Protocol of the Session on May 22, 2013

Die Kultusministerin hat ein Ersatzschulfinanzierungsgesetz vorgelegt, was die freien Schulen angeht. Das finden wir ausdrücklich richtig. Bei der Frage, woher das Geld kommt, wird gesagt: Schauen wir einmal. – Das sind weitere Risiken in diesen beiden Jahren von 28 Millionen €.

Ihre famose Umweltministerin hat Biblis A und B so stümperhaft stillgelegt, dass dort im schlimmsten Fall Risiken von 200 Millionen € drohen. Ich hoffe, dass das nicht eintritt, aber es ist zumindest ein Risiko.

Sie haben durch die Mindestverordnung und die Niederlage vor dem Staatsgerichtshof Risiken, für die Sie an die Kommunen mindestens 55 Millionen € zahlen müssen. Und der Sozialminister rennt herum und sagt: Ab 2015

kommt ein neues Programm von 120 Millionen € für die Krankenhausfinanzierung.

Herr Pentz, wollen Sie, dass ich weitermache? Stimmt irgendetwas von dem nicht, was ich hier gesagt habe? Dann kommen Sie hierher und sagen es.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LIN- KE))

Wenn man das alles zusammenrechnet, dann heißt es, dass wir Risiken von über 500 Millionen € ganz sicher und im schlimmsten Fall Risiken von über 1 Milliarde € in der jetzigen Situation des Landeshaushalts haben – 1 Milliarde €, für die Sie entweder keine Deckung haben oder wo Sie gerade dabei sind, ungedeckte Schecks für die nächste Periode auszustellen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Viertens. Warum das so dreist ist: Wer sich gestern vom Staatsgerichtshof zum wiederholen Mal in der Legislaturperiode bescheinigen lassen musste, dass er schlicht nicht in der Lage ist, verfassungsgemäße Gesetze zu machen, wer sich bescheinigen lassen muss, dass er den Kommunen 340 Millionen € völlig unsystematisch, weil er nicht mehr weiter wusste, ohne den Finanzbedarf zu berechnen, einfach gestrichen hat – natürlich ist nicht klar, was das in der Konsequenz eines neuen Kommunalen Finanzausgleichs bedeutet; aber Sie werden doch nicht ernsthaft sagen, dass man am Ende einer Neuregelung für das Land Mehreinnahmen im Vergleich zur jetzigen Situation, also mit den gekürzten 340 Millionen €, hat.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Wer sich so verhält, der muss sich hier eigentlich in dem Punkt dafür schämen, solche Anträge einzubringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Letzter Satz, Herr Präsident. Deswegen: Wer sich einem Plus auf der Einnahmeseite verweigert, gleichzeitig zu Recht sagt: „Die Schuldenbremse gilt“, der müsste sich hierhin stellen und sagen, wo er kürzen und streichen will. Genau das möchte ich heute vom Finanzminister hören.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Fortgesetzte Zurufe des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Das Wort hat Herr Abg. van Ooyen, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Not muss groß sein, dass sich CDU und FDP zu einem solchen, wie ich finde, stümperhaften Antrag haben hinreißen lassen.

(Lachen des Abg. Wolfgang Greilich (FDP) – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist ärmlich!)

Schauen Sie z. B. einmal, welche Eurobeträge Sie für 1958 hineingeschrieben haben. SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden als diejenigen hingestellt, die für ihre Steuerpolitik nicht nur Reiche, sondern sogar die Mittelschicht belasten. Meine Damen und Herren von CDU, FDP und AfD,

(Heiterkeit der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Sie wissen genauso gut wie ich, dass es ausgerechnet SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN waren, die unter Finanzminister Eichel die Steuern für Reiche und Konzerne gesenkt haben wie keine Regierung zuvor. Es ist also ein Popanz, den Sie hier aufbauen. Sie wissen so gut wie ich, dass SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN niemals dazu bereit waren und sein werden, die Ungerechtigkeit im Steuersystem zu reparieren, die sie selbst verursacht haben.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es! – Ministerpräsident Volker Bouffier: Tja, was sagt ihr denn dazu?)

