Protocol of the Session on January 31, 2013

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um Dokumentationsmängel. Es gibt zwischen Februar und Anfang Juli 2009 gar keine Dokumente – also ein Dokumentationsausfall.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wissen Sie, man hat schon einmal davon gehört, dass irgendwo Akten geschreddert wurden. Aber dass gar keine Akten angelegt wurden, ist selbst in Hessen eine neue Stufe des Regelbruchs.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Ich darf daran erinnern, dass Herr Prof. Dr. Pechstein dies als Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes, als Verfassungsverstoß wertete.

(Heike Hofmann (SPD): Hört, hört!)

Und das war der für Beamtenrecht zuständige Minister, der hierfür verantwortlich gewesen ist. Meine Damen und Herren, jeder kleine Beamte in Hessen, der gegen das Gesetz verstößt, wird sofort vom Dienst suspendiert. Und Volker Bouffier? Welches Vorbild gibt der Ministerpräsident denn ab, wenn er aus diesem eigenen Fehlverhalten keine Konsequenzen zieht?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Herr Ministerpräsident, haben Sie sich eigentlich nie gefragt, warum es so viele Untersuchungsausschüsse gegen Sie gibt? Was für ein Vorbild für die gesamte Landesverwaltung sind Sie?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wie ging es nach der Kabinettsentscheidung im Juli 2009 weiter?

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ich weiß, es tut weh, Herr Bellino.

Am 6. Juli 2009 tagte das Kabinett, und am nächsten Morgen um 8 Uhr wurde Herrn Langecker bereits die Ernennungsurkunde ausgehändigt. Der unterlegene Bewerber wurde eine halbe Stunde später darüber informiert, dass Herrn Langecker die Urkunde ausgehändigt wurde.

(Günter Rudolph (SPD): Ziemlich schäbig!)

Dieser ging sofort zum Gericht und hat einen Stoppantrag gestellt, der deshalb vom Verwaltungsgericht abgelehnt werden musste, weil die Urkunde schon ausgehändigt wurde. Normalerweise gibt es eine vom Bundesverfassungsgericht vorgesehene 14-tägige Wartefrist, meine Damen und Herren. Hier waren es wenige Stunden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Dieses ungeheuerliche Vorgehen fand das Verwaltungsgericht offenbar so schlimm, dass es dem Land Hessen die gesamten Verfahrenskosten auferlegt hat und dem Innenministerium – ich zitiere – grob rechtswidriges Verhalten vorwarf. – Die zweite Gerichtsentscheidung.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Jetzt wird es noch einmal spannend: CDU und FDP, Ministerpräsident Bouffier und der heutige Innenminister Rhein stellen das Bild, das alles sei doch gar nicht so wichtig, weil das Gericht gar nicht gewusst habe, wie es wirklich gewesen ist. Es habe nicht gewusst, dass Herr Ritter kein Bewerber mehr gewesen sei, und niemand habe es dem Gericht mitgeteilt.

(Holger Bellino (CDU): Ja, so ist es!)

Denn dieser Umstand hätte selbstverständlich Auswirkungen auf die Kostenentscheidung gehabt, die so das Land Hessen zu tragen hatte.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das Problem ist: Niemand wusste davon. Das Landespolizeipräsidium wusste es nicht, auch Herr Ritter wusste nichts von seinem eigenen Bewerbungsverzicht.

(Holger Bellino (CDU): Das sagt er!)

Warum hätte er sonst einen Stoppantrag vor dem Gericht stellen sollen, Herr Bellino?

(Holger Bellino (CDU): Frau Faeser, bleiben Sie doch mal bei der Wahrheit!)

Für die Legende des Bewerberverzichts gibt es in den gesamten Akten keinen einzigen Beleg, Herr Bellino.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Es gibt lediglich einen eilig nach der Sitzung des Innenausschusses im März 2010 – fast ein Jahr später – von Boris Rhein gefertigten Erinnerungsvermerk.

