Warum geht Ihnen das Thema Mindestlohn verloren? – Meine Damen und Herren, die Menschen sehen, dass unter der Bundeskanzlerin Merkel für vier Millionen Arbeitnehmer branchenbezogene Mindestlöhne eingeführt worden sind. Sie gelten für elf Branchen:
Pflegekräfte, Postzusteller, Zeitarbeiter, Gebäudereiniger, Sicherheitsdienst, Kraftfahrer usw. und bald auch für Friseure. Weil sie von den Tarifpartnern ausgehandelt worden sind und durch Gesetz für die gesamte Branche gelten, zerstören sie keine Arbeitsplätze und treiben die Arbeitnehmer nicht in die Schwarzarbeit. Diese branchenbezogenen Mindestlöhne zwischen 7,80 € und 13,70 € in den alten Bundesländern sind in der Regel höher als alle in der Diskussion befindlichen Beträge.
Das ist der richtige Weg, dass jeder Arbeitnehmer von einem branchenbezogenen Mindestlohn profitieren kann. Wir wollen keinen politischen Mindestlohn, der von Wahlterminen abhängig ist. Wir wollen einen Mindestlohn, der von Wirtschaftsdaten geprägt und durch die Tarifpartner ausgehandelt worden ist.
Die Menschen sehen weiterhin auch, dass die CDU ein vernünftiges und realisierbares Konzept hat, die Lücke zu schließen, wo das Entsendegesetz nicht greift, und eine branchenbezogene Lohnuntergrenze zu schaffen. Wo keine Tarifverträge existieren oder wo der Organisationsgrad von Arbeitnehmern und Arbeitgebern so gering ist, soll eine Kommission aus Gewerkschaftern und Arbeitgebervertretern über eine entsprechende Lohnuntergrenze entscheiden, wobei entsprechende Schiedsverfahren möglich sind.
Wir haben für vier Millionen Menschen Lohnuntergrenzen geschaffen. Wir werden so auch für die anderen betroffenen Arbeitnehmer Lohnuntergrenzen mit einem vernünftigen Konzept schaffen.
Die Menschen sehen weiterhin, dass die Arbeitsuchenden in unseren südeuropäischen EU-Partnerländern von einem Mindestlohn überhaupt nichts haben, wenn sie keine Arbeitsplätze haben. Meine Damen und Herren, gestern konnten Sie im Wirtschaftsteil der „FAZ“ im Säulendia
In Großbritannien, in Frankreich, in Italien, in Spanien und in Schweden, also fast überall, ist die Jugendarbeitslosigkeit in den letzten sechs Jahren erheblich gestiegen. In Deutschland ist sie erheblich gesunken.
In Hessen geht es den Menschen besonders gut. Die Arbeitslosigkeit ist gering, die Einkommen sind hoch. Wir haben die höchste Zahl an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Wir haben 3,35 Millionen Erwerbstätige.
Der richtige Weg ist, dass die Menschen von den Mindestlöhnen nicht abhängig sind. Wenn Mindestlöhne ausgehandelt sind, dann sollen sie davon mit einer Teilhabe an unserer Gesellschaft leben können. Diesen Weg werden wir erfolgreich fortsetzen.
Wir werden im Bund und im Land durch entsprechende Gesetzgebungsverfahren die erfolgreiche Wirtschaftspolitik und die erfolgreiche Sozialpolitik fortsetzen, sodass jeder von einem branchenbezogenen, regionalen und von den Tarifpartnern ausgehandelten Mindestlohn wird profitieren können. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir befassen uns jetzt mit dem Entwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Landesmindestlohngesetz. Wir haben uns hier schon einmal während der ersten Lesung mit dem Thema auseinandergesetzt. Frau Wissler, wenn man den Wortbeitrag der LINKEN gehört hat, dann ist einem klar geworden, dass das einfach nur ein Vehikel war. Sie haben das aus einem anderen Bundesland abgeschrieben, um hier wieder einmal über das Thema Mindestlohn zu sprechen. Wir wissen, dass das die SPD-Fraktion oft macht. Jetzt haben Sie diese Methode auch einmal benutzt.
Uns ist klar, dass es Ihnen nicht darum geht, einzelnen Gruppen in Hessen einen Mindestlohn zukommen zu lassen. Vielmehr wollen Sie einen politisch motivierten Mindestlohn für ganz Deutschland in Höhe von 10 €. Den wollen Sie. Die Vorstellungen, die Sie mit dem Gesetzentwurf vorgelegt haben, sind eigentlich nur der Versuch, diese Botschaft wieder einmal zu transportieren.
Für die FDP kann ich Ihnen klar sagen, dass das nicht unser Weg ist und dass wir das selbstverständlich ablehnen werden. Während der Ausschussberatung haben Sie mitbekommen, dass Sie allein schon wegen der formalen Gegebenheiten des Gesetzentwurfs und wegen der Argumentation wahrscheinlich mit wenig Zustimmung auch der restlichen Fraktionen des Hauses werden rechnen müssen, weil dieser Gesetzentwurf als Gesetz völlig ungeeignet wäre.
