Protocol of the Session on January 30, 2013

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf und der Berechnung, die Sie versendet haben, verschleiern Sie leider die Folgewirkungen. Trotz mehrfacher Aufforderung der Kommunalen Spitzenverbände und der Opposition haben Sie bis zum heutigen Tag keine transparente und nachvollziehbare Berechnung der Auswirkungen vorgelegt. Wir diskutieren morgen den Länderfinanzausgleich. Sie haben einen Antrag vorgelegt, worin steht, der Länderfinanzausgleich müsse endlich transparent werden. Sie sollten einmal im hessischen Kommunalen Finanzausgleich mit der Transpa

renz anfangen. Wenn man eine Änderung vornimmt, eine Anpassung, wie Sie es nennen, steht an erster Stelle, dass Sie dann offenlegen, wie die Auswirkungen sind. Das verstehen wir unter Transparenz und Offenheit. Daran mangelt es mit Ihnen an der Spitze des Ministeriums.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Noll, man muss vergleichen können, was die Auswirkungen der Reform sind. Das Ministerium hat in die Berechnung einfach eine Spitzabrechnung hineingerechnet; das ist auch vom Städtetag gerügt worden. Über diese Spitzabrechnung für das Jahr 2014 werden wir noch zu reden haben, auch am morgigen Tag. Diese Spitzabrechnung kommt zustande, weil man für das Jahr 2012 bestimmte Steuererwartungen gehabt hat. Da hat sich aber das Finanzministerium leicht verschätzt, um 230 Millionen €. Das führt dazu, dass die Spitzabrechnung nach der gegenwärtigen Gesetzeslage – die ist eindeutig, Herr Minister – 2014 nach unten angepasst wird. Selbst in Ihrer Berechnung, die wir für falsch halten, weil Sie etwas hinzurechnen, was nicht dazugehört, werden Sie, wenn Sie die Auswirkungen dieses Steuerdefizits oder dieser nicht vorhandenen Steuern, die Sie eingeplant haben, berechnen, am Ende zu ganz anderen Ergebnissen kommen.

Deswegen sage ich, das muss endlich aufhören. Das war bei dem Kollegen Weimar anders. Mit Herrn Weimar kann man streiten, man kann ihm auch falsche Politik vorhalten. Aber da ist vom Kopf des Ministeriums nicht die Vorgabe gemacht worden: Legt etwas Falsches vor, trickst mit den Zahlen, täuscht und verschleiert. – Das ist der konkrete Vorwurf, und das ist das Unsolide an der Berechnung, die Sie vorgelegt haben. Sie verschleiern die Auswirkungen, und Sie tricksen, indem Sie Zahlen hinzurechnen, die nicht dazugehören. Herr Minister, das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen fordern wir in dem weiteren Verfahren eine saubere Berechnung, damit wir alle vor Ort mit den Zahlen arbeiten können und sagen können, so sind die Folgen. Am Ende, glaube ich, ist es sogar akzeptabel. Aber ich kann es nicht einschätzen, nicht einmal für die Kommunen in meinem Kreis.

In diesem Zusammenhang trage ich Ihnen noch eine Kritik vor, die von zahlreichen Kommunen kommt. Sie sagen, die Definition des ländlichen Bereichs ist suboptimal, ist nicht in Ordnung. Jetzt muss ich Ihnen leider oder Gott sei Dank noch einmal den Kreis Bergstraße nennen. Da gibt es zahlreiche Gemeinden, die im Odenwald liegen.

(Alexander Noll (FDP): Änderung der Landesplanung, Herr Schmitt!)

Der Kreis Bergstraße ist nach dem Landesentwicklungsplan nicht ländlicher Bereich. Aber die Kommunen Lindenfels, Rimbach oder Fürth sind, wenn Sie es ehrlich sehen, eher ländlicher Bereich. – Herr Noll, wenn Sie das anbieten, nehme ich das positiv mit. Darüber müssen wir im weiteren Gang der Gesetzgebung reden, dass wir die Definition, die Abgrenzung des ländlichen Bereichs so vornehmen, dass es der wirklichen Situation der hessischen Kommunen entspricht. Wenn es von Ihnen an diesem Punkt ein Zeichen gibt, dann finde ich das erfreulich für die Diskussion, dann ist das immerhin etwas wert.

