Protocol of the Session on February 28, 2013

Lieber Herr Kollege, das ist kein parlamentarischer Ausdruck. Bitte lassen Sie die Kollegin in ihrer Rede fortfahren. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Sie scheinen es schwer nötig zu haben, dazwischenzuquaken, weil in Hessen landauf, landab Kritik an dem geübt wird, was Sie tun, und wir das hier zum Ausdruck bringen.

(Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich habe Äußerungen von Abgeordneten Ihrer Fraktionen gehört, die da lauteten: Wir werden Ihre Kritik mit ins Parlament nehmen. Wir werden Ihre Anregungen überdenken. Wir werden noch einmal nachschauen, ob wir an bestimm

ten Stellen nachbessern. – Solche Äußerungen habe ich gehört.

(Zuruf von der CDU: Dafür machen wir eine Anhö- rung!)

Das alles strafen Sie Lügen mit dem, was Sie heute machen, indem Sie sich hierhin stellen und sagen, alles sei gut. Sie sind nicht einmal in der Lage, zu sagen: Es gibt enorme Schwachstellen in diesem Gesetz, und an denen müssen wir dringend nacharbeiten.

Was die Anhörung anbelangt: Wir haben hohe Stapel von Anhörungsunterlagen, und das schon seit Tagen. Die könnten Sie gelesen haben. Ich habe sie schon einmal gescannt: Darin wird kein gutes Haar an Ihrem Entwurf gelassen. Selbst die kommunale Familie, die es an Stellen begrüßt, räumt ein, dass sie es wegen der Finanznot und wegen der Personalnot begrüßt. – Das ist doch die Wahrheit, die dahintersteckt, wenn irgendjemand überhaupt sagt, etwas an diesem Gesetz sei gut.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Sie haben vorhin gesagt, Eltern dürften mitreden, dies sei einer der tollen neuen Vorteile Ihres Gesetzes. – Ja, das stimmt. Eltern dürfen mitreden. Aber die Erzieherinnen und Erzieher haben in ihrem Stellenplan keine Zeit, um mit den Eltern zu reden.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Wo soll denn dieses Mitreden stattfinden, wenn Sie denen, die professionell mit den Eltern reden sollen, in ihrer Arbeit überhaupt keine Zeit dafür einräumen? Das ist doch unglaublich.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kommen.

Danke schön. Ich komme auch gleich zum Ende. – Sie sagen, wo Eltern und Träger das wollen, kann fachfremdes Personal eingestellt werden. Ja, wenn wir irgendwann vor der Frage stehen, ob die Einrichtung geschlossen wird oder wir fachfremdes Personal akzeptieren, wird jeder, glaube ich, fachfremdes Personal in Anspruch nehmen wollen. Wenn man die Karre so weit vor die Wand fährt, dass nichts mehr zu retten ist, dann greift man nach jedem Notnagel. Genau das ist Ihr Gesetzentwurf. Ziehen Sie ihn zurück.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Wiesmann von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt, ich verstehe die Aufregung in Ihren Worten gar nicht richtig. Ich möchte mich bedanken bei Herrn Kolle

gen Mick, der aus meiner Sicht sehr umfassend und ruhig vorgetragen hat, was dieses Gesetz auszeichnet.

Wir sind an einer sachlichen Diskussion sehr interessiert. Wir verstehen die Sorgen und Nöte auch von Betroffenen. Wir freuen uns auch über Interesse an unserer Politik. Aber das, was Sie auf dieser Seite des Hauses mit diesen Vorschlägen machen, ist unsachlich und dient nicht der vertieften inhaltlichen Diskussion.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Kinderförderungsgesetz lässt sich auf eine einfache Formel bringen. Die einen wollen mehr Geld, die anderen mehr Qualität, und viele sogar beides. Das Kinderförderungsgesetz bringt auch beides. Es bringt mehr Geld, und es bringt mehr Qualität. Es bringt sogar noch etwas, etwas sehr Wichtiges: Es bringt auch mehr Gerechtigkeit.

(Beifall des Abg. Tobias Utter (CDU))

Aber das ist für die Opposition offensichtlich eine Nebensächlichkeit. Sie erwähnt es nicht.

Eines nach dem anderen: mehr Geld. Es ist schon viel dazu gesagt worden. Ich möchte trotzdem noch einmal auf die Zahlenreihe hinweisen. 1999 gab es 75 Millionen € für frühkindliche Bildung. 2006 erwähne ich der Fairness halber: 100 Millionen €. 2012 waren es 355 Millionen €, und ab 2014 werden es über fünf Jahre im Schnitt 425 Millionen € sein. Das ist eine großartige Steigerung für eine wichtige und gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schon bisher ist es eine gigantische Steigerung, und jetzt legen wir noch etwas drauf, obwohl es schwerfällt. Das zeigt, das Land Hessen kommt seiner Verantwortung vorbildlich nach.

Zweitens: mehr Qualität. Hier wird es spannend. Sie behaupten: Spargesetz, Absenkung der Standards, Flexibilisierung auf dem Rücken der Kinder usw. Ich sage: Die Mindestverordnung war ein guter erster Schritt. Der hier definierte Mindeststandard wird bis heute in etwa zwei Dritteln der hessischen Kitas erfüllt oder übertroffen. Mit dem KiföG wird er jetzt verbindlich hessenweit eingeführt. Dann gelten überall die anspruchsvollen Personalschlüssel – Sie kennen die Details.

