Protocol of the Session on March 20, 2013

Für die angebliche militärische Befriedung ganzer Länder, die stets auch rohstoffreich sind, ist inzwischen Bündnistreue das vorgeschobene Motiv. Es ist lachhaft, dass deutsche Soldaten mit Patriot-Luftabwehrraketen die Türkei vor möglichen Angriffen aus Syrien schützen sollen. Der syrische Diktator müsste ein Selbstmörder sein, würde er die mehrfach überlegene Türkei militärisch angreifen.

Die Verantwortlichen in Regierung und Wirtschaft wollen einfach immer wieder dabei sein. Die Parole heißt: Nie wieder Krieg ohne uns. Bündnistreue heißt das auch in Mali, wo deutsche Soldaten die malische Armee ausbilden sollen, damit sie die Rebellengruppen zurückdrängen kann – die neueste Parole.

Die Kriegsmehrheit im Bundestag scheint nicht mehr zu wissen, dass Konflikte dieser Art nur durch Interessenausgleich dauerhaft zu lösen sind. Das werden auch unsere französischen Nachbarn mit ihren kolonialen Interessen auf dem afrikanischen Kontinent lernen müssen.

Nun sollen Waffen nach Syrien den Krieg befeuern. Die Versuche der UNO, einer Verhandlungslösung zum Durchbruch zu verhelfen, werden ignoriert. Es hat sich unter den politisch Verantwortlichen niemand damit beschäftigt, dass sich das Ganze zu einem Flächenbrand mit katastrophalen Auswirkungen auch auf Europa ausweiten kann.

Der Tod ist wieder ein Meister aus Deutschland, auch aus Hessen. Die Panzerlieferungen aus Kassel sind der größte Batzen im Rüstungsgeschäft. Das werden wir sicherlich auch beim Hessentag im Juni zum Thema machen.

(Holger Bellino (CDU): Wie immer!)

Zu den besten Kunden deutscher Rüstungsunternehmen gehören repressive Regimes wie Saudi-Arabien. Menschenrechte haben dabei keinen Platz. Die deutschen Rüstungsexporte steigen seit Jahren in schwindelerregende Höhen. Ob Schröder oder Merkel regiert, spielt dabei keine Rolle.

Diplomatie und zivile Krisenprävention finden in Sonntagsreden statt. Auf der Tagesordnung der Vernunft stehen der sofortige Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen und ein Verbot aller Rüstungsexporte – ohne jede Ausnahme.

(Beifall bei der LINKEN)

Keine Soldaten, keine Waffen, kein Geld für die Kriege dieser Welt – nur so gewinnen wir den Frieden.

Jedes Jahr sterben weltweit 500.000 Menschen durch Waffengewalt. Das ist jede Minute ein Mensch. Sie sterben auch mit deutschen Waffen. Ich frage Sie: Wollen Sie eine solche Entwicklung weiter befördern?

Bei der Frage von Rüstungsexporten gibt es eine große Koalition. Ob Union, SPD, FDP oder GRÜNE – ich nehme ausdrücklich den heutigen Antrag, den ich eben erst gese

hen habe, aus; ich freue mich darüber, dass die GRÜNEN zumindest in dieser Frage bezüglich Saudi-Arabien zu anderen Erkenntnissen gekommen sind –, Sie alle haben immer gemeinsam diese Exporte genehmigt und fortgeführt. Ich frage Sie: Haben Sie das mit Ihren Parteimitgliedern schon einmal offen und ehrlich besprochen?

Deutschland nimmt auf der Liste der größten Waffenexporteure der Welt den dritten Platz ein. Das heißt, es gibt nur zwei Länder, die mehr Waffen exportieren als Deutschland. Das sind die USA und Russland.