Steuersätze von 53 % unter Ludwig Erhard oder Helmut Kohl fordern die GRÜNEN und die SPD überhaupt nicht. Sie werden kaum ernsthaft behaupten können, dass die Vermögensteuer und ein Spitzensteuersatz von über 50 % das Ende ihrer sozialen Marktwirtschaft seien. Und ich sage Ihnen, nicht weil, sondern obwohl die Art Kapitalismus, die Sie gerne soziale Marktwirtschaft nennen, dadurch nicht beendet wird, fordert DIE LINKE eine solche Steuerpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie ist notwendig, um jetzt und hier die Lebensverhältnisse aller in diesem Land zu verbessern. Wir LINKE stellen dem Kurs der herrschenden Politik die Vision einer gerechten Gesellschaft entgegen, in der Bürgerrechte ausgebaut und verteidigt werden, wo Gesundheit, Wohlbefinden und Wohlfahrt aller im Zentrum stehen und nicht die Gewinninteressen weniger.

Dafür braucht es eine andere Politik, die deren Vorrangstellung bestreitet und ihre Unterordnung unter Wirtschaftsinteressen und Finanzmärkte bekämpft und die sich entschieden mit der neoliberalen Regierungspolitik auseinandersetzt. Wir wissen, dass die neoliberale Krisenpolitik, die vorgibt, die Krisen zu meistern, in dramatischem Ausmaß gescheitert ist.

Sie hat in Europa Zustände produziert, die als längst überwunden geglaubt wurden. Das gesamte Desaster zeigt sich an wenigen Zahlen: 26 Millionen Menschen sind ohne bezahlte Arbeit, 10 Millionen mehr als vor der Krise. In den südlichen Ländern ist mittlerweile mehr als die Hälfte der jungen Menschen ohne Arbeitsplatz. In Athen prügeln sich Menschen bei der Essensausgabe, um ihre Familien ernähren zu können. In Spanien kommt es trotz leer stehender Wohnungen zu massenhaften Zwangsräumungen.

Konstantin Wecker, einer der Aktiven des Blockupy-Protestes des vergangenen Jahres, sang in einem Lied: Die Menschenwürde, hieß es, wäre unantastbar; jetzt steht sie unter Finanzierungsvorbehalt.

Wir brauchen eine Kehrtwende. Ein klares Nein zur zerstörerischen Wettbewerbspolitik ist der notwendige Schritt für eine Abkehr von dieser Politik, die zunehmend Wut, Ver

zweiflung und Ratlosigkeit auslöst. Diese Politik ist nicht alternativlos.

Das ist keine einfache Aufgabe. Aber eine Alternative, die sozial gerechter, gesellschaftlich fortschrittlicher und wirtschaftlich vernünftiger ist, kann Mehrheiten gewinnen und eine Atmosphäre für einen Politikwechsel erzeugen. Deshalb heißt Steuerpolitik für uns, die Interessen der Mehrheit in unserem Land durchzusetzen und sich nicht den Interessen der Reichen und Superreichen zu beugen.

Linke Steuerpolitik ist darauf gerichtet, mittels Steuern zu helfen, soziale, ökologische und globale Probleme zu mildern und schrittweise zu lösen. Gesellschaftliche Strukturen, gesellschaftliche Reproduktionsprozesse und Verhaltensweisen wollen wir ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Die entscheidende Frage lautet: Welches Steueraufkommen wird gebraucht, um welche gesellschaftlichen Aufgaben mit öffentlichen Ressourcen zu realisieren?

Linke Steuerpolitik hilft, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass immer mehr Menschen zunehmend selbstbestimmt in Würde, Solidarität und intakter Natur leben können. Konkret heißt linke Steuerpolitik die Abschaffung des sogenannten Mittelstandsbauches – damit haben wir kein Problem – und den Ersatz durch eine linear-progressive Besteuerung aller primären Einkommen. Das betrifft also sowohl Unternehmensgewinne als auch Zinsen, Einkünfte aus Boden und Arbeitseinkommen. Ich will das als Beispiel nennen: Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze müssen prinzipiell steuerfrei gestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Steuerpläne der LINKEN treffen nicht den Mittelstand, sondern vor allem Einkommensmillionäre. Durch die Erhöhung der Einkommensteuer käme es nach unseren Vorschlägen erst zu einer Mehrbelastung, wenn das monatliche Bruttoeinkommen 6.466 € übersteigt. Wer dies für eine unverhältnismäßige Belastung der Mittelschicht hält, muss auch erklären, warum er in den Kommunen die Vervielfachung der Kitagebühren und der Grundsteuern für sozial gerecht hält. Denn damit trifft man die Familien, aber nicht mit der Anhebung des Spitzensteuersatzes.