Durch erstmalige Berücksichtigung von Ausfallzeiten gibt es sogar noch mehr Personal in die Gruppen, und zwar unabhängig von der Gruppengröße. Jedes Kind bringt seinen Mindestanteil Fachkraft mit. Das ist eine Errungenschaft, genau wie die Qualitätspauschale von 100 €, die auch schon erwähnt worden ist. Sie haben wie wir oft beklagt, dass der Bildungs- und Erziehungsplan noch nicht überall zur bindenden Grundlage für die Arbeit der Betreuungseinrichtungen geworden sei. Mittlerweile arbeiten 2.000 von 4.000 Einrichtungen in Hessen nach dem Bildungs- und Erziehungsplan. Diese Pauschale ist ein guter Hebel, um die Umsetzung des Plans weiter voranzubringen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mehr Qualität kommt auch in die Tagespflege: 160 Unterrichtsstunden Grundqualifizierung statt wie bisher 45. So wird die Tagespflege ein gleichberechtigter Bildungsort, wie wir uns das wünschen.

Schließlich: mehr Gerechtigkeit. Ja, zum einen gilt die neue Fördersystematik demnächst hessenweit. Jedes Kind in jeder Kita ist nach der neuen Förderlogik dem Land

gleich viel wert. Es ist Schluss mit der hier vielfach kritisierten Ungleichbehandlung der Vorreiterkommunen gegenüber den Nachzüglern in Sachen MVO. Zum anderen werden Kinder mit Startschwierigkeiten, wo sie – migrationsbedingt oder aufgrund sozialer Benachteiligung – einen erheblichen Anteil der betreuten Kinder ausmachen, zusätzlich gefördert. Das ist ein Beitrag zur Förder- und zur Bildungsgerechtigkeit in diesem Land. Das könnten Sie einmal anerkennen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen, dies ist ein Beispiel für gute Gesetzgebung. Sie kann aber noch besser werden – das habe ich schon bei der Einbringung gesagt –, wenn wir im Sinne der Kinder und der Gerechtigkeit alle sachlich weiter diskutieren. Wir werden sehr gut zuhören. Ich freue mich auf die Anhörung. Ich gehe auch sehr gerne zu all den engagierten Leuten draußen, die vielleicht noch nicht alles verstanden haben oder Bedenken haben. Ich höre auch sehr genau zu.

Ich kann nur noch ganz kurz auf die vorgebrachte Kritik eingehen. Ich will insbesondere erwähnen, was der Kollege Bocklet hier eingeführt hat: die Grundschulkinder. Ich kann nur fragen: Wo werden in diesem Land die Grundschulkinder vernachlässigt? Die bestehende Hortförderung genießt weiterhin Bestandsschutz. Schulkinder in altersgemischten Gruppen werden gefördert, sogar mit höheren Pauschalen. Der Rest passiert im Rahmen des Ganztagsschulausbaus. 750 zusätzliche Stellen für ganztägige Schulen gab es allein in dieser Legislaturperiode, und sie fließen zu erheblichen Teilen in Grundschulen.

95 % der hessischen Grundschulen haben heute ein auch vom Land gefördertes Betreuungsangebot am Nachmittag. Ich stelle fest, die Opposition erhebt jede Forderung an jeder Stelle, also mehrfach, egal gegen welchen Etat, gegen den Schuletat, gegen den Sozialetat, völlig egal. Wir bemühen uns verantwortungsbewusst, den Euro nur einmal auszugeben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Über 190 Millionen € für Biblis!)

Wir kommen heute Nachmittag noch zu den Details. – Meine Damen und Herren, die Opposition macht viel Wahlkampf in diesen Tagen. Es ist ihr gutes Recht. Dann kommen Sie wieder mit Ihrem Running Gag: Ein Gipfel muss her, der alle Fragen klärt.

Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede, Frau Kollegin.

Ich sage: Wir haben ein gutes Gesetz in einem guten Verfahren eingebracht. Wir sind doch stolz, Parlamentarier zu sein. Bringen wir es auf einen guten Weg. Diskutieren wir ehrlich miteinander in der Sache, wie es sich gehört: heute, im Ausschuss, in der Anhörung, noch einmal im Plenum.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Und auf der Straße!)

Dann haben wir auch ein gutes Ergebnis. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wiesmann. – Als nächster Redner hat sich Herr Kollege Merz von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon ungewöhnlich, dass man quasi eine anderthalbte Lesung eines Gesetzes hat. Aber da es nun so ist und sogar zweimal, habe ich meine Redezeit so eingeteilt, dass ich in der Sache nachher sprechen werde, wenn wir beim Setzpunkt der LINKEN mehr Zeit haben, und dass ich jetzt auf die Debatte selbst eingehen werde. Denn diese Aktuelle Stunde ist nur verständlich vor dem Hintergrund der fortgesetzten Panikattacken, in die die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP ganz offensichtlich angesichts des Protestes, der landauf, landab tobt, geraten sind.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben zu Panikattacken auch allen Grund. Ich war am Montag vor acht Tagen auf einer der vielen Veranstaltungen, die ich mittlerweile auch mache, d. h. seit Ende November mache.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Also doch!)

Bei dieser Veranstaltung in Wiesbaden hat eine Teilnehmerin, eine maßgebliche Vertreterin eines führenden Wohlfahrtsverbandes, gesagt: Ich verstehe nicht, warum CDU und FDP diesen Gesetzentwurf jetzt einbringen. Wollen die eigentlich nicht mehr gewählt werden?

Meine Damen und Herren, nun kümmert es mich nicht wirklich, ob Sie wiedergewählt werden wollen. Ich stelle fest, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf viel dazu tun, nicht mehr gewählt zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)