Verfahrensablaufs unter Berücksichtigung der bereits ergangenen Gerichtsurteile und der vorgelegten Akten vorgenommen.
Meine Damen und Herren, um es vorweg zu sagen – das steht für mich fest –: Ministerpräsident Bouffier und Innenminister Rhein haben wissentlich und massiv gegen Recht und Verfassung verstoßen.
Sie haben wissentlich hohe Schäden für das Land Hessen in Kauf genommen, und sie haben Parlament und Öffentlichkeit mehrmals mit Falschaussagen hinters Licht geführt.
Deshalb: Hätten Ministerpräsident Bouffier und Innenminister Rhein nur einen Rest von politischem Anstand, dann würden sie noch heute zurücktreten.
In allen anderen Bundesländern sind Minister schon aus geringerem Anlass zurückgetreten. Nur in Hessen glauben CDU und FDP offensichtlich, sie könnten einfach alles aussitzen.
(Janine Wissler (DIE LINKE): So etwas geht nur in Hessen! – Dr. Thomas Spies (SPD): Denen gehört das Land!)
Meine Behauptung belege ich wie folgt: Auf Initiative der LINKEN konnten die Beurteilungsgrundlagen durch zwei Rechtsgutachten entscheidend erweitert werden. Zwar wurde ein Antrag der LINKEN auf Erstellung eines unabhängigen Rechtsgutachtens von der schwarz-gelben Ausschussmehrheit abgelehnt, aber inhaltlich von Rot-Grün übernommen und vor dem Staatsgerichtshof erfolgreich eingeklagt. Da DIE LINKE zwischenzeitlich bereits ein eigenes Fachgutachten eingeholt hatte und dies in das Verfahren einbrachte, standen dem Ausschuss letztendlich zwei Gutachten mit in den zentralen Punkten übereinstimmenden Ergebnissen zur Verfügung. Beide Gutachter kamen in den entscheidenden Fragen zu gleichen Ergebnissen, nämlich dass beim zweiten entscheidenden Auswahlverfahren gravierende Verstöße gegen einschlägige Rechtsnormen und sogar die Verfassung vorliegen.
Im Fazit des Gutachtens des von unserer Fraktion beauftragten Verwaltungsjuristen Rechtsanwalt Strauch heißt es – ich zitiere –:
17 mehr oder weniger schwere Verfahrensverstöße belegen, dass nicht nur eine rechtswidrige Ernennung Langeckers vorgelegen hat, sondern eine zielgerichtete verfassungswidrige Ämterpatronage zugunsten Langeckers. Die Bewerbungsrechte Ritters sind gravierend verletzt worden.
Im Gutachten des einstimmig vom Untersuchungsausschuss beauftragten Verwaltungsjuristen, Herrn Prof. Pechstein, heißt es – ich zitiere –:
Die Verfahrensmängel haben dazu geführt, dass die Auswahlentscheidung zugunsten Langeckers eindeutig rechtswidrig war.
Bei diesen Verstößen geht es z. B. um nicht geschlossene Beurteilungslücken und um die Verletzung der Dokumentationspflicht, die bei einem Prozess zur Beweislastumkehr zulasten des Landes Hessen führen würde. Allein dieser Sachverhalt wird dazu führen, dass der unterlegene Bewerber Ritter beste Aussichten hat, seinen bereits angestrengten Schadenersatzprozess zu gewinnen.
Ferner wurde von den Gutachtern übereinstimmend konstatiert, dass der von Staatssekretär Rhein behauptete angebliche Bewerbungsverzicht Ritters nicht stattgefunden hat. Der Gutachter, Herr Prof. Pechstein, spricht in diesem Zusammenhang von einer – ich zitiere – „nicht nachvollziehbaren Fehleinschätzung Rheins“.
Um auf Nummer sicher zu gehen, haben der damaligen Innenminister Bouffier und sein Staatssekretär Rhein nicht nur ein angeblich freiwilliges Ausscheiden des Bewerbers Ritters aus dem Auswahlverfahren konstruiert, sondern auch noch dafür gesorgt, dass er auf keinen Fall noch einmal mit einer Konkurrentenklage vor den Verwaltungsgerichtshof ziehen konnte. Ein unterlegener Bewerber hat aber nach den einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften nach Abschluss des Verfahrens einen garantierten Rechtsschutz. Ihm muss eine 14-tägige Frist eingeräumt werden, die Auswahlentscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen.
