Protocol of the Session on May 23, 2013

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir nähern uns langsam, aber sicher nicht nur der Gespensterstunde, sondern auch dem vorläufigen Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens, das zu einer einzigartigen Welle des Protests im gesamten Land geführt hat: einer Welle des Protests von Eltern, von Beschäftigten, von Trägern, von

Fachverbänden und von Wissenschaftlern, ganz unabhängig davon, ob es im Ballungsgebiet war, in den Klein- und Mittelstädten oder im ländlichen Raum.

Diese Protestwelle hält bis heute an, aber nicht etwa deswegen, weil wir uns die Mails hin- und herschicken. Ich kann Ihnen eine Mail zeigen, die heute Mittag von einem Träger aus Büdingen kam. Die hat keiner von uns bestellt; aber die waren schon einmal in einer unserer Veranstaltungen. Diese Welle hält bis heute an.

Die Bürgerinnen und Bürger protestieren zu Recht; denn das ist und bleibt ein schlechter Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein Gesetzentwurf, der nicht nur keine Verbesserungen bei den Standards und bei den wesentlichen Elementen der Finanzierung bringt, sondern der in weiten Bereichen sogar zu einer Verschlechterung des Angebots und zu einem Absinken der Qualität führt und in vielen Fällen weniger Geld beim Träger zur Folge hat.

Keines der Ziele, die Sie sich mit dem Gesetzentwurf gesteckt haben, ist erreicht worden. Eine Prämisse ist aber eingehalten worden, nämlich die, die der Herr Minister im Dezember 2011, entgegen den Behauptungen, die er hier immer wieder vorträgt, im Landesjugendhilfeausschuss gesetzt hat: Es kommt kein zusätzliches Geld ins System. Kollege Bocklet hat das auch schon angesprochen: Von den 425 Millionen €, die Sie reklamieren, ist der weit überwiegende Teil Bundes- und kommunales Geld.

Die 100 Millionen €, die Sie tatsächlich selbst aufbringen, ist entweder Geld, zu dessen Zahlung Sie gezwungen wurden, oder es ist Geld für eine längst bestellte und erbrachte, aber nie bezahlte Leistung, nämlich die der Kommunen und der Träger im Zusammenhang mit der Mindestverordnung. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so betrachtet bleiben von der Summe, die Sie hier immer mit stolzgeschwellter Brust vortragen, 38,5 Millionen €, die Sie freiwillig und aus eigenen Mitteln aufbringen. Das muss man zu den 1,5 Milliarden € ins Verhältnis setzen, die jährlich für die Kinderbetreuung in Einrichtungen aufgewendet werden. Das ist kläglich. Deswegen haben sich die Klagen über die unzureichende Finanzierung der frühkindlichen Bildung durch das gesamte Gesetzgebungsverfahren gezogen, auch und gerade bei den Kommunalen Spitzenverbänden.

Diese insgesamt prekär bleibende Finanzierung im Zusammenwirken mit dem gewählten Finanzierungsmodus ist für den Hauptteil der Probleme, die wir haben, verantwortlich. Die wesentlichen Punkte, um die es dabei geht, will ich kurz zusammenfassen:

Es gibt einen starken Anreiz, die Gruppen so voll wie möglich zu machen. Wer das nicht will oder nicht kann – das ist viel erörtert worden –, muss zum Teil auf einen nicht unerheblichen Teil der Landesmittel verzichten, und das kann schnell in die Tausende, wenn nicht in die Zehntausende Euro gehen.

Wir haben eine Erhöhung der Gruppengröße bei den unten Dreijährigen von bisher acht bis zehn auf nunmehr zwölf.

Wir haben keine Anreize zur Verstärkung des Ganztagsangebots, weil die Finanzierung bei 35 Wochenstunden Betreuungszeit stehen bleibt.

Wir haben einen starken Druck in Richtung auf mehr befristete und auf mehr Teilzeitarbeitsverhältnisse.

Wir werden keine Förderung bei den Horten mehr haben, und wir haben keine Berücksichtigung der Inklusion bei der frühkindlichen Bildung.

