Das heißt nicht, dass man Nebentätigkeiten verbieten muss. Das heißt es nicht. Aber das heißt: Abgeordnete müssen in erster Linie Vertreter des Volkes sein. Das ist ihr Auftrag. Dafür werden sie auch sehr gut bezahlt.
Vor allen Dingen dürfen darüber keinerlei Zweifel bestehen. Um aber keine Zweifel aufkommen zu lassen, ist es unverzichtbar, alle Nebentätigkeiten vollständig offenzulegen. Es ist richtig und notwendig, die Nebentätigkeiten und Bezüge politisch erklärbar zu machen, wenn es notwendig ist.
Meine Damen und Herren, die Debatte um die üppigen Nebeneinkünfte und Vortragshonorare des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück waren der Auslöser für diese Debatte und für die Änderung bei den Bundestagsabgeordneten.
Die Öffentlichkeit wollte erfahren, warum Peer Steinbrück neben seinem Mandat so viel Zeit und Energie für Vorträge und Beratung aufbringen kann. Sie wollte zu Recht auch wissen, wie sich Vorträge und Beratungen für Banken, Versicherungen und Konzerne mit seiner Unabhängigkeit als Abgeordneter vertragen. Immerhin überstiegen seine Honorare in der laufenden Legislaturperiode die Millionengrenze und lagen damit weit über den Abgeordnetenbezügen.
Das Verhalten von CDU und FDP war an dieser Stelle etwas peinlich. Denn einerseits haben CDU und FDP Peer Steinbrück vehement kritisiert, andererseits fällt die Masse an Nebeneinkünften – auch das darf nicht verschwiegen werden – gerade bei CDU- und FDP-Abgeordneten an.
Nun haben CDU, SPD, FDP und GRÜNE sowohl einen gemeinsamen Gesetzentwurf als auch einen konkretisierenden Antrag eingebracht, der angeblich mehr Transparenz schaffen soll. Die Transparenz soll im Kern durch die Einordnung der Nebeneinkünfte in zehn Stufen, so wie im Bundestag, erfolgen.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir sind diesem Antrag nicht beigetreten, weil wir meinen, das sei ein zu kleiner Schritt – wohlgemerkt: in die richtige Richtung. Wir wollen die vollständige Offenlegung auf Euro und Cent, und dafür werden wir auch weiterhin eintreten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicher ein gutes Signal, dass sich alle demokratischen Fraktionen zu einem Kompromiss zusammengefunden haben, der die 1:1-Übernahme der Bundestagsregelung vorsieht. Ich mache aber auch keinen Hehl daraus, dass diese Regelung unserer Meinung nach nicht der Weisheit letzter Schluss sein muss oder ist.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Das geht Ihnen nicht weit genug? – Lachen des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Jedoch gilt es hier – und darauf hat der Vorredner hingewiesen –, auch ein Stück Schadensbegrenzung für uns alle zu betreiben, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Dieses Vertrauen wurde mehr als ramponiert, als herauskam, dass der Kanzlerkandidat der SPD, Herr Steinbrück, im Zeitraum von 2009 bis Mitte Juli 2012 sage und schreibe 89 Vorträge – wohlgemerkt: außerhalb des Plenarsaals und gut vergütet – gehalten hat und in diesem Zeitraum gerade einmal fünf Bundestagsreden zu verzeichnen hatte. Vielleicht bezahlt die SPD nicht gut genug, sonst hätte er vielleicht im Bundestag mehr geredet.
Aber – und das ist das Ärgerliche daran – diese damit verbundenen 1,25 Millionen € – eine Million zweihunderteinundfünfzigtausend Euro – für diese 89 Reden haben uns allen geschadet. Denn das war nicht transparent.
Jeder kann sich auch fragen, ob das Äquivalent in Ordnung ist, wenn man für Vorträge eine derartige Summe einkassiert. Das ist auch der wesentliche Unterschied zu der eben angesprochenen Tätigkeit in Aufsichtsräten oder wo auch immer. Dort wird tatsächlich auch gearbeitet, hier wird „nur geredet“.
Ich möchte an dieser Stelle schon darauf hinweisen, warum das hier notwendig ist. Wir geben damit auch ein Stück weit das vorher in Hessen praktizierte und sehr gut durchdachte Offenlegungsprinzip auf. Das war so aufgebaut, dass jede Nebentätigkeit, die erst aufgrund des Landtagsmandats entstanden ist, auf den Cent genau angegeben und veröffentlicht werden musste.