Da Sie mehr über den Mindestlohn an und für sich gesprochen haben, will auch ich das hier tun, um noch einmal
klarzustellen, wie wir zu diesem Thema stehen. Ich habe das an dieser Stelle oft gesagt. Das ist unsere Überzeugung. Ich bin davon überzeugt, dass politisch festgesetzte Löhne für dieses Land schädlich sind. Sie vernichten Arbeitsplätze. Sie führen zu nichts anderem als zu dem, was wir in anderen Ländern Europas erlebt haben, nämlich zu Jugendarbeitslosigkeit und zu Massenarbeitslosigkeit. Sie sind kein sinnvolles Konzept, um die Armut wirklich wirksam zu bekämpfen. Von daher lehnen wir das ab.
Wir sind der festen Überzeugung, dass es richtig ist, den Weg zu beschreiten, den wir bis jetzt gegangen sind, nämlich zielgenau in den Bereichen zu agieren, in denen wir Mängel festgestellt haben. Das ist richtig. Wir werden niemals auf die Idee kommen, politisch festgesetzten Löhnen in Deutschland das Wort zu reden. Denn das würde am Ende unserer Volkswirtschaft schaden. Das würde am Ende den Menschen in Deutschland schaden, weil sie dann arbeitslos wären und weil sie dann vom Staat leben müssten. Sie könnten dann ihr Leben nicht mehr so selbstbestimmt leben, wie sie es eben ohne solche Reglementierungen können.
Wir haben uns da nichts vorzuwerfen. Den ersten Mindestlohn, nämlich den im Bauhauptgewerbe, hat Schwarz-Gelb gemacht. In der Zeit, in der wir regiert haben, ist in der Branche der Zeitarbeiter ein Mindestlohn etabliert worden. Von daher kann man überhaupt nicht sagen, dass wir uns nicht um dieses schwierige Thema kümmern würden, dass wir nicht hinschauen würden und dass wir nicht Verantwortung übernehmen würden. Millionen Arbeitnehmer befinden sich schon in einem Bereich, der durch Mindestlohn abgesichert ist.
Wir haben die Debatte über politisch festgelegte Löhne hier erlebt. Einmal ging es um 8,50 €. Die Gewerkschaften haben in dem letzten Gespräch mit uns schon angekündigt, das sie sich das demnächst überlegen und diesen Betrag nach oben korrigieren werden. Die LINKE fordert 10 €. Dann gibt es Wohlfahrtsverbände, die da von 12 € sprechen.
Die Debatte, die es da gibt, ist nicht zielführend. Wir alle wissen, dass, wenn wir einen Mindestlohn ansetzen, der höher als der Marktpreis ist, das Arbeitsplätze kostet. Wenn er niedriger als der Marktpreis für die Arbeit ist, dann hat er keine Wirkung. Von daher ist die Frage nach Mindestlöhnen natürlich eine, bei der man sehr vorsichtig ansetzen muss. Flächendeckend für ganz Deutschland wäre das der völlige Irrweg.
Ich möchte noch einmal auf das Thema Jugendarbeitslosigkeit und auf die Situation auf dem hessischen Arbeitsmarkt zu sprechen kommen. Um die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland beneidet uns zumindest ganz Europa. Aber wahrscheinlich beneidet uns darüber hinaus auch noch jede Menge anderer Länder. Wir haben das in Deutschland ganz hervorragend auf den Weg gebracht. Jetzt ist die Frage: Wollen wir die Reformschritte, die wir in Deutschland gemacht haben, wieder zurücknehmen? Wollen wir auf die falsche Spur geraten? Wollen wir aus ideologischen Gründen den falschen Weg beschreiten?
Da habe ich mich ganz klar festgelegt. Man muss sich das vorstellen. Griechenland hat über 50 % Jugendarbeitslosigkeit. Jetzt, nachdem wirklich schon alles an die Wand gefahren ist, wird in der Politik besprochen, den Mindestlohn zumindest für die Jugendlichen abzusenken, weil sie, nach
dem die Jugendarbeitslosigkeit über 50 % liegt, glauben, jetzt müsse der Staat reagieren und müsse die Zugangsbarrieren absenken. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Das ist der völlig falsche Weg. Das ist der Weg, der ins Abseits führt. Diese politische Steuerung ist überflüssig. Sie ist schädlich. Sie muss auf jeden Fall verhindert werden.
Ich frage mich natürlich auch immer, ob der Mindestlohn entscheidend für die soziale Gerechtigkeit ist. Ich habe das hier schon sehr oft gesagt. 35 afrikanische Staaten haben den Mindestlohn. China hat den Mindestlohn. Russland hat ihn. In Amerika haben die Bundesstaaten verschiedene Mindestlöhne. Sozusagen über die ganze Welt verstreut finden wir das Thema Mindestlohn. In allen diesen Ländern sehen wir immer wieder, dass sie ganz unterschiedliche soziale Strukturen und Strukturen auf den Arbeitsmärkten haben.
