Protocol of the Session on February 27, 2013

Nachdem ich das vorausgeschickt habe, müssen wir uns einmal betrachten, wie die Situation in den USA ist, wo, wie übrigens auch in Niedersachsen, Fracking seit Jahrzehnten angewandt wird. Der Präsident sagt selbst, durch die unkonventionelle Erdgasförderung sind 600.000 neue Jobs entstanden. Die Ölimporte sind im vergangenen Jahr täglich um 1 Million Fässer verringert worden. Der Ölpreis ist seit 2008 um zwei Drittel gesunken.

Der Kohlendioxidausstoß ist durch die frackingbedingte Ausmusterung von alten Kohlekraftwerken seit 2007 um fast 10 % gesunken. Sie vergessen häufig, dass es dabei auch um die CO2-Diskussion geht. Seit 20 Jahren waren die USA nicht mehr so unabhängig von ausländischem Öl wie heute. North Dakota – dort, wo Fracking am meisten angewandt wird – ist von einem armen Präriestaat zu einem der wohlhabendsten US-Staaten geworden. Allerdings betone ich ausdrücklich, dass ich Nordhessen nicht mit North Dakota vergleichen will.

(Heiterkeit bei der FDP)

Die Zahl der Bohrungen liegt in den USA bei 40.000. Diese Zahl werden wir hier natürlich nicht erreichen.

Wie sieht die Situation in Deutschland aus? Es gibt zwei Unternehmen, die sich wesentlich an der Aufsuchung beteiligen wollen. Neben BNK, die sich bei uns im Umweltausschuss vorgestellt und einen Vortrag gehalten haben – übrigens auch über die Zusammensetzung der Frackingflüssigkeiten –, sind es in erster Linie Wintershall, ein deutsches Unternehmen, das zu BASF gehört, und ExxonMobil, die hier tätig sind.

Wintershall arbeitet damit bereits in Russland, in Argentinien und in den Niederlanden. ExxonMobil hat sechs Erkundungsbohrungen für Schiefergas fertiggestellt: Fünf davon haben in Niedersachsen stattgefunden, drei weitere sind dort geplant, und jüngst ist von Frau Kraft auch eine in NRW genehmigt worden. Darum kommt man nicht herum. Was das Kohleflözgas betrifft, so sind zwei Bohrungen in Niedersachsen und eine in NRW beantragt worden. Wir befinden uns also bereits im Aufsuchungsverfahren, und das in einem nicht gerade geringen Umfang.

Das förderbare Vorkommen wird auf 0,7 bis 2,3 Millionen m³ Erdgas geschätzt. Wir verbrauchen 84 Milliarden m³ pro Jahr. Wir können nicht mehr die Augen davor verschließen, dass die erreichbare Menge so groß ist, dass sich Fracking lohnen könnte.

Aufgrund dieser Erkenntnisse, die allen zugänglich sind, haben wir, die FDP-Fraktion, recht frühzeitig, nämlich bevor die emotionale Diskussion losging,

(Timon Gremmels (SPD): Bevor die Fakten kamen!)

einen Beschluss gefasst: Wir haben gesagt, wir erachten es als notwendig, dass im Sinne eines Bekenntnisses zugunsten neuer Technologien und einer vernünftigen Ressourcenbewirtschaftung eine von Objektivität und Sachlichkeit getragene Herangehensweise vor voreiligen und unumkehrbaren Beschlüssen steht. Dabei ist zu beachten, dass die Hebung eigener Vorkommen durch alternative Fördertechnologien einen wichtigen Beitrag zur unabhängigen und sicheren Versorgung mit Rohstoffen – in Hessen beispielsweise mit Erdgas – leisten kann.

Wir haben weiter betont, dass im Rahmen einer unkonventionellen Förderung von Erdgas der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, der Schutz der Umwelt sowie der Schutz von Grund- und Oberflächenwasser gewahrt bleiben müssen. Beim Hydraulic Fracturing – kurz „Fracking“ genannt – dürfen keine umwelttoxischen Gefahren entstehen. Die FDP-Fraktion befürwortet deswegen eine hessenspezifische, unabhängige Auswertung des Gutachtens des Umweltbundesamts durch das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie – unser berühmtes HLUG.

