich, wenn es um eine Partei mit einer Tradition wie die der SPD geht, an dieser Stelle lobend erwähne, dass sie in der Vergangenheit nicht alles falsch gemacht hat. Das darf ich doch von diesem Pult aus einmal sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Nächster Punkt. Herr Kollege Decker, lassen Sie uns darüber diskutieren, was wir machen können. Wir könnten uns z. B. fragen, wie wir den Einzelhandel so attraktiv machen können – auch mit gesetzlichen Rahmenbedingungen –, dass sich seine Chancen gegenüber dem Internethandel verbessern, der sieben Tage in der Woche 24 Stunden lang verkaufen kann.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Ach, Frau Kollegin Fuhrmann, wenn es um das Thema Ladenschluss ging, haben Sie, als Sie noch von diesem Pult aus für die SPD reden durften, jahrelang die Geschichte erzählt: Wenn wir den Ladenschluss liberalisieren, ist das das Ende des Vaterlands.

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Frau Fuhrmann, treten Sie doch zurück!)

Was hat sich denn getan? Nichts hat sich getan. Das war eine Mär von Ihnen. Die Geschäfte und die Kunden haben sich auf bestimmte Öffnungszeiten geeinigt. In Hessen macht das der Markt, aber Gott sei Dank nicht Petra Fuhrmann.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber ich sage Ihnen, wir können über die Einkaufssonntage reden. Wir haben in Hessen vier Einkaufssonntage, die gesetzlich sozusagen an bestimmte Festivitäten gebunden sind. In Darmstadt hatten wir jetzt den Fall, dass ein Markt als Begründung für einen solchen Einkaufssonntag diente. Das Verwaltungsgericht hat erklärt, dieser Markt sei eine künstliche Aktion gewesen, um einen Grund für diesen Einkaufssonntag zu haben.

Ich glaube, dass wir erstens diese vier Einkaufssonntage im Ladenöffnungsgesetz verankern, zweitens aber dafür Sorge tragen sollten, dass sie von den Kommunen für die Einzelhändler genutzt werden können. Wir werden in den nächsten Wochen gern darüber sprechen, ob wir an dieser Stelle einen gesetzlichen Anpassungsbedarf haben. Fakt ist nämlich: Es ist ein unfairer Wettbewerb, wenn der Internethandel sieben Tage in der Woche 24 Stunden lang verkaufen kann, während der Einzelhandel diese Chance nicht erhält.

Diese vier Sonntage sollten wir dem Einzelhandel ermöglichen. Das ist nichts Ungewöhnliches; das ist in Ordnung. Die Kunden wünschen sich das, die Einzelhändler auch. Die Einzelhändler wollen gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen haben, damit sie Geld verdienen und die Arbeitnehmer am Schluss auch bezahlen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Wolfgang Decker (SPD): Aber wie!)

Herr Kollege Decker, deshalb sage ich: Erstens. Die Tarifautonomie gilt für uns; wir reden nicht nur darüber. Zweitens. Ich wünsche mir, wir würden darüber nachdenken, wie wir es schaffen, den Einzelhandel attraktiver zu machen, sodass die gute Umsätze erwirtschaften können, um ihre Mitarbeiter zu bezahlen.

Es sollten hier aber keine hohlen Reden nach dem Motto „Wir wünschen uns mehr“ gehalten werden. Sie müssen es zum Schluss nicht verantworten. Deshalb sage ich: Solche politischen Debatten, in denen man, auch wenn man keine Verantwortung hat, immer gute Ratschläge gibt, sollten in Hessen nicht zur Regel werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Rentsch. – Wir sind damit am Ende der Aussprache zu der Aktuellen Stunde der Fraktion DIE LINKE betreffend Solidarität mit den Streikenden: gute Arbeitsbedingungen für den hessischen Einzelhandel sichern.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 74 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessentags-Protestler wegtreten! – Die Bun- deswehr gehört in die Mitte unserer Gesellschaft) – Drucks. 18/7539 –

Ich erteile Herrn Kollegen Döweling das Wort.