(Holger Bellino (CDU): Das wussten wir schon vorher! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Deswegen gehen nicht nur wir, SPD und GRÜNE, davon aus, dass Herr Ritter noch im Verfahren war – Herr Bellino, hören Sie mal zu, vielleicht sollten Sie die Sachen einmal lesen –, sondern auch der unabhängige Gutachter ging davon aus, dass Herr Ritter noch Bewerber war. Ich darf zitieren: „Für eine Rücknahme der Bewerbung Ritters in dem Gespräch mit Sts. Rhein am 19.05.2008 fehlt es an jedem Anhaltspunkt.“

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Alles andere macht auch überhaupt keinen Sinn. Warum sollte Herr Ritter nach zwei Jahren Streitverfahren auf einmal verzichten? Wer glaubt das? – Niemand, außer vielleicht der CDU und deren treue Vasallen, die FDP hier im Hause. Für Sie stand schon von Anfang an fest, dass jede Legende, wahrscheinlich jede Ausrede zutreffend ist, wenn es nur Ihrem Machterhalt dient. Offenkundig geht hier wieder einmal Macht vor Recht, was sogar der Staatsgerichtshof bescheinigt hat.

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

Ich fasse noch einmal zusammen: Aufgrund eines unabhängigen Gutachters steht fest, dass das Besetzungsverfahren rechtswidrig war und der unterlegene Bewerber in seinen Rechten nach dem Grundgesetz verletzt wurde. Hier liegen also massive Rechtsverstöße vor, die in einem noch andauernden Schadenersatzprozess sehr teuer für das Land Hessen werden könnten. Wer die Verantwortung des Verfahrens trägt, ist klar: Der Ministerpräsident hat selbst erklärt, er habe das Verfahren geleitet.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

Der Ministerpräsident hat sich sehenden Auges über geltendes Recht hinweggesetzt. Er hat seinen Amtseid verletzt, der ihn verpflichtet, Verfassung und Gesetz im demokratischen Geiste zu befolgen und zu verteidigen. Rechtsbruch durch einen Minister ist keine Lappalie, das ist Unrecht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Ministerpräsident, in jedem anderen Bundesland würde man die Verantwortung übernehmen. Dazu fehlen Ihnen bislang die Kraft und das Amtsverständnis. Ich sage Ihnen: Ihr Rücktritt ist längst überfällig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Lachen bei der CDU)

Frau Kollegin, letzter Satz.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Die Wählerinnen und Wähler werden über diese Art des Amtsmissbrauchs im Herbst schon richtig entscheiden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich jetzt Herrn Schaus das Wort.

Ich habe noch eine Bitte an die Kollegen dort an der Seite: Verlegen Sie die ganz wichtigen Gespräche bitte vor den Saal.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Konkurrenz um eine zu besetzende Stelle im öffentlichen Dienst ist nicht ungewöhnlich, sondern im Sinne der Bestenauslese durchaus gewollt. Einschlägige Rechtsnormen und eine stark formalisierte Verwaltungspraxis sollen dabei sicherstellen, dass einzig nach Qualifikation entschieden wird. Beamtenrechtliche Regelungen geben zudem einem unterlegenen Bewerber die Möglichkeit, die Auswahlentscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen.

Dass der damalige Innenminister Volker Bouffier im Falle der Besetzung des Chefpostens der hessischen Bereitschaftspolizei eine hohe Präferenz für seinen Kandidaten, für seinen Parteifreund Hans Langecker hatte, ist unbestritten. Doch persönliche und politische Verbundenheit mit dem Dienstherrn dürfen bei der Besetzung öffentlicher Ämter nicht ausschlaggebend sein. Es zählt allein die formale Qualifikation für die ausgeschriebene Stelle.

Kern des parlamentarischen Auftrags des Untersuchungsausschusses 18/2 war, zu untersuchen, ob die Landesregierung das heftig umstrittene Stellenbesetzungsverfahren zum Präsidenten der hessischen Bereitschaftspolizei den einschlägigen Rechtsvorschriften nach korrekt und ohne Bevorzugung einer Person durchgeführt hat oder ob dabei Rechtsschutzverletzungen zulasten eines Bewerbers vorgenommen wurden. Dazu haben wir im Untersuchungsausschuss 18/2 eine Überprüfung der Einhaltung der allgemeinen Verfassungs- und Rechtsnormen und nach umfangreicher Zeugeneinvernahme eine Beurteilung des konkreten

Verfahrensablaufs unter Berücksichtigung der bereits ergangenen Gerichtsurteile und der vorgelegten Akten vorgenommen.