Ich fange beim Thema Integrationsplatz an. Herr Kollege Mick, das ist keine technische Frage. Das ist eine fundamentale Frage bei einem so fundamentalen Problem wie der Inklusion behinderter Kinder im Zeitalter der Behindertenrechtskonvention und in einem Zustand, in dem die Rahmenvereinbarung gekündigt ist. Das zeigt doch, dass hier eine gewisse Fragilität in der derzeitigen Regelung besteht.
Die Frage ist, ob es in einer solchen Situation nicht angezeigt wäre – vor dem Hintergrund, dass wir in anderen Fällen, beispielsweise bei den U-3-Kindern, Ein- bis Zweijährigen, Zwei- bis Dreijährigen, Anrechnungsfaktoren bei der Berechnung der Gruppenstärken oder der Gruppengrößen haben –, einen Anrechnungstatbestand für behinderte Kinder, landesweit und gesetzlich verankert, zu schaffen.
Der Herr Minister hat sich im Landesjugendhilfeausschuss auf die Position zurückgezogen, dass ihn das nichts ange
he. Das sagt er bei Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe relativ oft, viel zu oft. Der Kollege Rock hat gesagt, es werde deshalb nicht gemacht, weil es konnexitätsauslösend sei.
Es ist im Übrigen keine technische, sondern eine finanzielle Frage, ob man sich in diesem Bereich engagieren will oder nicht. Wir glauben, dass die Standards an dieser Stelle gesetzlich abgesichert werden sollen. Das ist der Punkt. Es geht also nicht um eine technische Frage.
Noch einmal zum Thema fachfremdes Personal. Ich habe nie behauptet, dass da flächendeckend etwas passiert. Das kann man mit den 20 % gar nicht machen, von denen nur 10 % angerechnet werden. Das haben wir auch nie behauptet. Wir sagen – und dabei bleibe ich –: Hier wird der Damm eingerissen, der die Fachkraft von der Nichtfachkraft trennt. Das ist das gefährliche prinzipielle Element in dieser Regel.
Da hilft es auch nicht weiter, dass Sie ein paar Hürden eingebaut haben. Eine Logopädin bleibt eine nicht pädagogische Fachkraft, jedenfalls im Sinne der frühkindlichen Bildung – so, wie ein Psychologe nicht ohne Weiteres als Lehrer eingesetzt werden kann, weil er eben keine Unterrichtsfachkraft ist, und vice versa. Bei diesem Beispiel käme ja auch keiner dazu, zu sagen: „Sie sind pädagogisch interessiert, und mit 200 Stunden zusätzlichem Unterricht bekommen wir das innerhalb von drei Jahren schon irgendwie hin.“ Das ist das prinzipielle Problem an dieser Stelle.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN – Judith Lannert (CDU): Sie haben sich die Bedingungen nicht angeschaut! Das Problem ist, dass Sie nicht verstehen wollen!)
Herr Präsident! Herr Mick, Sie haben gesagt, wir würden uns selber widersprechen, wenn wir sagen, für die Einkommen bekommen wir nicht die Nichtfachkräfte, die vorgesehen sind; daher würden wir hier einen Buhei um nichts machen.
Nein, so ist es nicht. Wir bekommen die, von denen Sie dauernd behaupten, dass sie erwünscht seien, nämlich höher qualifizierte Menschen mit wirklich guter Ausbildung, die in Segmenten sicherlich eine Menge guter Dinge in einer Kindertageseinrichtung leisten könnten – abgesehen davon, dass ihnen spezielle Teile der Ausbildung fehlen, sich nämlich um die Bildung kleiner Menschen zu kümmern –, deshalb nicht, weil wir zu schlechte Angebote machen. Wir werden Menschen bekommen, die weniger qualifiziert sind. In Ihrem Entwurf steht: „Personen mit fachfremder Ausbildung im In- oder Ausland, die über Erfahrung in der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern und mindestens über einen mittleren Bildungsabschluss und eine abgeschlossene Fachschulausbildung oder gleichwertige Abschlüsse verfügen,
die für die Erfüllung der Aufgabe in der Tageseinrichtung nach deren Zweckbestimmung geeignet sind, …“
In den Anmerkungen steht: 100 bzw. 200 Stunden. – Wo ist denn da eine qualitative Gleichheit mit den Erzieherinnen, die eine fünfjährige Ausbildung durchlaufen haben? Das ist der Punkt. Sie werden Menschen finden, die weniger qualifiziert sind, nicht Menschen, die höher qualifiziert sind, von denen Sie uns dauernd zu erzählen versuchen, dass das die sind, die Sie sich für die Tagesstätten wünschen. Wenn Sie Menschen mit höherer Qualifizierung haben wollen, dann müssen Sie das auch so definieren. Zurzeit haben wir aber nur eine schwammige Darstellung vorliegen, wer da als Nichtfachkraft arbeiten darf.
