Protocol of the Session on March 21, 2013

Meine Damen und Herren, es gibt für die Sozialdemokraten im Wesentlichen zwei Gründe, warum wir uns dem Antrag der GRÜNEN nicht anschließen können. Wir haben uns in der Vergangenheit – und zwar immer an der Seite von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – mit guten Gründen und klaren Argumenten stets dagegen gewehrt, wenn es insbesondere vonseiten des FDP-Teils der Hessischen Landesregierung darum ging, Rheinland-Pfalz Vorschriften zu machen, für was man dort Geld ausgeben und welche politischen Schwerpunkte man setzen sollte. Manchmal war es sogar so, dass wir den Eindruck hatten, dass von der Landesregierung, insbesondere von deren FDPTeil, hier mehr über Rheinland-Pfalz als über hessische Themen geredet wurde. Wir haben immer gesagt: Diese Einmischung ist für uns nicht akzeptabel. – Was für Rheinland-Pfalz gilt, gilt für uns auch für Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD)

Das zweite und für uns noch schwerer wiegende Argument: Um den Weiterbau von Stuttgart 21 gab es harte Auseinandersetzungen. Ich bin davon überzeugt, dass die Debatte um Stuttgart 21 letztlich wesentlich dazu beigetragen hat, dass die langjährige Vorherrschaft der CDU vom Wähler in Baden-Württemberg beendet wurde und dass es in Baden-Württemberg eine grün-rote Landesregierung gibt.

(Beifall bei der SPD)

Auf Betreiben der SPD gab es am 27. November 2011 eine Volksabstimmung über das Projekt Stuttgart 21. Das Ergebnis dieser Volksabstimmung war eindeutig. Das kann man doch nicht einfach ignorieren. 58,9 % der Beteiligten haben sich gegen einen Ausstieg des Landes Baden-Württemberg aus dem Projekt entschieden und damit für einen Weiterbau gestimmt. Auch in den direkt betroffenen Städten Stuttgart und Ulm hat es jeweils eine Mehrheit für den Weiterbau von Stuttgart 21 gegeben.

Ich zitiere Ministerpräsident Kretschmann, der sich persönlich – das hat er unumwunden zugegeben – ein anderes Ergebnis gewünscht hatte.

Aber selbstverständlich akzeptieren wir das Votum gegen das S21-Kündigungsgesetz ohne Wenn und Aber. Denn in der Demokratie ist die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger das Maß aller Dinge. … Die Landesregierung wird die Umsetzung des Projekts nun kritisch-konstruktiv begleiten.

Meine Damen und Herren, wir nehmen diese Worte von Herrn Kretschmann sehr ernst, weil das eine weit über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus beachtete Volksabstimmung war. Das Ergebnis habe ich Ihnen vorgelesen. Wir halten es für nicht zielführend, im Sinne derjenigen, die immer von mehr direkter Demokratie sprechen, sogar für kontraproduktiv, wenn wir im Hessischen Landtag den Versuch unternehmen würden, das Ergebnis der Volksabstimmung in Baden-Württemberg vom November 2011 zu konterkarieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, wenn ich die Worte von Herrn Kretschmann ernst nehme, dann muss ich sagen: Der vorliegende Antrag ist eine herbe Ohrfeige für den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. – Damals erklärte der stellvertretende Ministerpräsident Nils Schmid, Sozialdemokrat, er freue sich über das „klare und starke Votum“. Für ihn sei ganz Baden-Württemberg der Gewinner der Abstimmung. – Das sehen auch wir hessischen Sozialdemokraten so. Die Verantwortung für die Mehrkosten von Stuttgart 21 liegt nach unserer Auffassung bei der Bahn und ihrem Eigentümer, dem Bund. Jetzt ist insbesondere Bundesverkehrsminister Ramsauer gefragt.

(Beifall bei der SPD)

Dass jetzt gerade die GRÜNEN, die sich immer für mehr direkte Demokratie ausgesprochen haben, im Hessischen Landtag einen Antrag einbringen, in dem das Ergebnis einer viel beachteten Volksabstimmung mit Missachtung bedacht wird – anders ist das nicht zu interpretieren –, finden wir, milde ausgedrückt, außerordentlich bemerkenswert. Wir halten es da mit den Sozialdemokraten in BadenWürttemberg. Die sind geradlinig und berechenbar und haben am 23. Februar erklärt:

Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 im Jahre 2011 gilt. Die SPD hat diese Form direkter Bürgerbeteiligung damals erfolgreich initiiert und durchgesetzt. Bestandteil der damaligen Diskussionen und Abwägungen waren auch etwaige Mehrkosten des Projekts. Eine Infragestellung der Volksabstimmung lehnen wir ab. Das Land führt keine Ausstiegsdiskussionen.

Dann sollten wir in Hessen den Parlamentariern in BadenWürttemberg das auch nicht vorschreiben.