An diesem Verdikt haben auch die Korrekturen nichts ändern können, die Sie vorgenommen haben. Es ist und bleibt ein schlechter Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was werden wir Sozialdemokraten machen? Wir werden für eine bessere Finanzausstattung sorgen, wir werden zum gruppenbezogenen Finanzierungsmodus zurückkehren, und wir werden Verbesserungen bei der Strukturqualität anstreben. Wie wir das im Einzelnen erreichen, müssen wir sehr sorgfältig – dabei bleiben wir – mit den Vertretern der Kommunen, der freien Träger, der Beschäftigten sowie mit den Eltern und den anderen Fachleuten besprechen. Dabei müssen die Prinzipien der Konnexität und der Subsidiarität beachtet werden.

Die Kritik am Entwurf für das KiföG hat eine Fülle von sehr grundsätzlichen und auch sehr praktischen Aspekten zutage gefördert, die bei einem Gesetz, das Bestand haben soll, beachtet und abgewogen werden müssen. Wir werden die Beteiligten vor der Sommerpause zu weiteren Gesprächen einladen, und wir werden nach der Sommerpause und noch vor dem Wahltag Eckpunkte für ein besseres Gesetz vorlegen. Die vierte Lesung findet am 22. September statt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich weitere Redner aufrufe, möchte ich Gäste aus dem sachsen-anhaltinischen Landtag bei uns begrüßen: die Abg. Herr Barthel, Frau Weiß, Herr Radke und Frau Feußner. Herzlich willkommen bei uns in Hessen.

(Allgemeiner Beifall)

Nächste Wortmeldung, Frau Abg. Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist heute eine ganz schwarze Stunde für die Kinderförderung in unserem Land.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU: Oh!)

Doch, das ist so. – Sie verabschieden nämlich ein Gesetz, obwohl Sie in allen Lesungen, die hier stattgefunden haben, und auf x Podien im ganzen Land immer wieder betont haben, Sie wollten nicht, dass es umgesetzt wird. Ja, zum Teufel, was ist das denn? Entweder Sie machen ein Gesetz, von dem Sie wollen, dass es umgesetzt wird – dann machen Sie es –, oder Sie machen eines, von dem Sie wollen, dass es nicht umgesetzt wird; dann lassen Sie es.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wo ist denn da die Logik? – Weitere Zurufe von der CDU)

Sie können doch nicht einen Gesetzentwurf einbringen, ihn durch alle Verfahren schleifen, die zu einem parlamentarischen Prozess gehören – anders kann man es nicht nennen –, und immer wieder betonen, Sie wollten nicht, dass das, was Sie da hineinschreiben, in diesem Land umgesetzt wird. Das ist doch absolut widersinnig. Es ist nicht die Aufgabe einer Regierung, Gesetzentwürfe zu formulieren, die sie nicht umgesetzt haben will.

Nehmen Sie es einfach zurück – noch haben Sie die Chance –; andernfalls muss ich das bezweifeln, was Sie immer und überall gesagt haben, nämlich dass Sie nicht wollen, dass die Standards gesenkt werden und die Gruppen vergrößert werden und dass es kein Mittagessen gibt. Das haben Sie immer wieder überall gesagt. Dann legen Sie keinen Gesetzentwurf vor, in den Sie so etwas hineingeschrieben haben. Das ergibt keinen Sinn.

(Zuruf von der CDU: Haben Sie ihn gelesen?)

Das KiföG hat drei Geburtshelfer: Der erste Geburtshelfer ist die miserable finanzielle Situation des Landes und vor allem der Kommunen. Der zweite ist ein Gerichtsentscheid zugunsten der Kommunen, in dem Sie verdonnert worden sind, das zu bezahlen, was Sie bestellt haben, nämlich die Mindestverordnung. Der dritte Geburtshelfer ist die Tatsache, dass in diesem Land Erzieherinnen und Erzieher fehlen.

Es gab eine einzige Gruppe, deren Vertreter in der Anhörung und auch in all den schriftlichen Papieren, die wir dazu bekommen haben, erklärt haben: Jawohl, Ihre Idee, zu 20 % fachfremdes Personal einzustellen, ist gut. – Das waren die Kommunen, die das Personal suchen müssen, das im Moment nicht zu finden ist. Das liegt aber daran, dass Sie es jahrelang verpennt haben, dafür zu sorgen, dass genug Menschen diesen Beruf ergreifen und dass es genug Schulplätze gibt.

(Minister Stefan Grüttner: Was?)