Ich glaube, Sie führen eine Gespensterdiskussion. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen. Der Mindestlohn ist nicht der Heilige Gral der Sozialpolitik oder des Arbeitsmarktes. Er lenkt von den wichtigen Entscheidungen ab. Er schadet. Deswegen lehnen wir die Einführung eines Mindestlohns weiterhin ab. Wir werden auch Ihren Gesetzentwurf ablehnen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Sozialdemokraten, seit 150 Jahren gibt es die SPD. Das ist ein Jubiläum für die SPD. Ich glaube, das dürfen wir einhellig feststellen: Die SPD hat viel für die Demokratie und für dieses Land getan. Man muss auch sagen: Sie haben auch in den letzten Jahrzehnten viel für Deutschland getan.
Das ist von meiner Seite aus sehr ernst gemeint: Wir würden heute nicht dort stehen, wo wir stehen, wenn es nicht eine so mutige Reformpolitik von der SPD gegeben hätte. Das hat der Bundespräsident heute in seiner Rede auf dem Festakt der Sozialdemokratie sehr gelobt.
Es war in der SPD keine einfache Diskussion. Wir erinnern uns daran. Wir erleben es noch heute, wie schwierig es ist, die Agenda 2010 in Ihren Reihen zu verteidigen. Herr Kollege Decker und Herr Kollege Rudolph, ich darf Ihnen sagen: Die Agenda 2010 war für Deutschland richtig. Wir würden heute wirtschaftlich nicht dort stehen, wo wir stehen, wenn diese Reformpolitik nicht gemacht worden wäre.
Deshalb sind wir Ihnen und der Regierung Schröder zu Dank verpflichtet. Ich kann mich daran erinnern. Bei den Hartz-Reformen gab es zwei Personen, die da ein bisschen vorangegangen sind und die sich bei dieser Angelegenheit gut vertragen haben. Es waren Roland Koch und Wolfgang
Clement, die das damals beide gemeinsam für die CDU und die SPD mit Zustimmung der FDP forciert haben. Es ist besser, dass die Leute in Deutschland einen Job oder Arbeitsplatz haben und dafür einen Betrag bekommen. Lieber sollen sie noch vom Staat etwas dazubekommen, als nur vom staatlichen Sozialtransfer zu leben.
Herr Kollege Decker, bei Ihrer Rede eben war ich überrascht. Mit der Agenda 2010 haben Sie in Deutschland den Niedriglohnbereich eingeführt.
Das war nicht falsch, sondern es war richtig, dass Sie das getan haben. Es ist besser, dass es Leute gibt, die sozusagen einen Job haben und etwas dazubekommen, statt dass sie nur von staatlichen Transfers leben. Das haben Sie richtig gemacht.
Zweitens. Frau Kollegin Wissler, ich will Ihnen ein ganz konkretes Beispiel nennen. Die LINKEN fordern einen Mindestlohn von 10 €. Ich finde – das wissen Sie, und das hat der Kollege Klose auch richtig gesagt –, allgemeine flächendeckende gesetzlich festgelegte Mindestlöhne sind keine sinnvolle Geschichte – so will ich es hier einmal parlamentarisch ausdrücken; man könnte sie auch als Unsinn bezeichnen. Es gibt konkrete Beispiele, die zeigen, dass Ihre Idee wirklich diese Auswirkungen hätte, die der Kollege Rock gerade genannt hat.
Ganz genau, Frau Kollegin Wissler. Da haben Gewerkschaften, und zwar die IG Bauen-Agrar-Umwelt, gemeinsam mit den Arbeitgebern einen Mindestlohn von 9 € ausgehandelt und vereinbart. Wer gibt eigentlich Ihnen als Staat das Recht, daraus 10 € zu machen – wenn sich Tarifvertragsparteien gemeinsam so vereinbart haben?
Wer gibt Ihnen eigentlich dieses Recht? Deshalb: Die Tarifautonomie – aus meiner Sicht hat Herr Wiesehügel an dieser Stelle einen richtigen Akzent gesetzt – gilt es nicht zu brechen, sondern als großes Geschenk in diesem Land zu beherzigen.
Dritter Punkt. In Deutschland haben wir das Mindestarbeitsbedingungengesetz. Danach können Länder Anträge auf Überprüfung von Lohnsituationen stellen, wenn sie diese für prekär halten. Wenn ich mich recht erinnere – Sie können mich gerne korrigieren –, hat es in diesem Bereich einen einzigen Antrag gegeben, und zwar zu den Lohnbedingungen bei den Callcentern. Herr Kollege, diese Kommission wurde von Herrn Kollegen von Dohnanyi geleitet. Was hat Dohnanyi festgestellt? Dass es in diesem Bereich keine sozialen Verwerfungen gibt. – Andere Anträge sind nicht gestellt worden.