Genau dieses Recht soll politische Ämterpatronage im öffentlichen Dienst verhindern. Diese Frist wurde in der Vergangenheit auch im Innenministerium bei allen Verfahren strikt beachtet. Es gibt dazu sogar eine formalisierte Mitteilung, die in anderen Bewerbungsverfahren immer an die unterlegenen Bewerber gesandt wurde. Sie enthält sogar den Hinweis auf die 14-Tage-Frist für eine Konkurrentenklage.
Dass der unterlegene Bewerber Ritter erst nach der Übergabe der Ernennungsurkunde an Langecker informiert wurde und dass die Ernennung zudem eiligst am nächsten Morgen nach der ebenso eiligst außerhalb der Tagesordnung durchgezogenen Entscheidung des Kabinetts erfolgte, lässt, wie die Juristen sagen, bei einem verständigen Bürger nur den Schluss zu, dass hier bewusst und gewollt gegen Recht und Verfassung verstoßen wurde.
Weil aber mit der Übergabe der Ernennungsurkunde keine Konkurrentenklage mehr möglich ist – das lernt übrigens jeder Verwaltungsbeamte im Grundlehrgang –, konnte das von Ritter noch an demselben Tag angerufene Verwaltungsgericht nur noch in seiner Kostenentscheidung feststellen, dass hier gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde. Es hat deshalb dem Land alle Kosten des Verfahrens übertragen.
Eigentlich hätte das Innenministerium diese erschütternde Entscheidung anfechten müssen. Es tat dies aber nicht, denn dann wäre der ganze Schwindel aufgeflogen.
Herr Prof. Pechstein wies in seinem Gutachten auch auf hohe Schadenersatzansprüche hin, die das Ministerium selbst auf rund 100.000 € beziffert hat, und attestierte dem unterlegenen Bewerber Ritter hohe Erfolgsaussichten. Ferner wies er auf die Möglichkeit einer nachträglichen Amtsenthebung des erfolgreichen Bewerbers Langecker hin. Er ging allerdings davon aus, dass dieser Rechtsschutz bereits verfristet sei. Erst durch das von uns vorgelegte Widerspruchsschreiben wurde klar, dass die Schadenersatzansprüche nicht verjährt sind.
Herr Bellino, mit dieser Vorlage konnten wir auch aufdecken, dass dem Untersuchungsausschuss 18/2 nicht alle Unterlagen aus dem Ministerium vorgelegt wurden. Sie mussten nachgereicht werden und brachten weiteres Licht in die dunklen Gänge des Innenministeriums. In diesen weiteren Akten befand sich auch eine bereits im Herbst 2009 erstellte und bis Anfang 2010 mehrfach besprochene interne Stellungnahme der Rechtsabteilung des Innenministeriums.
Herr Bellino, das Ministerium kam darin, lange bevor all dieser Schwindel öffentlich wurde, zu genau denselben Schlüssen wie das Verwaltungsgericht und später die beiden Fachgutachter. Die eigene Fachabteilung des Ministeriums konstatierte schwere Rechtsverstöße im Verfahren, berechnete die Schadenssumme, falls es zu einem Prozess kommen würde, und warnte vor großem politischen Schaden. In keiner der mehreren Überarbeitungen, auch nicht in der, die von Bouffier und Rhein vorgenommen wurde, wird auf die angeblich so simple Tatsache hingewiesen, Ritter habe seine Bewerbung zurückgezogen.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss meiner Rede. – Bouffier, Rhein und die leitenden Mitarbeiter entschieden stattdessen, dass Ritter dann eben klagen müsse und deshalb eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit vorbereitet werden müsse.
