Dritter Punkt. In Deutschland haben wir das Mindestarbeitsbedingungengesetz. Danach können Länder Anträge auf Überprüfung von Lohnsituationen stellen, wenn sie diese für prekär halten. Wenn ich mich recht erinnere – Sie können mich gerne korrigieren –, hat es in diesem Bereich einen einzigen Antrag gegeben, und zwar zu den Lohnbedingungen bei den Callcentern. Herr Kollege, diese Kommission wurde von Herrn Kollegen von Dohnanyi geleitet. Was hat Dohnanyi festgestellt? Dass es in diesem Bereich keine sozialen Verwerfungen gibt. – Andere Anträge sind nicht gestellt worden.
Deshalb kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es den Sozialdemokraten, den LINKEN, aber auch den
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Das muss doch kein Widerspruch sein!)
Aber kommen wir, viertens, zum Hauptpunkt. Ich finde es schon erstaunlich, dass ein Land wie die Bundesrepublik, das in dieser Zeit der Krise der Europäischen Union aufgrund seiner Reformmaßnahmen, seiner Wirtschaftsstärke, seines Steuersystems und seiner Möglichkeiten, in diesem Land Arbeitsplätze zu schaffen, von vielen Ländern als Vorbild gesehen wird – vor Kurzem waren wir wieder in Spanien; die Spanier wünschen sich, sie hätten eine solche Situation –, die Rezepte will, die die anderen in die Krise geführt haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, man muss ja vom Mops behopst sein, um eine solche Politik zu verfolgen.
Frau Kollegin Wissler, mehr aber an die SPD angesichts der 150 Jahre Sozialdemokratie gerichtet, sage ich zum Schluss: Wissen Sie, früher fuhr Gerhard Schröder nach Großbritannien und hat sich mit Blair darüber unterhalten, wie man Europa mit einer modernen Sozialdemokratie nach vorne bringen kann. Peer Steinbrück fährt zu Hollande, dem Mann, der Massenarbeitslosigkeit,
Rekordverschuldung und -steuern eingeführt hat. Welches ist das bessere Vorbild? Ich glaube, nicht Hollande ist das bessere Vorbild, sondern in diesem Fall Deutschland. Dabei sollten wir es auch belassen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich nochmals zu Wort gemeldet, um in aller Kürze sowohl auf die LINKEN als auch auf die Beiträge von CDU, FDP und des Ministers einzugehen.
Frau Wissler, Sie haben sich bei allen Initiativen, die Sie in diese Richtung entwickelt haben, pausenlos gerühmt. Wir müssen Ihnen leider sagen, dass all diese Initiativen untauglich waren. Sie waren in der Praxis einfach nicht umsetzbar. Das wissen Sie genau. Das, was Sie heute vorgelegt haben – Sie haben das schon selbst zugegeben –, ist schlichtweg 1 : 1 von dem Entwurf abgeschrieben, den die Bremer SPD, zusammen mit ihrem Koalitionspartner, in Bremen auf den Plan gesetzt
stopp –, eingebracht und auch verabschiedet hat. Das aber war vor einem Jahr. Frau Wissler, meine Damen und Herren von den LINKEN, Sie sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
Inzwischen sind wir in diesem Prozess viel weiter als damals. Deswegen ist das nicht zustimmungsfähig.
Ein Zweites will ich Ihnen noch mit auf den Weg geben. Die Gesetzesinitiativen, die wir eingebracht haben – im Landtag das Vergabe- und Tariftreuegesetz –, wie auch auf Bundes- und Landesebene unsere Forderungen zum gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 €, haben wir in beiden Fällen im engen Schulterschluss mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund entworfen. Das haben Sie nicht, und das ist der Unterschied.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, mit dem, was Sie heute hier an Beugen und Klimmzügen gemacht haben, können Sie normalerweise schon im Zirkus Sarrasani auftreten. Das war schon gewaltig.
Sie reden hier von einem „politischen Lohn“ – solch ein Unsinn. Das gibt es nicht. Es gibt entweder einen Lohn, von dem man leben kann, oder es gibt einen Lohn, von dem man nicht leben kann.
