Jeder dieser Anträge hätte für die Frauen in Deutschland eine Verbesserung bedeutet, aber all das haben Sie letzte Woche verhindert.
Das verwundert uns aber nicht. Ein Blick auf Hessen zeigt, dass Sie hier auch nichts verändern wollen. Das wundert nicht, mit einer FDP-Fraktion, bei der es unter 20 Abgeordneten nur eine Frau gibt und die mit ihrer neuen Listenaufstellung kaum etwas daran ändern will. Es wundert auch nicht bei einer hessischen CDU – wir haben all die Debatten in den letzten Tagen mitbekommen –, der am Ende die eigene Ministerin – Kristina Schröder aus Hessen – noch zu fortschrittlich ist und die sie jetzt in einer unerträglichen Art und Weise selbst demontiert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wäre dringend notwendig, nicht nur eine Verbesserung der Position von Frauen in Spitzenfunktionen in der Wirtschaft zu ermöglichen, sondern insbesondere auch im öffentlichen Dienst; denn schließlich ist der öffentliche Dienst ein wichtiger Beschäftigungssektor für Frauen. Fast mehr als die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind Frauen. Dennoch stoßen sie gerade dort immer wieder an eine hartnäckige gläserne Decke; hier wird der öffentliche Dienst seiner Vorbildfunktion nicht gerecht.
Das verdeutlichen auch die aktuellen Zahlen. Auf die Kleine Anfrage aus dem vergangenen Jahr haben Sie geantwortet, dass von insgesamt 56 Abteilungsleiterpositionen in den hessischen Ministerien gerade einmal sieben mit Frauen besetzt sind. Da hat es in den letzten fünf Jahren keine Verbesserung gegeben. Die Ressorts wie Innen, Finanzen und Wirtschaft sind in den oberen Führungsetagen komplett frauenfreie Zonen. Das ist einfach unerträglich.
Selbst der Gleichstellungsatlas aus dem Hause Kristina Schröder zeigt deutlich, dass Hessen beim Anteil an Führungspositionen in den obersten Landesbehörden gemeinsam mit Thüringen das absolute Schlusslicht bildet. Mit Genehmigung der Präsidentin würde ich Ihnen gerne eine Grafik zeigen,
um zu verdeutlichen, dass Hessen hier mit 9 % kurz vor Thüringen mit 7 % absolutes Schlusslicht ist. In Deutschland haben wir einen Durchschnitt von 20 % Frauen in den obersten Führungsetagen – das ist wirklich ein Armutszeugnis für Hessen.
Es besteht erheblicher Handlungsbedarf. Deswegen haben wir als SPD-Landtagsfraktion einen umfassenden Gesetzentwurf eingebracht; denn Gleichstellungspolitik darf nicht abhängig von den individuellen Bedingungen vor Ort, sondern muss gesetzlich durchsetzbar sein. Deshalb brauchen wir ein hessisches Gleichberechtigungsgesetz, das sein Ziel – die Chancengleichheit von Frauen und Männern zu verwirklichen – am Ende auch tatsächlich erreicht. Frauenförderung und Frauenpolitik dürfen keine nebensächliche Goodwill-Aktion einer Landesregierung sein, sondern müssen gesetzlich durchsetzbar sein.
Trotz dieser eklatanten Missstände haben Sie nichts getan. Herr Grüttner, Sie haben keine Novellierung des HGlG vorgelegt. 2011 wurde noch eine Verlängerung bis Ende 2013 beschlossen mit der Maßgabe einer umfassenden inhaltlichen Novellierung. Es hat auf dem Hessentag Veranstaltungen mit Frauenbeauftragten gegeben. Es wurden die Normadressaten 2011 angeschrieben und um Stellungnahmen zum Novellierungsbedarf gebeten. Aber Sie haben es bis zum heutigen Tag nicht geschafft, im Hessischen Landtag eine eigene Vorlage einzubringen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir als SPD-Fraktion wollen nach dem Stillstand in Hessen einen fortschrittlichen Gesetzentwurf, der auch wieder Vorbildcharakter für andere Bundesländer hat. Wir wollen ein deutliches Signal für mehr Gleichberechtigung im öffentlichen Dienst setzen. Deswegen haben wir in unserem Gesetzentwurf klare Regelungen verankert, die dem auch gerecht werden.
Insbesondere wollen wir die Beschäftigten in Leitungsund Führungspositionen den Grundsätzen dieses Gesetzes deutlich verpflichten. Wir wollen die Lebenssituation gerade auch behinderter Frauen besonders berücksichtigen. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf die Frauenbeauftragten in ihrer Arbeit stärken und ihre Ausstattung angemessen regeln. Wir wollen ihnen auch eine Klagemöglichkeit geben, damit sie am Ende mehr Durchsetzungsmöglichkeiten haben. Wir wollen eine zentrale unabhängige Stelle, die direkt beim Landtag angesiedelt wird, damit die Interessen der Frauen mehr Durchsetzungskraft bekommen. Eine paritätische Gremienbesetzung ist in unserem Entwurf geregelt, insbesondere auch die Erweiterung des Geltungsbereichs ist ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Gesetzes.