In den 20 Topländern, die die meisten Rüstungsgüter im Jahre 2011 von uns bekommen haben, ist die Demokratie Mangelware. Darunter sind die Vereinigten Arabischen Emirate, sie sind auf Platz drei – eine tolle Demokratie. Irak: Platz sechs – ebenfalls eine tolle Demokratie. Algerien: Platz acht – ein Beispiel für Demokratie. Saudi-Arabien: Platz zwölf – ein Land der Menschenrechte? Top, kann ich nur sagen. Ägypten, wo wir jetzt all das erleben, was zu befürchten war: Platz 18. Mit unseren Waffen marschiert Saudi-Arabien in Bahrain ein und schießt auf die Menschen, die sich dort für Demokratie engagieren. – Überallhin werden Waffen geliefert. Das ist das Markenzeichen deutscher Politik.

Ich denke, dass wir Waffen nicht in Kriegsgebiete verkaufen dürfen. Wenn Sie, meine Damen und Herren, uns schon nicht folgen und Waffenexporte nicht vollständig verbieten wollen, könnte man nicht wenigstens erste Schritte gehen? Die GRÜNEN fangen jetzt damit an. Dazu würde z. B. gehören, dass man die Waffenlieferungen in den Nahen Osten komplett einstellt und sagt: Da gehen keine deutschen Waffen mehr hin, auch keine atomar bestückten U-Boote nach Israel.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre wenigstens ein Signal; das wäre ein Politikwechsel.

Es gibt noch etwas Wichtiges: beispielsweise Sturmgewehre und Maschinenpistolen. Diese Waffen sind die eigentlichen Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts. Nur mit ihnen werden mehr Menschen getötet als mit allen anderen Waffen zusammen. Wäre es nicht wenigstens ein erster Schritt, zu sagen: Wir verbieten den Verkauf von Sturmgewehren und Maschinenpistolen? In den USA scheitert das gerade. Warum fangen wir mit einer solchen Politik nicht bei uns an?

Ein Wort noch zu den Kampfdrohnen, die jetzt eingeführt werden sollen. Kampfdrohnen können niemanden gefangen nehmen, sie können nur töten. Aber diejenigen, die damit töten, sitzen irgendwo in Berlin oder Potsdam, drücken auf einen Knopf und töten gezielt Menschen. Dadurch wird die Hemmschwelle des Tötens gesenkt.

Wir wehren uns dagegen, dass die Militärkaste in unserem Land den Militarismus immer aufs Neue hoffähig machen will. Eiserne Kreuze und Heldengedenkmonumente sind Zeichen einer reaktionären Politik und gehören auf den Müllhaufen der Geschichte.

(Beifall bei der LINKEN)

Um dies zu befördern, gibt es eine breite gesellschaftliche Mehrheit gegen weltweite Kriege, für Frieden und Abrüstung. Eine aktive Friedensbewegung ist ein Garant für den Widerstand gegen den Versuch, die Gesellschaft in unserem Land immer umfassender zu militarisieren.

Initiativen gegen die Rekrutierung junger, insbesondere arbeitsloser Menschen für die weltweite Tötungsmaschinerie berichten von erfolgreicher Überzeugungsarbeit. Die Beratung von deutschen Soldaten und US-GIs, den Kriegsdienst zu verweigern bzw. zu desertieren, zeigt erste Erfolge.

Die Abwehr der Dauerpräsenz der Bundeswehr in den Schulen trifft auf zunehmende Akzeptanz.

Auch im universitären Bereich macht der Widerstand gegen die Militarisierung Fortschritte. Nach dem Senat und dem Hochschulrat hat nun auch das Präsidium der GoetheUniversität in Frankfurt einer universitären Zivilklausel zugestimmt. Damit ist der Weg frei für die Aufnahme der Zivilklausel in die universitäre Grundordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

In ihrer Präambel verpflichtet sich die Goethe-Universität, dafür zu sorgen, dass Lehre, Forschung und Studium zivilen und friedlichen Zwecken dienen. Damit ist sie deutschlandweit die zwölfte Hochschule, die für die Zivilklausel eintritt.

Es ist erforderlich, dass auch in der industriellen Entwicklung Alternativkonzepte entwickelt werden. Wir werden die Debatte um alternative regionale Wirtschaftskonzepte sowie die Frage der Konversion der Rüstungsindustrie wiederbeleben.