Wir stellen weiterhin fest, dass das Hydraulic-FracturingFörderverfahren in Wasserschutz-, in Trinkwassergewinnungs- und in Heilquellengebieten nach wasserrechtlichen Vorgaben bereits jetzt grundsätzlich nicht genehmigungsfähig ist und dass dies auch in Zukunft so bleiben soll. Insofern wissen wir heute schon, dass der Verordnungsentwurf, den ich gleich noch einmal hervorholen werde, deklaratorische Wirkung hat.

Des Weiteren sagen wir, wenn ein Antrag auf eine Aufsuchungserlaubnis ein Verfahren nach geltendem Bergrecht darstellt: Das ist geltendes Bergrecht, und das Aufsuchungsverfahren kann nicht verboten werden. Das gesamte Genehmigungsverfahren ist nach rechtsstaatlichen Prinzipien durchzuführen. Die in der Öffentlichkeit bestehenden Ängste und Bedenken allein können keine Gründe sein, einen Antrag auf Aufsuchung abzulehnen. Vielmehr hat sich die Entscheidung nach dem jeweils neuesten Stand von Wissenschaft und Technik und den bekannten Risiken in Abwägung mit den Sicherungssystemen zu richten.

Wir sprechen uns weiterhin unabhängig von derzeit in Hessen anhängigen Verfahren dafür aus, die Umweltverträglichkeitsprüfung zukünftig als Voraussetzung für die Genehmigung eines Betriebsplanverfahrens bzw. Aufsuchungsverfahrens bei Frackingvorhaben zu verankern. Dementsprechend ist die Öffentlichkeit nach den Regeln des Umweltinformationsgesetzes frühzeitig und umfassend über die Chancen und Risiken sowie über umweltverträgliche Möglichkeiten der Gasgewinnung aus unkonventionellen Lagerstätten zu informieren.

Wir fordern darüber hinaus den Erlass einer technischen Richtlinie, an der sich die zulässigen Maßnahmen zur unkonventionellen Gasförderung ausrichten lassen. Im Rahmen von Genehmigungsverfahren sind fortlaufend und unmittelbar die neuesten Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung zu berücksichtigen. Wir erwarten von der Erdöl- und der Erdgasförderindustrie, dass sie zukünftig Frackingflüssigkeiten mit geringer Umweltbelastung entwickeln und einsetzen.

(Timon Gremmels (SPD): Gering! Was ist mit „gering“ gemeint, Herr Sürmann?)

Ziel muss die Entwicklung von Frackingflüssigkeiten ohne jede Umweltbelastung sein: das sogenannte Clean Fracking. Wir halten deshalb die Forschungsarbeit an Frackingverfahren ohne chemische Additive für unerlässlich, und wir unterstützen dies ausdrücklich.

Die FDP-Fraktion fordert die Offenlegung aller Bestandteile der eingesetzten Frackingflüssigkeiten, bis Fracking ohne chemische Additive technisch und wirtschaftlich umgesetzt werden kann. Dies haben wir im Januar 2013 gefordert, als noch keiner darüber diskutiert hat.

Unter diesen Voraussetzungen, die ich gerade beschrieben habe, wäre es unverantwortlich, nicht einmal den Versuch

zu unternehmen, zu schauen, was da unten los ist und wie ich das herausholen kann, damit Deutschland nicht davon abhängig ist, ob eine Firma Gazprom sagt: Wir drehen euch den Hahn auf oder ab.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Peter Stephan (CDU) – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Frau Dorn hat es richtig beschrieben. Sie haben kritisch bemerkt, CDU und FDP würden Gas geben im Hinblick auf das, was in Berlin passiert ist. Ja, wir schaffen die Voraussetzungen dafür, dass wir Gas geben können. Das ist auch richtig so.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wahnsinn! – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Herr Gremmels rühmt sich damit, aufgrund der Anfrage der SPD-Fraktion durch Herrn Lotz Angst und Schrecken hervorgerufen zu haben.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Was Sie in Nordhessen gemacht haben, ist unverantwortlich: Ängste zu schüren,

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

zu unterstützen und den Leuten zu erzählen, dass beispielsweise in den USA

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD) – Gegenruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP))

Leute tot wären, nur weil dort Fracking stattfindet. Was Sie da machen, ist nicht in Ordnung. Das ist ein Verwischen. Das ist Politik zum Nachteil von Deutschland, zum Nachteil von Hessen.