Sie haben offensichtlich etwas aufgeschrieben, was niemand verstehen kann. Dann ist Ihr Gesetzentwurf aber falsch und schlecht, denn ein Gesetz, das keiner begreift, ohne dass man es ihm erklärt, ist nicht sinnvoll. Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)
Frau Schott, ich möchte zunächst auf Ihre Ausführungen eingehen. Ich habe schon darauf hingewiesen: Die Initiative muss von der Einrichtung, vom Träger kommen. Da sind wir uns einig. Das haben wir in den Gesetzentwurf aufgenommen. Die Initiative muss vom Träger kommen. Das muss von einem fundierten pädagogischen Konzept begleitet sein, und die Eltern haben ein Mitspracherecht. Es wird also niemand in eine solche Einrichtung „so einfach“ hineinkommen.
Gleichzeitig haben wir eine Fachschulausbildung vorgeschrieben. Das heißt, die Qualifikationsanforderung ist nicht nach unten offen, wie hier immer wieder gesagt wird. Die Einrichtung muss den Wunsch haben, dass die Leute kommen, und die Eltern müssen diesen Wunsch haben. Dann wird es so geschehen. Zuletzt entscheidet das Jugendamt, ob eine Person wirklich qualifiziert ist und ob das pädagogische Konzept unter pädagogischen Gesichtspunkten Sinn macht oder nur der Lückenfüllung dient.
Ich glaube, das ist für die Einrichtungen eine Chance, die sich in bestimmten Bereichen spezialisieren wollen. Das muss nicht von heute auf morgen geschehen. Ich denke, wir haben viele Sicherungsmaßnahmen eingebaut, um einen Missbrauch zu verhindern. Im Gegenteil, die Qualität der Kindertagesstätten wird sich sogar verbessern, wenn
Herr Merz, es ist tatsächlich eine technische Frage. Wenn wir uns anschauen, was von der ganzen Diskussion in den Einrichtungen ankommt, sehen wir: Es ist eine technische Frage, denn es war vorher so, dass das Land eine Pauschale gezahlt hat und über die Rahmenvereinbarung die Gruppen reduziert wurden. Das Land hat seine Pauschale jetzt deutlich erhöht – das bestreiten Sie nicht –, und zwar von 1.500 auf 2.300 €. Das ist eine deutliche Erhöhung. Es gibt überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Kommunalen Spitzenverbände ihrer Verantwortung nicht gerecht würden. Wir haben sozusagen eine Zweipoligkeit: die Pauschale des Landes und die Rahmenvereinbarung über die Integrationsplätze. Diese Zweipoligkeit wird weiterhin bestehen. Es wird bei den Einrichtungen keine Verschlechterungen für Kinder mit Behinderungen geben. Im Gegenteil, es wird zu einer Verbesserung kommen. Davon bin ich fest überzeugt.
Vielen Dank, Herr Kollege Mick. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Bocklet das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, ich werde Ihnen nicht den Gefallen tun, darauf zu verzichten, Ihnen die großen Schwächen dieses Gesetzentwurfs vorzuhalten.
Wir können uns nachher gern noch über das Kleingedruckte unterhalten. Wir werden uns aber zunächst über die Frage zu unterhalten haben, warum und in welcher Zeit ein Kinderförderungsgesetz gemacht wird. Es wird in einer Zeit gemacht, in der uns in Hessen nach Ihren eigenen Angaben nach wie vor 8.000 Plätze fehlen, um den Rechtsanspruch auf Betreuung unter Dreijähriger zu erfüllen.
Nach Ihrer eigenen Berechnung, sehr geehrter Herr Sozialminister, fehlen nach wie vor weit über 1.000 Fachkräfte, Erzieherinnen und Erzieher für die Kinderbetreuungseinrichtungen. – Habe ich eben das Wort „falsch“ gehört?
Nein, genau das ist die Situation, und zwar nach Ihrer eigenen Rechnung, die Sie in Ihrer Studie von Dezember letzten Jahres angestellt haben. Herr Minister, ich merke, dass Sie nervös werden. Daher weiß ich, dass wir Sie am richtigen Punkt getroffen haben.
Ich weiß, wie man Sie weckt. Jetzt werden Sie richtig fuchsig. Das ist auch richtig so, weil Sie fünf Jahre lang um den Fachkräftebedarf wussten. Sie haben den Teufel getan, diesen Mangel zu beheben. Das ist der eigentliche Skandal.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zurufe von der FDP)
Ich zitiere aus einem Protokoll vom Mai 2009. Der damalige Minister, Herrn Banzer – er sitzt ja noch hier –, hat uns damals vorgeworfen, das seien Katastrophenszenarios – –
Er hat damals gesagt, er halte nichts von Katastrophenszenarios und Alarmsignalen. Frau Wiesmann hat ergänzt, dass sei Alarmismus. Diese Diskussion fand im Jahre 2009 statt, vor vier Jahren. Damals hätte man noch etwas retten können, hätte man den Fachkräftemangel noch beheben können. Sie haben kläglich versagt. Das ist das Ergebnis, das man im Entwurf zum Hessischen Kinderförderungsgesetz wiederfindet.
Sie müssen nun beim Fachkräftebedarf panikartig eine Lösung finden, damit Kindertageseinrichtungen überhaupt noch in die Lage versetzt werden, Beschäftigte einzustellen.
Das ist der ausschließliche Grund, warum Sie „flexibilisieren“ bzw. – wie wir es sagen – Qualitätsstandards zur Disposition stellen. Die Verantwortung dafür tragen Sie, niemand anders.