Trotzdem fordern wir eine saubere Berechnung. Das ist die erste Grundlage. – Herzlichen Dank. So weit unser Beitrag zur ersten Lesung.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmitt. – Als nächster Redner hat sich Kollege van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat sich auf den Weg gemacht, den Kommunalen Finanzausgleich umfassend zu reformieren. Damit, das muss man in aller Deutlichkeit feststellen, sind Sie, Herr Dr. Schäfer, leider gescheitert.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich möchte aber ausdrücklich loben, dass Sie den ernsthaften Versuch unternommen haben, einen Konsens bei einer umfassenden Reform des Kommunalen Finanzausgleichs zu erreichen – immerhin. Ich bin heute versöhnlich. Vielleicht kann man hoffen, dass der Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, nur ein erster Schritt ist, um die Verteilung der Mittel zwischen den Kommunen neu zu regeln. Das Verfahren, das Sie gewählt haben, um eine Verständigung vor allem zwischen den Kommunen zu erreichen, war sicher richtig. Es war richtig, auf Dialog zu setzen und alle Kommunalen Spitzenverbände, aber eben auch alle Fraktionen dieses Hauses in die Diskussion einzubeziehen.

Allerdings, das will ich Ihnen ins Stammbuch schreiben, kann dieser Dialog zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zum Konsens führen. Dies war auch von vornherein, so meine ich jedenfalls, absehbar. Zum einen ist es sicher schwierig, den Kommunalen Finanzausgleich überhaupt im Konsens mit allen zu reformieren. Es liegt schließlich in der Natur der Sache, dass es bei Änderungen an einem Verteilungssystem Gewinner und Verlierer gibt. Wer also bei einer KFA-Strukturreform mitmacht, will nicht zu den Verlierern zählen oder zumindest den Verlust minimieren.

Herr Dr. Schäfer, bei den hessischen Kommunen überhaupt anzunehmen, wenn nur die Verteilung im KFA geändert wird, dass Sie von Gewinnern sprechen können, das ist schon sehr mutig. Tatsächlich ist es doch so, dass Sie den Kommunen erst Geld aus dem Topf genommen haben – der Kollege hat schon darauf hingewiesen, es geht um die 350 Millionen € – und dann den Kommunalen Spitzenverbänden vorschlagen, dass man möglicherweise noch weniger bekommt. Das ist eine Schwierigkeit, die diesem Verfahren zugrunde lag.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Frage, die Sie den Kommunen gestellt haben, ist nicht, wer hier hinzugewinnen will oder wer bereit ist, etwas abzugeben. Nein, tatsächlich stand doch nur die Frage im Raum, wer bereit ist, besonders große Einschnitte in Kauf zu nehmen. Den Kommunen erst Geld wegzunehmen und dann eine Neuverteilung der geringeren Mittel anzubieten, das ist alles, nur keine Erfolgsstory. Übrig geblieben ist deshalb das Minireförmchen, das vielleicht ein erster Schritt ist, aber sicher kein großer Wurf.

Ich kann für meine Fraktion zusichern, dass wir das Gesetzgebungsverfahren zu diesem Gesetzentwurf konstruktiv begleiten werden. Der Ansatz, durch die demografische

Entwicklung belasteten Kommunen entgegenzukommen, ist sicher richtig. Die Kommunalen Spitzenverbände haben bereits positive Signale gegeben, sodass wir sicher keine heftigen Debatten über diesen Gesetzentwurf führen müssen. Die kommunale Seite hat auch den Finger in die Wunde gelegt und gemerkt, dass die Verteilung der Mittel zwischen Land und Kommunen neu geregelt werden muss.

So kann und wird es aber nicht weitergehen. Hier müssen vor allem höhere Einnahmen her. Das haben wir – und auch die CDU und die FDP – mit der Grunderwerbsteuer mittlerweile eingesehen. Über kurz oder lang werden wir vor allem eine Vermögensteuer brauchen, damit das Land seine Einnahmen nachhaltig verbessern und so auch für die Kommunen wieder Handlungsfähigkeit herstellen kann.