(Beifall bei der FDP – Timon Gremmels (SPD): Unglaublich!)

Schauen Sie sich an, worauf sich Herr Altmaier und Herr Rösler geeinigt haben. Sie haben anhand der bestehenden Gesetzeslage eingefügt, dass, deklaratorisch gesehen, in Wasserschutzgebieten, in Heilquellenschutzgebieten und in Trinkwassergewinnungsgebieten Fracking verboten ist.

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD) – Gegenruf des Abg. Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Deklaratorisch!)

Das ist auch richtig und vernünftig. In den Änderungen ist eingefügt worden, dass sämtliche Frackingmethoden der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen und diese auch stattfinden muss. Auch das, was Frau Dorn vom Platz aus gerufen hat, muss man berücksichtigen: Fracking findet bereits bei Geothermie statt. Auch dort wird in großen Tiefen Gestein aufgesprengt, um Wärme herauszuholen.

(Zurufe der Abg. Angela Dorn und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Auch da wird diese Flüssigkeit hineingetan. Keiner von Ihnen, außer die schwarz-gelbe Regierung, hat erkannt, dass auch dafür eine Umweltverträglichkeitsprüfung vonnöten ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben das gemacht und nicht Grün und Rot. Also verstecken Sie sich bitte nicht dahinter, Sie seien die große umweltrettende Partei. Sie haben gar nichts getan.

(Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben keine Ahnung, von was Sie reden! – Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

Sie haben die Geothermie hochgelobt und vergessen, dass genau diese Technologie dort Anwendung findet. Das kann auch Anwendung finden, wenn die Voraussetzungen zutreffen, wie sie jetzt bundesweit festgelegt worden sind.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bitte Sie darum, den Leuten nicht die Unwahrheit zu sagen, sondern klar zu sagen: Hier sind die Chancen. Die Risiken sind beherrschbar, wenn man so vorgeht, wie wir das vorgeschlagen haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wissen Sie doch gar nicht!)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Puttrich.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der SPD und den GRÜNEN sehr dankbar, dass heute dieser Setzpunkt stattfindet, weil dadurch die Gelegenheit besteht, dieses Thema in dieser Form klarzustellen und, Herr Gremmels, Ihrer ungeheuerlichen Unterstellung, dass auf Zeit gespielt würde, entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich möchte hier das eine oder andere vom zeitlichen Ablauf klarstellen. Unsere Position ist sehr klar und sehr eindeutig.

Im Rahmen der Umweltministerkonferenz am 21. Juni vergangenen Jahres hat Hessen, übrigens als erstes Land im Rahmen der Umweltministerkonferenz, das Thema Fracking auf die Tagesordnung gebracht. Wir haben am 21.06. einen Antrag von Hessen – wie gesagt: der erste in dieser Runde zum Thema Fracking – verabschiedet, in dem wir darum gebeten hatten, dass die Ergebnisse der von Frau Dorn angesprochenen Untersuchung, die von Bundesseite in Auftrag gegeben wurde, nämlich vom Umweltbundesamt, im Hinblick auf eine Risikobewertung, Handlungsempfehlungen, bestehende rechtliche Regelungen und Verwaltungsstrukturen ausgewertet werden. Diese sollten aus dem Gutachten herausgearbeitet und uns vorgelegt werden.

Auf dieser UMK hatten wir aufgrund des Antrags von Hessen ergänzend einen gemeinsamen Antrag aller Umweltminister verabschiedet, in dem ein Frackingverbot in Trinkwasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie Öffentlichkeitsbeteiligung vereinbart wurden. Das war die erste hessische Aktivität.

Die zweite hessische Aktivität war die Umweltministerkonferenz am 15.11. Da haben wir erneut einen Antrag für die Umweltministerkonferenz gestellt, in dem wir uns klar

dafür ausgesprochen haben, dass eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden sollen. Es gab zwei Anträge zum Thema Fracking bei der UMK, einer von Nordrhein-Westfalen. Es wurde dann ein gemeinsamer Antrag daraus gemacht. Die verschiedenen Bestandteile der Anträge wurden zusammengeführt. Am Ende kam ein Antrag heraus, der von allen getragen wurde, in dem man sich klar gegen ein Fracking mit umwelttoxischen Substanzen ausgesprochen hat. Das ist der Beschluss der Umweltministerkonferenz.