Zwei Gerichtsurteile, zwei Fachgutachten, die Stellungnahme des Ministeriums und die Antwort an Ritter – in all dem kommt man zu dem klaren Ergebnis, dass grobe Rechts- und Verfassungsverstöße vorliegen und dass es einen hohen Schaden für das Land gegeben hat. Auf keinem Papier gibt es eine Dokumentation dieses zweiten angeblichen Bewerbungsverfahrens. Herr Minister Rhein und Herr Ministerpräsident Bouffier, ich fordere Sie noch einmal auf, zurückzutreten.
Herr Kollege Schaus, schönen Dank. – Für die CDU-Fraktion erhält jetzt Herr Kollege Bellino das Wort. Herr Bellino, bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute endlich einen Schlussstrich unter diesen Untersuchungsausschuss ziehen, sollten wir auf Klamauk und Polemisierung verzichten
und der interessierten Öffentlichkeit darlegen, wie sich der Sachverhalt wirklich darstellt, auch wenn manch einer von Ihnen am Ende einräumen muss, dass er sich getäuscht hat. Denn eines steht fest und wird heute von niemandem mehr bestritten: Der Bewerber Hans Langecker wurde von allen Fachleuten in der Polizei und im Ministerium als der eindeutig beste Bewerber eingestuft. Daran gibt es keinen Zweifel.
Das ist es doch, worum es geht. Der beste Bewerber ist völlig zu Recht zum Präsidenten der hessischen Bereitschaftspolizei ernannt worden.
Wie sah die Ausgangslage im Jahr 2010 aus? Drei erfahrene Beamte bewerben sich um die Nachfolge als Präsident der Bereitschaftspolizei. Obwohl bei solchen Positionen keine öffentliche Ausschreibung erforderlich ist, wurde sie vorgenommen. Der damalige Innenminister machte das freiwillig auf Wunsch des damaligen potenziellen Bewerbers Ritter. Dies widersprach der jahrzehntelangen Praxis in Hessen und auch der Praxis in anderen Bundesländern und war ein klares Entgegenkommen.
Ein ordentliches Auswahlverfahren wurde durchgeführt. Es kommt zu einem klaren, eindeutigen Ergebnis. Der Bewerber Langecker kam auf Platz eins, Bewerber Ritter kam auf Platz drei. Der zweitplatzierte Bewerber, von dem hier niemand spricht, akzeptiert diese Entscheidung und zieht seine Bewerbung zurück. Der Bewerber Ritter, der mit Abstand als schlechtester aus dem Rennen ging, klagt.
Deshalb kam es zu der Entscheidung der Hausspitze, ein zweites Verfahren vorzunehmen. Hier kommt es erneut zum Votum für Hans Langecker. All das, was ich hier anführe, können Sie in den öffentlich zugänglichen Protokollen nachlesen.
Wichtig ist hierbei, dass dieses klare Votum nicht vom Minister oder anderen Politikern ausgesprochen wurde, sondern durch die Fachleute aus dem Ministerium und aus dem Landespolizeipräsidium. Wichtig ist auch, dass die Entscheidung ganz eindeutig war und dass man bei den Fachleuten teilweise überrascht war, wie wenig vorbereitet und motiviert sich der Kandidat, der sich heute beschwert, dort präsentierte.
Dem unterlegenen Bewerber wird die Entscheidung durch Staatsminister Rhein mitgeteilt. Im weiteren Verlauf dieses Gesprächs erklärt sich Ritter mit der Suche nach einer anderen Verwendung einverstanden. Dies wird später auch von Ritters Anwalt bestätigt. Es müsse nicht der Posten des Chefs der Bereitschaftspolizei sein. Es gehe um eine B-4-Stelle, gegebenenfalls könne man auch eine B-2-Stelle hochstufen. Das war die Motivationslage.
In der Folge wird Langecker ernannt. Später gibt es unterschiedliche Aussagen zum Verlauf des Gesprächs zwischen dem Staatssekretär und Herrn Ritter. Mehr als ein Jahr später kommt es zur Schadenersatzklage. Ein Untersuchungsausschuss nimmt seine Arbeit auf und benötigt 32 Sitzungen, mehr als zweieinhalb Jahre und rund eine halbe Million Euro Steuergelder, bis auch die Opposition lückenlos alle Beweismittel zur Kenntnis genommen hat. Insgesamt wurden 25 Zeugen, manche sogar mehrfach, vernommen.