Nicht „Was?“; das ist so. – Es gab in diesem Land über Jahre hinweg immer wieder Menschen, die vor den Schulen gestanden und keinen Platz bekommen haben. Die Situation ist besser geworden, aber Sie haben viel zu spät damit begonnen, sie zu verbessern.

(Beifall bei der LINKEN)

Des Weiteren haben Sie nicht dafür Sorge getragen und nicht alles Erdenkliche dafür getan, dass der Beruf der Erzieherin mit so attraktiven Arbeitsbedingungen ausgestattet wird, dass Menschen ihn ergreifen und darin bleiben. Trotz der langen und aufwendigen Ausbildung verlieren wir 20 % der jungen Erzieherinnen und Erzieher in ihren ersten Berufsjahren; denn sie sagen sich: Für die Arbeitsbedingungen und für diese Arbeitsbelastung ein solch geringes Salär – nein danke, dann gehen wir lieber in den Supermarkt.

Das ist erforscht worden; das ist eine Tatsache. Der muss man begegnen, und dazu gehört, dass man sich um die Arbeitsbedingungen kümmert und Einfluss darauf nimmt, wo man es kann, sodass die Menschen in diesem Beruf bleiben. Die gehen doch nicht weg, weil sie ihren Beruf nicht mögen, sondern weil die Bedingungen so sind, wie sie sind.

Das haben Sie völlig verschlafen. Jetzt, durch die Änderungen aufgrund des öffentlichen Drucks, haben Sie den einzigen Befürworter dieses Gesetzentwurfs, nämlich die kommunale Familie, verloren. Herr Minister, Sie haben neulich selbst vorgelesen, warum die kommunale Familie mit diesem Gesetzentwurf jetzt nicht mehr einverstanden ist: weil Sie genau das herausgenommen haben. Das heißt aber, dass es eigentlich niemanden mehr gibt, der das, was Sie machen, in Ordnung findet.

(Zuruf von der CDU: Doch, ich zum Beispiel! – Heiterkeit)

Das heißt klipp und klar, Sie haben auf der einen Seite eine Gruppe verloren, die Sie vorher bedienen wollten und die aufgrund Ihrer Versäumnisse in den vergangenen Jahren in der Bredouille sitzt.

Auf der anderen Seite haben Sie die Gruppe der Erzieherinnen und Erzieher, die sauer waren und die überall, in jedem Dorf und in jeder Stadt, auf der Straße waren, noch lange nicht gewonnen, nur weil Sie an bestimmten Punkten etwas nachgebessert haben. Sie haben dafür an anderen Stellen verschlimmbessert.

Wir haben die Geschichte vom japanischen Kindergarten heute schon einmal gehört. Wenn es Ihnen so wichtig ist, dass es in diesem japanischen Kindergarten kein Mittagessen gibt, dann hätten Sie die Möglichkeit schaffen können, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird. Das wäre doch überhaupt kein Problem gewesen.

(René Rock (FDP): Genau so ist es doch!)

Nein, das haben Sie nicht gemacht. Sie haben eine grundsätzliche Regelung geschaffen, mit der man Tür und Tor für eine vollständige Veränderung öffnet.

Machen Sie weiter so. Ich denke, dieses Gesetz ist noch lange nicht Tatsache in diesem Land und wird es im Interesse der Kinder, im Interesse der Eltern und im Interesse der Erzieherinnen und Erzieher hoffentlich auch niemals werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abg. Rock für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden heute im Landtag das Kinderförderungsgesetz beschließen. Da bin ich mir sehr sicher. Es ist auch eine gute Entscheidung. Es ist ein gutes Gesetz. Es wird den Eltern und Kindern in Hessen zugutekommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Merz, Sie versuchen immer, die Leute mit Zahlen zu verwirren. Ich versuche, es noch einmal ganz klar und deutlich zu machen. Was ich sage, können Sie nachlesen. Der Einzelplan des Sozialministeriums ist um 30 % erhöht worden. Fast die gesamte Erhöhung fließt in die Kinderbetreuung und den Ausbau der U-3-Plätze. Damit haben wir den richtigen Schwerpunkt gesetzt. Er ist zukunftsweisend. Das ist eine gute Entscheidung. Von diesem Geld werden künftig 117,5 Millionen € durch das Kinderförderungsgesetz verteilt, um die Qualität in Kindertagesstätten zu stär