Zur Alternativpolitik gehören aus unserer Sicht ein sofortiger Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, der Abzug der Patriot-Raketen aus der Türkei und die Beendigung aller weltweiten Auslandseinsätze.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir nehmen die Politik in die eigenen Hände. Wir verlangen von der Bundesregierung und der Landesregierung den Einsatz für Frieden und Abrüstung. Wir brauchen mehr Abgeordnete im Bundestag wie auch im Landtag, die sich für diese Ziele einsetzen.

Um ein Zeichen gegen Militarismus und Krieg zu setzen, lade ich Sie zu den Aktionen der Friedensbewegung bei den diesjährigen Ostermärschen herzlich ein.

(Zuruf von der CDU: Oh! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Werbeblock!)

Herzlich willkommen bei der Friedensbewegung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Horst Klee (CDU): Das war eigentlich der wichtigste Satz! Alle Jahre wieder! Ostermarschierer! Habe leider schon etwas vor!)

Schönen Dank, Herr van Ooyen. Zeitlich war das genau eine Punktlandung. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege May das Wort.

(Unruhe)

Herr May, Sie haben das Wort. Dann wird man Ihnen auch zuhören.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Frage nach Rüstungsexporten ist in der Tat eine ernst zu nehmende. Sie erfordert aber auch eine differenzierte Betrachtung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Das war auch früher schon so!)

Die Frage, ob insbesondere Kriegswaffenexporte nach Saudi-Arabien zugelassen werden sollten, hat die deutsche Öffentlichkeit in den letzten zwei Jahren öfter beschäftigt. Alle Oppositionsfraktionen im Bundestag haben zu Recht die Zulassung von Kriegswaffenexporten durch den Bundessicherheitsrat kritisiert.

Es macht aber – da muss ich Herrn van Ooyen widersprechen – eben doch einen Unterschied, wer auf Bundesebene regiert. Denn ein Argumentationsbestandteil, den auch DIE LINKE in ihren Pressemitteilungen und ihrer Kritik im Bundestag immer wieder anspricht, ist, inwieweit Rüstungsexporte, die jetzt zugelassen werden, überhaupt den Richtlinien genügen, die wir auf Bundesebene haben. Das wird von Ihnen thematisiert. Aber wer ist denn für diese Richtlinien verantwortlich? Das war eben gerade ein Erfolg der rot-grünen Bundesregierung, die diese Richtlinien verschärft hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich will damit nicht sagen, dass zu rot-grünen Zeiten alles in Ordnung und ideal gewesen sei. Manche Entscheidung muss man sicherlich auch einmal kritisch hinterfragen. Aber die Aufnahme der Bestimmung, dass die Menschenrechtssituation ein entscheidendes Kriterium bei der Genehmigung von Waffenexporten sein sollte, war doch ein ganz wichtiger Schritt, den diese Regierung erreicht hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich denke, die Statistiken zeigen, dass sich nach der Regierungszeit von Rot-Grün die Situation nicht zum Besseren gewandelt hat, sondern eher zum Schlechteren. Unter der schwarz-gelben Bundesregierung wird die Rüstungskontrolle wohl eher lax gehandhabt.

Daher ist es richtig, dass insbesondere die wiederholten Exporte nach Saudi-Arabien infrage gestellt werden. Denn die Erfahrung, die wir in Bahrain gemacht haben, wo saudische Panzer – die, wohlgemerkt, nicht in Saudi-Arabien produziert worden sind – gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wurden, zeigt, wieso Kriegswaffenlieferungen strengstens reglementiert werden müssen.

Das Beispiel Saudi-Arabien zeigt auch, dass wir während der Regierungszeit Merkel ein Ausufern der Rüstungsexporte haben. Das ist unverantwortlich und steht zu Recht in der Kritik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei dem Thema Menschenrechte muss man auch sagen: Gerade im Fall von Saudi-Arabien ist ganz klar, dass Menschenrechte in diesem Land nicht zählen. Gerade an den wiederholten umstrittenen Waffenexporten nach SaudiArabien zeigt sich, dass Union und FDP bei dem Thema Waffenexporte jegliches Maß verloren haben.