Meine Damen und Herren, für Sie ist gesetzlicher Lohn ein politischer Lohn. Dazu sage ich Ihnen jetzt Folgendes: Ihre Ministerin und Ihre Parteifreundinnen und -freunde von der CDU – inzwischen aber auch der FDP, nach schweren Gängen etwas eingelenkt – wollen eine gesetzliche Lohnuntergrenze. Jetzt sagen Sie einmal: Wo ist eigentlich der Unterschied? Sie wollen das doch auch gesetzlich regeln. Sie können es doch niemandem weismachen, das eine Gesetz sei schlecht und das andere gut. Beides sind gesetzliche Regelungen. Hören Sie also auf, uns hier einen solchen Unsinn zu erzählen.
Jetzt zum Inhalt Ihrer Lohnuntergrenze. Das Problem ist ganz einfach: Sie wissen genau, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen. Weil Sie aber das Wort „Mindestlohngesetz“ nicht mehr in den Mund nehmen durften, weil es schon durch die SPD besetzt war, mussten Sie ein neues Wort erfinden.
Dann haben Sie daraus auch noch ein schlechtes Placebo gemacht – denn dieses Gesetz, das Sie vorhaben, hat richtige Löcher. Damit erreichen Sie nicht alle Menschen. Sie müssen nämlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass in Deutschland seit vielen Jahren solche Tarifverträge abgeschlossen worden sind, wo die Löhne so niedrig sind und immer noch unter 8,50 € liegen; aber an die wollen Sie gar nicht herangehen. Das heißt, Sie schließen die Lücken bei Weitem nicht. Das ist eines der größten Probleme bei Ihrem Gesetzentwurf.
Herr Rentsch, jetzt nochmals zu Ihnen zwei Sätze. Sie haben erneut sehr freundlich versucht, bei uns einen Keil hineinzutreiben,
indem Sie die Agenda-Politik von Gerhard Schröder gelobt haben. Dazu eine klare Aussage, ich habe sie schon einmal
getroffen: Kein Sozialdemokrat will die Agenda 2010 zurücknehmen. Sie wird nicht abgeschafft werden. Aber im Gegensatz zu Ihnen haben wir erkannt, dass sie enorme Schwachstellen hat. Die werden wir nachbessern, ob Sie wollen oder nicht. – Herzlichen Dank.
Eigentlich wollte ich mich nicht nochmals melden, aber nachdem mich Herr Decker so ausdrücklich angesprochen hat, habe ich es getan. Sie haben uns vorgeworfen, wir würden unsere parlamentarischen Initiativen nicht gemeinsam mit dem DGB erarbeiten, abstimmen oder wie auch immer.
Herr Decker, ich will einfach einmal feststellen: Hätte die SPD 2003/2004 auf den DGB gehört, dann hätten wir viele Probleme nicht, die wir heute haben.
Hätten Sie auf den DGB nur gehört. Er hat von Anfang an davor gewarnt, beispielsweise bei Hartz I, die Leiharbeit derart zu deregulieren und auszuweiten. Sie sind mit den Löhnen runtergegangen.
(Wolfgang Decker (SPD): Frau Wissler, der DGB hat Ihnen nicht zugestimmt, aber uns hat er zugestimmt!)
Das haben Sie nun nicht getan. Was Sie getan haben, ist: Durch die Ausweitung der Leiharbeit haben Sie den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, den es bis dahin im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gab, ausgehöhlt. Sie haben Hartz IV eingeführt, alles Dinge, vor denen der DGB gewarnt hat. Von daher sage ich: Hätte die SPD öfter einmal auf den DGB gehört, dann hätten wir heute viele Probleme nicht.
Zum Thema Vergabegesetz will ich nochmals klarstellen: Sie wissen sicher, es gab eine Tagung des DGB zum Thema Vergabegesetze. Dort waren wir natürlich vertreten. Dort wurde unser Gesetzentwurf als der beste beurteilt. – Herr Decker, so viel zu unserer Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Ich glaube nicht, dass wir bei der SPD Nachhilfe brauchen, was die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften angeht.
Herr Minister Rentsch, zu Ihren Ausführungen. Die Behauptung, die Probleme, die Griechenland oder Spanien jetzt haben, seien durch den Mindestlohn verursacht, ist doch geradezu absurd.