Protocol of the Session on June 27, 2013

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Wissler, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen gerne noch einmal erklären, warum meine Fraktion der Meinung ist, dass wir einen Untersuchungsausschuss brauchen. Das hat einen recht einfachen Grund. Der Minister hat nämlich im Innenausschuss nachweislich mehrfach die Unwahrheit gesagt.

(Beifall bei der LINKEN)

So hat er behauptet, alle „friedlichen Demonstranten“, wie er sie nennt, hätten den Kessel jederzeit verlassen können. Das ist nachweislich falsch. Ich war vor Ort. Ich benenne Ihnen sofort Dutzende Zeugen, die das Gegenteil bestätigen. Man konnte den Kessel nicht verlassen. Ich habe selbst versucht, zu vermitteln, weil ältere Frauen den Kessel verlassen wollten.

(Judith Lannert (CDU): Haben Sie die bestellt?)

Ich habe mitbekommen, dass eine hochschwangere Frau – –

(Judith Lannert (CDU): Was macht die bei einer Demonstration?)

Was die da macht, Frau Lannert? Das ist eine gute Frage. Das war eine angemeldete und genehmigte Demonstration. Dürfen schwangere Frauen nicht mehr an genehmigten Demonstrationen teilnehmen, oder was wollen Sie damit sagen?

(Beifall bei der LINKEN – Judith Lannert (CDU): Nicht umgeben von Leuten, die Dachlatten dabeihaben! – Weitere Zurufe von der CDU)

Wir haben das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit, und deswegen hatte diese Frau selbstverständlich das Recht, an dieser Demonstration teilzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine hochschwangere Frau wurde nicht aus dem Kessel gelassen. Herr Innenminister, Sie könnten sich endlich wenigstens für das entschuldigen, was bei der Blockupy-Demonstration in diesem Kessel passiert ist.

Sie sagten im Ausschuss, es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass Polizisten Pfefferspray eingesetzt und Menschen aus nächster Nähe ins Gesicht gesprüht hätten. Wir haben Fotos und Videomaterial, die das Gegenteil beweisen. Sie haben die Unwahrheit gesagt. Wir haben beantragt, dass wir im Innenausschuss genau dieses Material zeigen dürfen. Das hat Schwarz-Gelb abgelehnt. Wer nichts zu verbergen hat, der verhält sich nicht so.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zu dem, was Sie als „Waffen“ bezeichnen. Unter den angeblich eingesammelten Waffen waren Regenschirme, Sonnenbrillen, Perücken, Karnevalsmasken.

(Minister Boris Rhein: Steine, Feuerwerkskörper usw.!)

Herr Minister, mit der Argumentation könnten Sie jeden Karnevalszug auflösen und einkesseln, wenn Sie das als „Waffen“ bezeichnen, was Sie da gefunden haben.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Die Demonstration war angemeldet, und sie war genehmigt. Was ist dann passiert? Die Stadt Frankfurt hat versucht, die Route vorbei an der Europäischen Zentralbank zu verbieten, und sie ist zweimal vor Gericht gescheitert. Dann passiert auf dieser Demonstration – was für ein „Zufall“ – genau an der Abzweigung, wo es links in Richtung EZB geht und rechts auf die Route, die die Stadt lieber gehabt hätte, in einer ganz engen Straße, Folgendes. Die Polizei stürmte ohne irgendeinen ersichtlichen Grund in eine vollkommen friedliche Demonstration hinein.

(Zurufe von der CDU)

Vorher wurden Menschen mit Kindern noch gewarnt, dass sie sich entfernen sollten, weil „hier gleich etwas passiert“. Und plötzlich sind aus Gründen, die Sie im Innenausschuss nicht genannt haben, 1.500 Polizisten vor Ort, obwohl Sie gesagt haben, es habe überhaupt keine Anweisung gegeben, dass die Polizisten dorthin gehen sollten. Ich frage mich: Wie kommen 1.500 Polizisten an genau diesen Ort? Das wirkt doch wirklich wie von langer Hand geplant, dass die Demonstration nie vor der Europäischen Zentralbank ankommen sollte.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Sie wissen doch schon alles!)

Dazu passt auch, dass der Verkehr auf der genehmigten Route überhaupt nicht gesperrt war. Wenn 10.000 Menschen in Frankfurt demonstrieren, sollte man meinen, dass die Straße, durch die der Zug fünf Minuten später gezogen wäre, für den Verkehr gesperrt gewesen wäre.