Auf einen Punkt, den der Hessische Landkreistag angemahnt hat, möchte ich noch eingehen. Denn wir werden in der Beratung sicher auch noch darüber sprechen, welche Maßnahmen zur KFA-Reform noch anstehen. Mir geht es um die Nivellierungshebesätze. Der Hessische Landkreistag hat darauf hingewiesen, dass die Nivellierungshebesätze angepasst werden sollten. Diese Meinung teile ich ausdrücklich; denn gerade im Bereich der Gewerbesteuer kann das sicher ein Instrument sein, um den Steuerwettbewerb zwischen den Kommunen zu begrenzen. Schließlich kann niemand ein Interesse daran haben, dass das Steueraufkommen aller Kommunen insgesamt niedriger ausfällt, weil sich einige Kommunen besonders niedrige Gewerbesteuersätze leisten können. Das Beispiel der Börse in Eschborn ist Ihnen allen sicherlich noch geläufig.

Meine Damen und Herren, ich bin also optimistisch, dass wir in den Beratungen über diesen Gesetzentwurf zu einem weitgehenden Konsens kommen werden, aber auch zu der Einsicht, dass es noch ein weiter Weg zu einer gerechten Reform des Kommunalen Finanzausgleichs ist.

Der Finanzminister hat selbst zu verantworten, dass die Kommunen, denen das Wasser bis zum Hals steht, nicht auch noch wollen, dass der Finanzminister ihr Geld weiter umverteilt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Erfurth von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Erfurth, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann einen Satz des Kollegen van Ooyen aufgreifen: Es ist noch ein weiter Weg bis zu einer KFA-Reform, die diesen Begriff auch verdient und die tatsächlich eine Reform darstellt.

Herr Dr. Schäfer, ich glaube, die Einbringung dieses Gesetzentwurfs ist Ihnen schon ein bisschen schwergefallen. Sie waren mit großen Zielen gestartet, wollten eine richtige Reform im Kommunalen Finanzausgleich bewegen. Dann hat die Kraft der Regierung nicht gereicht, sich hier tatsächlich durchzusetzen und wirkliche Reformvorschläge zum Kommunalen Finanzausgleich einzubringen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Man kann mit Fug und Recht behaupten: Das ist der Werdegang eines großen Projekts von der Reform zum Reförmchen. – Erinnern wir uns noch einmal. Bereits im Jahr 2006 hatte Ihr Vorgänger im Amt, Karlheinz Weimar, fünf Probleme identifiziert, die gelöst werden müssten. Da ging es um die Finanzkraftgarantie, um abundante Kommunen, um Einwohnerveredelung, um die Aufteilung von Schlüsselmassen und um Sonderstatusstädte. All das sind schon für sich genommen problembehaftete Themen, für die Regelungen geschaffen werden müssen. Es wäre gut, wenn die Landesregierung sie einer Lösung zuführen könnte. Aber selbst wenn man das lösen würde, dann ist das Grundproblem des Kommunalen Finanzausgleichs immer noch nicht gelöst. Wir haben nämlich keine vernünftige Finanzverteilung zwischen den Ebenen Land und Kommune, selbst dann nicht, wenn wir die genannten Problembereiche lösen würden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war im Jahr 2006, als Ihr Vorgänger Karlheinz Weimar diese Problemfelder identifizierte. Dann passierte erst einmal nichts. Im Jahr 2008 wurde die Mediatorengruppe eingerichtet, damals sogar noch von Ministerpräsident Roland Koch, also ziemlich hoch aufgehängt. Dann wurden Experten benannt, die zu den von Ihnen benannten Problembereichen Lösungsvorschläge erarbeiten sollten. Diese Gruppe arbeitete bis 2009 vor sich hin. Als man gedacht hat, sie ist schon ganz in der Versenkung verschwunden, wurden im Jahr 2011 die Vorschläge dem Ministerpräsidenten, der dann Volker Bouffier hieß, übergeben. Es hat also fünf Jahre gedauert, bis diese Problembereiche bearbeitet worden sind und bis es Lösungsvorschläge gab.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Dann gab es unsere Facharbeitsgruppe KFA. Auch hier teile ich die Einschätzung meiner Vorredner: Es war gut, dass wir versucht haben, uns der Problemlagen im Konsens zu nähern, dass wir versucht haben, eine Lösung zu erarbeiten. Allerdings haben wir nur ein gutes Jahr gebraucht, um zu merken: In dieser Arbeitsgruppe gibt es keinen Konsens. Es war so angelegt, dass die Mediatorenvorschläge in dieser Arbeitsgruppe keiner Lösung zuzuführen waren. So wurde aus der groß angelegten Reform ein Reförmchen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, was Sie als erstes Paket einer Reform bezeichnen, ist allenfalls ein Brief, der viel zu lange unterwegs war. Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der an einzelnen Symptomen herumdoktert und an einzelnen Stellschrauben operiert, der aber das Grundproblem, nämlich die Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen, nicht löst. Diese Lösung war von Ihnen auch gar nicht beabsichtigt. Ganz im Gegenteil, Sie haben das Grundproblem noch einmal verschärft, als Sie, noch während des Mediationsverfahrens, in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP ankündigten, dem KFA werden dauerhaft Mittel entzogen. Das haben Sie im Jahr 2011 wahr gemacht. Damit haben Sie einer gedeihlichen Vereinbarung im Grunde den Boden entzogen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich kann doch einer Ebene nicht erst einmal Geld wegnehmen und sagen: „Über die Verteilung des Rests reden wir