(Beifall bei der SPD)

Nun kann es sein, dass Sie mehr wissen und dass Ihr Draht zu der grün-roten Landesregierung, insbesondere zu dem grünen Teil, besser ist als unserer. Aber wir sind auf Erklärungen und Veröffentlichungen angewiesen. Da melden die „Stuttgarter Nachrichten“ vom 19. März 2013, dass Gespräche zwischen der Landesregierung von BadenWürttemberg und Vertretern der Bahn über eine besseren

Anbindung des Flughafens Stuttgart geführt werden, was ein Teil des Projekts Stuttgart 21 ist.

Diese Gespräche gehen ausdrücklich auf eine von Ministerpräsident Kretschmann signalisierte Gesprächsbereitschaft zurück. Wer im Zusammenhang mit diesem Projekt Gespräche über Varianten der Anbindung des Flughafens führt, kann nicht ernsthaft erwägen, ganz aus dem Projekt auszusteigen. Das liegt auf der Hand. Insofern kann ich diesen Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht nachvollziehen.

Wir sollten im Hessischen Landtag der Landesregierung von Baden-Württemberg und den Bürgerinnen und Bürgern nicht sagen, was sie zu tun haben. Bei dem Antrag der GRÜNEN macht sich das süße Gift des Populismus bemerkbar. Mag es auch noch so gut riechen, die Sozialdemokraten widerstehen dieser Verlockung.

Herr Al-Wazir hat gesagt, dass wir dann wahrscheinlich mehr Geld für die Infrastruktur in Hessen bekämen. Belegen kann er das nicht. Wir machen nicht mit, wenn Befürchtungen geäußert werden, jetzt gebe es weniger Geld für Hessen, und wenn den Baden-Württembergerinnen und Baden-Württembergern, die sich in einem klaren Votum für Stuttgart 21 ausgesprochen haben, mithilfe dieses Arguments Vorschriften gemacht werden sollen; denn die Herausforderungen der hessischen Infrastruktur müssen wir selbst bewältigen.

Lassen Sie mich zum Schluss – ein wenig Zeit habe ich noch – auf den vorliegenden Antrag von Schwarz-Gelb kommen. Schwarz-Gelb fällt zur hessischen Infrastruktur nämlich auch nicht viel ein. Dort steht:

Es ist dabei bedauerlich, dass Hessen trotz seiner zentralen Lage in Deutschland und Europa und der damit verbundenen Verkehrsbelastung durch den Bund keine ausreichenden Mittel für die notwendigen Infrastrukturprojekte erhält.

Das sehen wir auch so. Aber wer hat denn Hessen in den letzten 14 Jahren regiert, und wer hat die hessischen Interessen im Zusammenhang mit der Infrastruktur gegenüber dem Bund vertreten müssen? Wer war das? Es war doch Schwarz-Gelb, das anscheinend nicht in der Lage war, beim Bund genügend Geld für die Infrastruktur in Hessen durchzusetzen. Es ist gut, dass Sie das in Ihrem Antrag selbst eingestehen. Meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, wenn wir es Ihnen gesagt hätten, hätten Sie das nicht geglaubt.

(Beifall bei der SPD)

Wie sieht für Schwarz-Gelb die Lösung aus? Da steht, der Bund solle das Tafelsilber verscherbeln, damit Hessen Geld für die Infrastruktur bekommt. Das ist eine merkwürdige Debatte. Die einen meinen, den Baden-Württembergern vorschreiben zu können, dass sie, damit das Geld nach Hessen fließt, den Bahnhof nicht weiterbauen,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein!)

und die anderen sagen, der Bund müsse sein Tafelsilber verscherbeln, damit Geld nach Hessen kommt.

Nein, meine Damen und Herren, wir erwarten von der Hessischen Landesregierung, dass sie die Interessen des Landes Hessen in Bezug auf die Infrastruktur beim Bund zukünftig besser vertritt als bisher. Damit wäre uns schon viel geholfen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank, Herr Kollege Frankenberger. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Caspar das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die Entwicklung eines Landes – das gilt sowohl für Deutschland insgesamt als auch für Hessen – sind die Infrastruktur, das Auflegen von Zukunftsprojekten und das Bekenntnis zu diesen Projekten entscheidend. Ich erinnere daran, dass in Deutschland die größten wirtschaftlichen Wachstumsraten immer dann erzielt worden sind, wenn auch in erheblichem Maße in Infrastrukturprojekte investiert wurde.

So war es in der Zeit zwischen 1870 und 1900 – in einer Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs, die mit dem Ausbau des Schienenverkehrnetzes sehr eng verbunden war. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts sind die hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten natürlich in enger Verbindung mit dem Ausbau des Autobahnnetzes zu sehen. Beides sind Infrastrukturmaßnahmen, die dazu geführt haben, dass Wirtschaftsräume enger miteinander vernetzt und verbunden wurden, sodass effizienter gearbeitet werden konnte und das, was erarbeitet wurde, einen höheren Ertrag abwarf, der der Volkswirtschaft und den öffentlichen Einnahmen in unserem Land zugutekam.