Herr Innenminister, all das sind etwas zu viele „Zufälle“, und das legt den Verdacht nahe, dass hier ganz gezielt eine Demonstration gesprengt wurde, dass Sie einfach einen Anlass gesucht haben, um in diese Demonstration hineinzugehen.

Der Innenminister hat im Parlament die Unwahrheit gesagt. Der Innenminister hat die Aufgabe, die Verfassung zu schützen. Der ist er nicht nachgekommen. Es gab Minister, die sind schon wegen sehr viel weniger zurückgetreten, Herr Rhein. Ich bin der Meinung, dass Ihr Rücktritt wirklich überfällig ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Demonstrations- und die Versammlungsfreiheit sind hohe Rechtsgüter. Sie müssen verteidigt werden. Es kann nicht sein, dass genehmigte Demonstrationen auf diese Weise unterbunden werden.

Ein letztes Wort noch. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich teile alles, was Sie gerade gesagt haben. Deshalb will ich noch einmal an Sie und an die SPD-Fraktion appellieren, unserem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zuzustimmen. Wir müssen doch aufklären, was dort passiert ist. Das erwarten die vielen Menschen, die dort waren, das erwarten die Journalisten, die von Übergriffen berichtet haben.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das wissen wir doch schon alles!)

Wir müssen doch schauen, was im Innenministerium und in der Polizeileitung passiert ist. Dafür brauchen wir einen Untersuchungsausschuss; denn im Parlament wird dieser Innenminister nicht die Wahrheit sagen.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat der Kollege Bellino, CDUFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schäfer-Gümbel, der Innenminister ist nicht überfordert, sondern er ist ein Garant dafür, dass wir in Hessen sicher leben. Er ist ein Garant dafür – das zeigt auch die Kriminalstatistik –, dass bei uns die Aufklärungsraten steigen und die Kriminalitätsraten nach unten gehen. Dafür ist der Innenminister ein Garant. Das hat nichts mit Überforderung zu tun. Das ist die vernünftige Politik des früheren und des jetzigen Innenministers sowie der die Regierung tragenden Fraktionen.

(Beifall bei der CDU)

Was Rot-Rot-Grün hier inszeniert, ist allerdings unterirdisch – eine schlechte Inszenierung der TSG Al-Wazir mit dunkelroter Bekleidung.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt geht es wieder los! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie arm muss eine Steinbrück-geschädigte SPD dran sein, wenn sie sich hier nicht mit den friedlichen Demonstranten, sondern mit den Krawallmachern gemein macht?

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen, dass Hessen kein Chaosland wird. Hessen soll ein Land der Chancen bleiben, und deshalb ist hier auch richtig reagiert worden.

(Beifall bei der CDU)

Wir stehen für Verlässlichkeit, nicht nur in Bezug auf Wirtschaft, Finanzen und Infrastruktur, die wir heute schon behandelt haben, sondern auch bei der inneren Sicherheit. Verlässlichkeit heißt, die Bürger können sich darauf verlassen, dass sie an einem Samstagnachmittag nach Frankfurt fahren und z. B. einkaufen gehen können, ohne Schaden zu nehmen.

Verlässlichkeit heißt auch, dass Demonstranten, wenn sie friedlich gegen die Regierung protestieren wollen, dies tun können. Dafür haben wir unsere Polizei. Die Polizei war auch da, um zu jedem Zeitpunkt das Demonstrieren zu ermöglichen.

Vorredner haben von „friedlichen Demonstrationen“ gesprochen. Ja, haben Sie denn nicht zugehört, als dargelegt wurde, wie viele verletzt worden sind und was es alles an Vermummungen, an Böllern und an waffenähnlichen Gerätschaften gab?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ich war da! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das wollen die nicht wissen! Das wird ausgeblendet!)

Das wird ausgeblendet. Das Gegenteil wird behauptet; aber Sie liefern keine Beweise dafür.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Was? Wir haben das doch belegt!)

Herr Schaus, regen Sie sich doch nicht so auf. Ich habe das Mikrofon auf meiner Seite

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist aber auch alles!)

und auch die Vernunft. – Ich sage es noch einmal: Die von Ihnen angesprochenen über 400 Verletzten brauchen doch keinen Untersuchungsausschuss; die können zur Polizei gehen. Wenn sie der Polizei nicht trauen, können sie zum Staatsanwalt gehen und Anzeige erstatten. 15 Anzeigen haben sie zustande gebracht.

Sie geben hier eine Lachnummer. Es ist nur schade, da das Thema so bedeutsam ist und dadurch auch das Demonstrationsrecht, das von Ihnen hochgehalten wird, Schaden nimmt.