später.“ So schaffe ich doch kein Vertrauen. Da kann doch von einer partnerschaftlichen Ebene und einem Verfahren auf Augenhöhe überhaupt nicht die Rede sein.

Wir haben Ihnen in unserem Konzept „Hessens Kommunen fair finanzieren“ einen Vorschlag gemacht, wie man die Finanzausstattung zwischen Land und Kommunen auf partnerschaftlicher Ebene neu regeln und auf eine neue, verlässliche und faire Grundlage stellen kann.

Es gab aber überhaupt keine Bereitschaft, dieses Thema zu bearbeiten, weder in der Finanzarbeitsgruppe noch vonseiten der Landesregierung.

(Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Sie sind dabei geblieben: Sie schrauben weiter an kleinen Stellschräubchen, und Sie machen sich an kleinteiligen Änderungen zu schaffen, die aber das Grundproblem überhaupt nicht lösen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Schauen wir uns einmal an, was in dem Paket, das Sie für uns gepackt haben, tatsächlich an Änderungen vorhanden ist. Da wird ein Problem angegangen, das in Hessen spätestens seit der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ in den Jahren 2003 bis 2007 hinreichend bekannt ist, nämlich dass die Bevölkerung in einigen Teilen des Landes Hessen zurückgeht und dass der KFA darauf bisher keine Antwort hat. Herr Finanzminister, Sie haben es zu Recht beschrieben. Dann schafft es diese Landesregierung erst im Jahr 2013, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der dieses Problem behebt. Ich finde, darauf kann man wahrhaft nicht stolz sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist in der Tat richtig, dieses Problem jetzt anzugehen. Aber es kommt viel zu spät und viel zu halbherzig. Sie lösen auch, wie gesagt, das Grundproblem nicht, die Finanzverteilung zwischen dem Land und den Kommunen auf eine verlässliche Grundlage zu stellen.

Über die Frage, welche Berechnungen richtig sind, werden wir uns in den Anhörungen sicherlich noch auseinandersetzen müssen. Aber natürlich ist klar, dass man in einer Schattenberechnung immer schaut: Wo sind die Gewinner, wo sind die Verlierer? – Man kann nicht prognostizierte Zahlen nehmen und diese allein zum Instrument der Verteilung erklären. Ich glaube, damit kommen Sie nicht durch. Das lassen Ihnen auch die Kommunalen Spitzenverbände nicht durchgehen. Da muss man mit offenen Karten spielen. Da muss man auch klarmachen, warum man für richtig erkannte Grundsätze durchsetzen will.