Bei dem jetzt hier angestrebten Verfahren geht es auch um die Unabhängigkeit der Abgeordneten. Es geht darum, mögliche Interessenkollisionen aufzuzeigen, eventuelle Abhängigkeiten offenzulegen, und es geht um die Frage, ob die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten steht. Ich denke, das ist notwendig, weil wir das gerade aufgrund der Diskussion im vergangenen Jahr zu leisten haben.
Ich sage aber auch, dass diese Offenlegung nicht so weit gehen kann, dass wir ohne jegliche Rücksicht auf die Rechte des Abgeordneten und die Freiheit des Mandats jedes Detail offenlegen. Wir alle beteuern regelmäßig, dass wir nicht den gläsernen Bürger wollen. Den gläsernen Abgeordneten wollen wir aber ebenfalls nicht.
Gerade als CDU sind wir sind stolz darauf, dass wir in unseren Reihen sehr viele Handwerker, Unternehmer und Landwirte sowie Rechtsanwälte, Ärzte, Ingenieure und Vertreter anderer freien Berufe haben. Wenn diese sich entschieden haben, vielleicht für zwei oder drei Legislaturperioden ihre Berufs- und Lebensbiografie ein Stück weit zu unterbrechen und etwas anderes zu machen – und wir profitieren von diesem Hin und Her zwischen wirtschaftlicher Tätigkeit und dem Abgeordnetendasein –, dann muss es auch Wege geben, wie sie ihren Betrieb, ihr Büro, ihre Kanzlei für diese Zeit weiterlaufen lassen können. Deshalb – das sage ich an dieser Stelle auch sehr deutlich – werden wir einer weiter gehenden Regelung, wie sie von Teilen des Hauses hier gefordert wird, nicht zustimmen.
Abschließend: Ich bin der festen Überzeugung – und das sagte ich bereits am Anfang –, dass das nicht der Weisheit letzter Schluss sein muss. Wir werden uns langfristig noch einmal über das Bruttozuflusssystem unterhalten müssen, auf dem dieses jetzt vereinbarte Stufenmodell basiert. Es erzeugt nämlich in der Öffentlichkeit vielleicht das falsche Bild, dass der vom Abgeordneten angegebene Betrag auch dem entspricht, was er davon tatsächlich behält. Das ist, wie wir alle wissen sollten, nicht der Fall. Darauf sollten wir dann auch in geeigneter Form hinweisen. – Wir freuen uns auf die Beratungen in den Ausschüssen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es gibt einen gemeinsamen Antrag von vier Fraktionen. Herr Schaus, es hätte auch Ihnen gut angestanden, diesen Antrag mit zu unterstützen. Er geht in die richtige Richtung. Auch wir als SPD könnten uns weiter gehende Vorstellungen wünschen. Aber die Frage ist: Wir haben eine bestehende Regelung, zu der CDU und FDP vor der Angelegenheit Steinbrück gesagt haben, in Hessen sei alles in Ordnung, und wir müssten überhaupt nichts verändern. Dann gab es die Diskussion auf Bundesebene. Herr Bellino, als die SPD-Bundestagsfraktion gesagt hat: „Wir sind dafür, Einkünfte aus Nebentätigkeiten aus Vorträgen auf Euro und Cent zu veröffentlichen“, sind Sie ganz schnell zurückgerudert und waren sehr erfindungsreich mit Argumentationen, warum das alles nicht geht.
Im Übrigen hat Herr Steinbrück das alles ordnungsgemäß versteuert. Das ist in der Bundesrepublik ja keine Selbstverständlichkeit. Das will ich an dieser Stelle einmal hinzufügen.
Er taucht auf keiner Steuer-CD auf, sondern er muss wahrscheinlich einen ordentlichen Einkommensteuersatz zahlen. Das ist auch in Ordnung. Wer etwas verdient, kann auch ordentlich Steuern zahlen. Das ist ein alter sozialdemokratischer Grundsatz.
Ja, ja, Herr Bellino, wir wollen das an dieser Stelle nicht vertiefen, sonst wird das für Sie unangenehm.
Was wollen wir mit der Gesetzesinitiative erreichen? – Wir wollen in der Tat, dass mehr Transparenz bei dem geschaffen wird, was Abgeordnete tun und verrichten. Für die Bürgerinnen und Bürger muss deutlich sein, ob es eventuelle Abhängigkeiten gibt. Herr Kollege Schaus hat sein Beispiel genommen, damit jeder Bürger sich ein Bild machen kann. Das finde ich auch in Ordnung.