Ich komme zum Ende. – Sehr geehrte Damen und Herren, wir wollen Gleichberechtigung für Frau und Mann in der öffentlichen Verwaltung verwirklichen. Wir wollen keine leeren Worthülsen und Sonntagsreden. Wir wollen ein Gesetz, das wieder Vorbildcharakter hat. Wer am Ende mehr Gleichberechtigung für Frauen und Männer in Hessen und mehr Geschlechtergerechtigkeit will, der muss unserem Gesetz im Hessischen Landtag zustimmen. Ich freue mich auf die weiteren Debatten und die Anhörung.
Vielen Dank, Frau Kollegin Gnadl. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Ravensburg von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Gnadl, bei der Frauenpolitik unterscheidet sich Ihre Position fundamental von unserer; das habe ich eben wieder einmal gemerkt.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Demonstrativer Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Das wis- sen wir!)
Sie glauben nämlich, Gleichberechtigung könne man mit Zwang, Restriktionen und vor Gericht entscheiden. Das ist das, was sich durch Ihren Gesetzentwurf zieht. In meinen Augen ist das Frauenpolitik mit der Brechstange. Durch diesen Entwurf leisten Sie allen Frauen im öffentlichen Dienst einen klaren Bärendienst.
Ich will Ihnen auch begründen, warum ich zu diesem Schluss komme. Wir haben in Hessen aus gutem Grund ein Gleichberechtigungsgesetz. Es ist notwendig und sinnvoll; denn noch immer sind Frauen in bestimmten Bereichen der öffentlichen Verwaltung unterrepräsentiert, in Führungspositionen und -gremien sind noch immer zu wenige Frauen zu finden.
Ich glaube, darüber sind wir uns einig. Es stellt sich allerdings die Frage, welchen Weg die Politik gehen sollte, um diese Situation zu verbessern.
Meine Fraktion setzt auf gezielte Frauenpolitik, aber mit Augenmaß – mit Personalentwicklung, der Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Telearbeit, durch flexible Teilzeitarbeit, durch die Umgestaltung von Arbeitsplätzen an die Bedürfnisse der Frauen und durch die Förderung von Teilzeit auch der Männer, nicht zu vergessen – das ist mir besonders wichtig – die Schaffung von Betreuungsplätzen in erreichbarer Nähe. Auch die Betreuungsplatzgarantie ab 1. August 2013 wird ihren Beitrag dazu leisten.
steht allen Entscheidungen entgegen, die offen oder verdeckt eine Verfestigung überkommener Rollenvorstellungen bewirken und ihrer Überwindung hinderlich sind.
Meine Damen und Herren, an was erinnert uns diese Sprache? Mich erinnert sie an die Sprache des Klassenkampfs. Da fehlt nur noch, dass die SPD per Gesetz das Kinderkriegen künftig zu 50 % den Männern überlassen will.
Dieser Gesetzentwurf ist gespickt mit Verboten, Klagemöglichkeiten, Sanktionen, Entschädigungspflichten, mit Einspruchsrechten, Verfahrensregelungen.
Es ist ein Gesetzentwurf, der eine neue Verwaltung innerhalb unserer Landesverwaltung vorsieht. Konflikte sind programmiert, sie sind sogar beabsichtigt von Ihnen. Der Gang vor das Arbeitsgericht ist ausdrücklich vorgesehen.
Das heißt: Reglementierung statt Vertrauen, und das durchzieht diesen Gesetzentwurf wie ein roter Faden.
Einen weiteren ganz wichtigen Punkt möchte ich hier unbedingt erwähnen. Es ist die Erweiterung des Gültigkeitsbereichs auf alle Verwaltungseinheiten mit mehr als 25 Beschäftigten. Bisher waren es 50 Beschäftigte. Das Gesetz gilt damit auch für die kleinen Städte und Gemeinden, für die Landkreise, und zwar ohne Einschränkung.
Neu ist auch die Ausdehnung auf alle Institutionen, die vom Land gefördert werden, für die privatisierten Bereiche der Landesverwaltung und – das möchte ich erwähnen; denn wir hatten sie bisher immer ausgenommen – die Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft und der freien Berufe, d. h. die IHKs, die Handwerkskammern, die Architektenkammer oder die Kassenärztliche Vereinigung. Ich bin sehr gespannt auf die Anhörung.
Sie alle müssen zukünftig jede Stelle ausschreiben; denn der Gesetzentwurf verpflichtet, Stellen auszuschreiben, auch wenn keine Unterrepräsentation vorliegt.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf, der sicherlich gut gemeint ist, schießen Sie weit über das Ziel hinaus.
Es ist richtig, wir haben viele Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst, die Teilzeit arbeiten. Hier müssen wir auf die Bedürfnisse eingehen. Aber wir sollten auch die Frage stellen, warum wir so viele Teilzeitmitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst haben. – Vielleicht gerade weil er diese Möglichkeit bietet und Frauen bewusst diesen Arbeitsplatz wählen.