(Beifall bei der LINKEN)

Um es deutlich zu sagen: Es ist davon auszugehen, dass durch unsere Pläne nur ein sehr kleiner Teil der Steuerpflichtigen mit deutlichen Mehrbelastungen rechnen müsste. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes hatten 2007 nur etwa 3,6 % der 38,6 Millionen Steuerpflichtigen ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 60.000 €. Wenn diese knapp 4 % für die Mitglieder der CDU und der FDP der Mittelstand sind, dann verstehe ich auch, warum sich die FDP noch heute als Mittelstandspartei bezeichnet.

Die konsequente Besteuerung aller Formen der Kapitalgewinne und aller Wertzuwächse ist überfällig. Spekulationsgewinne und Zinsen auf größere und große Vermögen sollen steuerpolitisch diskriminiert werden. Die verschiedenen Erbschafts- und Ausnahmeregelungen müssen auf ihre verteilungspolitischen und somit sozial gerechten Effekte hin überprüft, korrigiert und gegebenenfalls abgeschafft werden.

Konzerne, also Global Players, die Milliardengewinne machen, sollen steuerlich wesentlich stärker belastet werden. Die Steuererhebung soll da erfolgen, wo die Gewinne er

zielt werden. Gelten am Unternehmenssitz höhere Steuersätze, sollen ausländische Einkünfte nachversteuert werden. Wir fordern eine gezielte steuerliche Belastung der Nutzung der Primärenergie aus atomaren und fossilen Energieträgern, der nicht erneuerbaren Ressourcen, des Flächenverbrauchs und der klimaschädigenden Emissionen.

Die Mehrwertsteuer soll sozial gerecht gemacht und korrigiert werden. Das bedeutet eine größere Differenzierung der Steuersätze nach den konkreten Gebrauchswerten.

Die Institutionen der Bundesrepublik sollen sich konsequent gegen die Steuerflucht und -hinterziehung, gegen nationalstaatlich und international ausgerichtete Steuervermeidungsstrategien und gegen sozial und ökologisch verheerende Steuerkonkurrenz engagieren. Das betrifft insbesondere die Überprüfung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Einkommen- und Vermögensteuern.

Darüber hinaus brauchen wir auch internationale Steuern. Wir brauchen beispielsweise die Devisentransaktionssteuer. Wir brauchen Steuern auf Rüstungsexporte und beispielsweise auch auf Flugbenzin. Innerhalb der Europäischen Union sollen sich die Institutionen der Bundesregierung gegen Steuerdumping und für problemorientierte steuerpolitische Richtlinien für die EU-Mitgliedsländer einsetzen, die insbesondere Steuerbasen und Mindeststeuersätze definieren.

Diese Positionen münden in Forderungen bzw. Vorschläge für Reformen der Einkommensteuer, der Umsatz- und Unternehmensteuer, der Besteuerung der Vermögen, Erbschaften, Schenkungen und Kapitaltransaktionen, zur Erhebung von Öko- und internationalen Steuern sowie zu problemorientiertem europäischem bzw. internationalem steuerpolitischem Engagement. Das ist kein Programm gegen die Mittelschicht. Das wäre es auch nicht bei einer Einführung der Vermögensteuer. Herr Dr. Schäfer wird das ja gleich wieder behaupten. Unserer Meinung nach soll die Vermögensteuer aber einen Freibetrag haben, der bei einer durchschnittlichen Familie nicht überschritten wird.

Das ist ein Programm zum Umverteilen und für mehr soziale Gerechtigkeit. Dafür brauchen wir aber nicht diejenigen, die schon bei den Steuersenkungen von Hans Eichel Beifall geklatscht haben, wie es Steinbrück und Trittin gemacht haben, sondern wir brauchen einen echten Politikwechsel. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält Herr Abg. Schmitt für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Rede des Herrn Kollegen Beuth kann man nur sagen: Es gibt die normative Kraft des Faktischen. Das haben wir erlebt. Aber es gibt keine Fakten ersetzende Kraft des Phraseologischen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))