Es wurde von dieser Seite auch schon anders thematisiert. Ich persönlich – auch, als ich noch kein Geschäftsführer war – konnte es erstens aus rechtlichen Gründen nicht, da es als Beamter nicht geht, und zweitens hatte ich als innenpolitischer Sprecher auch nicht die Zeit dafür. Das muss jeder für sich entscheiden, damit habe ich auch kein Problem.
Es geht aber darum, deutlich zu machen, wo jemand eventuell noch beschäftigt ist und arbeitet, um Abhängigkeiten deutlich zu machen. Das ist völlig in Ordnung, und das haben wir jahrelang gefordert. CDU und FDP haben es bis dato verhindert, jetzt geht es in die richtige Richtung.
Wir haben auch kein Problem, wenn jemand wie die Kollegin Faeser auf ihrer Homepage veröffentlicht, wo sie arbeitet. Das ist kein Skandal, wie CDU und FDP meinen, vielmehr verstößt das gegen gar keine Richtline und ist ein Gebot der Transparenz, damit man mögliche Interessenkonflikte erkennen kann, die es nicht gibt.
Deswegen: Erst eine Pressemitteilung gegen die Kollegin Faeser herausgeben und dann, wenn alles in Ordnung ist, sich nicht entschuldigen – auch das ist ein ziemlich schlechter Stil von dieser Seite des Hauses.
Wir als SPD-Fraktion haben seit dieser Wahlperiode eine viel weiter gehende Veröffentlichung auch der Summen der Nebentätigkeiten. Das machen wir auf freiwilliger Basis; das kann man im Internet einsehen. Dazu haben die Kolleginnen und Kollegen nach einer ganz kurzen Diskussion gesagt: Damit haben wir überhaupt kein Problem. Wir sind für transparente Abgeordnete. Das ist völlig klar. – Für diejenigen Personengruppen wie Rechtsanwälte, die eine besondere Funktion ausüben und einem besonderen Vertrauensschutz unterliegen, gibt es Regelungen. Das kann man regeln, wenn man es will.
Deswegen haben wir als SPD mit diesem Gesetzentwurf keine Probleme, er geht uns nicht weit genug. Wir können uns auch vorstellen, alle Nebeneinkünfte auf Euro und Cent genau zu veröffentlichen. Damit haben wir kein Pro
blem. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf von drei weiteren Fraktionen ein Kompromiss. Es ist das Wesen von Kompromissen, nicht die Idealvorstellung durchzusetzen. Aber wir wollten ein Signal setzen, dass auch der Hessische Landtag in der Lage und bereit ist, Veränderungen vorzunehmen, die gesellschaftspolitisch wohl notwendig sind. Es geht auch darum, deutlich zu machen, ob es mögliche Abhängigkeiten gibt. Die müssen nicht da sein, aber sie müssen erkennbar sein.
Ich finde es auch gut, wenn im Landtag vertretene Abgeordnete, die nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, selbstständig und beispielsweise Unternehmensberater sind. Das spiegelt die Vielfalt der Gesellschaft wider, das ist auch völlig in Ordnung. Dann muss man auch diesen Dingen Rechnung tragen. Aber wir haben nichts zu verbergen, das dient in der Tat auch dazu, Vertrauen zurückzugewinnen. Deshalb ist das ein erster richtiger, wichtiger Schritt.
Aber wir können uns auch mehr vorstellen. Deshalb werden wir in der nächsten Wahlperiode einen erneuten Anlauf unternehmen, um über dieses Zehn-Stufen-Modell des Bundestages hinauszugehen, so wie in Berlin. Das haben wir auch nach der Debatte Steinbrück gesagt: Sie haben etwas mehr verhindert, als Sie merkten, die Herren Glos, Riesenhuber und Merz stehen auf dem Ranking der gut verdienenden Abgeordneten ganz oben. Damit haben Sie offenbar kein Problem, der Herr Riesenhuber wird jetzt wieder nominiert. Bevor man also – wie Herr Bellino – mit dem Finger auf andere zeigt, immer erst einmal in den eigenen Reihen schauen, ob man dort nicht noch etwas zu besorgen hat.
Es ist ein Einstieg in mehr Transparenz, aber wir werden mehr fordern. Ich bin sicher, der neue Landtag wird mit Mehrheit eine weiter gehende Regelung beschließen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich stelle fest, dass wir die erste Lesung durchgeführt haben.
Wir überweisen diesen Dringlichen Gesetzentwurf von CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeinsam mit dem Dringlichen Antrag zur weiteren Beratung an den Ältestenrat. – Dem widerspricht keiner, damit ist das so beschlossen.
Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE LINKE für ein Hessisches Mindestlohngesetz (Landes- mindestlohngesetz) – Drucks. 18/7230 zu Drucks. 18/ 5582 –