Wir müssen diesen Weg weitergehen. Nehmen Sie die Regionen auf der Welt, in denen die wirtschaftlichen Wachstumsraten heute höher sind als anderswo. Wenn Sie sich anschauen, was dort passiert, werden Sie feststellen, es hat sehr viel damit zu tun, dass in diesen Ländern erheblich in die Infrastruktur investiert wird. Denken Sie daran, dass in Shanghai innerhalb von acht Jahren fünf U-Bahnlinien gebaut wurden und dass in den Vereinigten Arabischen Emiraten während der Aufschwungphasen zwölfspurige Autobahnen gebaut wurden, z. B. zwischen Dubai und AbuDhabi.

Man kann daran sehen, dass in den Ländern, in denen man sich Gedanken darüber macht, wie es in Zukunft weitergeht und wie man für die Kinder eine gute Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung schafft, vor allem in die Infrastruktur investiert wird.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nicht in unterirdische Bahnhöfe!)

Deswegen sind solche Zukunftsprojekte notwendig. Herr Frankenberger, natürlich kann man wie Sie damit argumentieren, dass Stuttgart 21 ein Projekt ist, das jenseits unserer Landesgrenze durchgeführt wird. Wir, die CDUFraktion, nehmen allerdings für uns in Anspruch, dass wir über die engen Grenzen hinausdenken.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Ein Bürger aus Hessen, der beispielsweise in Darmstadt oder an der Bergstraße wohnt und nicht mit dem Auto, sondern mit dem Zug nach München fahren will, ist in dem Augenblick sehr wohl davon betroffen, wenn er in Stuttgart in den Sackbahnhof einfährt und dort einen längeren Aufenthalt hat, als wenn er direkt durchreisen könnte. Insofern stellt sich auch die Frage, ob es, wenn man eine

Volksabstimmung zu einem Projekt in einer bestimmten Region durchführt, gerechtfertigt ist, zu sagen: Wir schließen alle anderen aus. – An dem Beispiel lässt sich nämlich verdeutlichen, dass nicht nur die Baden-Württemberger etwas davon haben, dass dieser Bahnhof dort gebaut wird, sondern beispielsweise auch die Menschen aus Hessen; denn sie haben in Zukunft kürzere Reisewege.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen ist auch für uns diese Entwicklung sinnvoll. Erklären uns nicht ausgerechnet die GRÜNEN immer, wir müssten dafür sorgen, dass der innerdeutsche Flugverkehr eingestellt oder zumindest drastisch reduziert wird und dass die Menschen auf die Bahn umsteigen sollen? Werden die Menschen bei ihrer Entscheidung, ob sie ein Flugzeug nehmen oder mit der Bahn fahren sollen, wenn sie von Frankfurt nach München reisen, nicht im Wesentlichen davon beeinflusst, wie lange die Reisezeiten sind?

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Caspar, München ist doch über Nürnberg und Ingolstadt inzwischen viel schneller zu erreichen! Das wissen Sie nicht, weil Sie nicht mit der Bahn fahren!)

Die Verbindung ist mir sehr wohl bekannt. Aber Sie wissen auch – dafür engagieren wir uns ebenfalls –, dass die ICE-Strecke zwischen Frankfurt, Heidelberg und Mannheim ausgebaut wird.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn das erfolgt ist und der neue Stuttgarter Bahnhof gebaut ist, haben wir über diesen Weg eine noch kürzere Reisezeit. Dies kann dann dazu führen, dass der eine oder andere, der bisher das Flugzeug nimmt, um von Frankfurt nach München zu reisen, diesen Weg wählt. Man sieht daran, dass wir sehr wohl auch in Hessen davon betroffen sind, dass diese Zukunftsprojekte realisiert werden.

Aber was geschieht hier? Das Übliche, was wir von der grünen Seite kennen. Man sagt zwar theoretisch: „Ja, es müsste in den Schienenverkehr investiert werden, die Bahn müsste gestärkt werden“, aber immer dann, wenn es örtlich bedingt Widerstände gibt, traut man sich nicht mehr, diese Position ernsthaft durchzusetzen. Stuttgart 21 zeigt das sehr deutlich.

Meine Damen und Herren, wir haben dem einen Antrag entgegengesetzt, in dem wir verdeutlicht haben, dass wir diejenigen sind, die sich für die Zukunftsinvestitionen in unserem Land einsetzen. Das betrifft auch andere Vorhaben. Denken Sie an den Großflughafen in Berlin, den Flughafen Willy Brandt, der auch fertig werden muss, der aber leider nicht in dem Sinne fertig wird, wie wir uns das alle wünschen.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Alle sind dabei, aber wir nicht! Wir sind unschuldig!)

Auch hier ist es so, dass diejenigen, die für die Umsetzung zuständig sind, nicht primär in den Reihen der CDU zu suchen sind, so will ich es formulieren, Herr Kaufmann.

Zu Baden-Württemberg: Ja, es gibt die Entscheidung durch die Volksabstimmung. Aber es geht doch um die Frage: Wird es dort auch ernsthaft und glaubwürdig umgesetzt?

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)