Protocol of the Session on January 30, 2013

Herr Caspar hat die Frage der Selbstanzeigen angesprochen; jetzt reden wir über unseren Antrag. Hier gibt es im Steuerstrafrecht eine Privilegierung, die wir im sonstigen Strafrecht überhaupt nicht kennen. Sinnvoll wäre, wenn jemand tätige Reue zeigt und Wiedergutmachung leistet, das bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Aber dass jemand eine Straftat begeht und dann sagt: „Ich mache es wieder gut, aber ich muss dann nicht mehr mit Konsequenzen rechnen“, das ist exklusiv im Steuerstrafrecht. Darin sehen wir einen Konstruktionsfehler.

Meine Damen und Herren, wenn der Minister beklagt, dass die Diskussion mit der Schweiz dazu führt, dass die Verjährung läuft: Wir haben in dem Antrag konkret benannt, dass wir über die Verjährungsfristen reden müssen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)

Warum haben Sie dazu keinen Ton gesagt? Ich kann Ihnen sagen, warum er dazu keinen Ton sagt: weil er es weitertreiben will, dass wir systematisch in die Verjährung im Steuerstrafrecht hineinlaufen, damit bestimmte Freunde, die es hier auch gibt, in bestimmten Fraktionen weiterhin ihr schmutziges Spiel mit Steuerhinterziehung vornehmen können. Das ist die Tatsache.

(Beifall bei der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU: Hey, hey! – Unglaublich!)

Herr Schmitt, ein Hinweis: Ich bitte die letzte Bemerkung zurückzunehmen oder zu konkretisieren. Anschließend ist Ihre Redezeit zu Ende.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der CDU: Uner- hört!)

Wissen Sie,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Korrigieren Sie das!)

bei Schwarz-Gelb muss man im Grunde nur einen Buchstaben austauschen, dann kommt man zu Ihrer Philosophie.

(Lebhafte Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, und ich weiß, dass Betroffene immer am lautesten schreien.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Willi van Ooyen und Janine Wissler (DIE LINKE) – Lebhafte Zurufe von der CDU: Unverschämtheit!)

Herr Bellino, zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was der Kollege in seinem Redebeitrag hier abgesondert hat, lässt sich mit den parlamentarischen Regeln nicht vereinbaren. Es war ein Angriff auf Schwarz-Gelb. Er hat davon gesprochen, dass man nur einen Buchstaben austauschen müsse, um zu dem Thema Steuerhinterziehung zu kommen. Damit hat er einen Bezug zu einer kriminellen Tat hergestellt. Wenn er sich nicht sofort entschuldigt, beantragen wir eine Sitzungsunterbrechung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Bellino hat beantragt, dass Herr Schmitt sich für diese letzte Äußerung entschuldigen soll. Ich biete ihm das an. Ansonsten erteile ich ihm einen Ordnungsruf gemäß unserer Geschäftsordnung. – Es unterbleibt. Herr Schmitt, ich erteile Ihnen hiermit einen Ordnungsruf, wie es die Geschäftsordnung vorsieht.

Herr Bellino, können wir auf die Unterbrechung verzichten? – Ja.

(Minister Jörg-Uwe Hahn: Ältestenrat! – Unruhe)

Dann fahren wir fort. Ich stelle fest, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.

Wir haben Punkt 32 behandelt: Antrag der Fraktion der SPD betreffend Fahndungsdruck auf Steuerhinterzieher erhöhen – Aktionsprogramm Steuerehrlichkeit schaffen.

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, jetzt rede ich und bitte alle anderen, zu schweigen.

Mit aufgerufen war der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 18/6922. Es ist vorgesehen, den Antrag der SPD und den Änderungsantrag der LINKEN an den Haushaltsausschuss zu überweisen. – Kein Widerspruch, dann können wir so verfahren.

Dann darf ich gemäß der Tagesordnung Punkt 39 aufrufen:

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetze: zentrale Infrastruktur für die Zukunft Hessens – Drucks. 18/ 6895 –

Dazu wird Punkt 65 aufgerufen:

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend digitale Spaltung zwischen Stadt und Land verschärft sich – Breitbandstrategie der Landesregierung ist gescheitert – Drucks. 18/6929 –

Wer bringt den Antrag ein? – Herr Dr. Arnold für die CDU-Fraktion, bitte sehr. Sie haben zehn Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU und der FDP haben den heutigen Antrag zur Hochgeschwindigkeits-Breitbandinitiative der Hessischen Landesregierung eingebracht und als Setzpunkt definiert, nicht nur weil wir ein weiteres Mal die Breitbandstrategie der Landesregierung miteinander beleuchten wollen und auch die Fortschritte aufzeigen möchten, sondern weil durch den Antrag der Deutschen Telekom AG bei der Netzagentur zum Thema Vectoring eine Situation eingetreten ist, die wir miteinander bewerten müssen, um die Frage zu klären, ob die Breitbandstrategie, die wir eingeschlagen haben, weiterhin erfolgreich sein kann.

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass wir Ende 2009 an dieser Stelle eine sehr erfolgreiche Anhörung zum Breitband hatten, die uns, zumindest die diesem Thema zugewandten Fraktionen, dazu gebracht hat, gemeinsam mit der Landesregierung über eine Breitbandstrategie für Hessen nachzudenken. Wir haben festgestellt, dass wir mit den bestehenden Kupfernetzen überhaupt nicht in der Lage sind, die Anforderungen an hohe Übertragungsgeschwindigkeiten darzustellen. Wir haben festgestellt, dass dazu moderne Datenverbindungen über Glasfasernetze notwendig sind. Und wir haben gesagt, dass der erste Schritt, den wir vorgenommen haben, nämlich die Grundversorgung mit 2 Mbit/s, nur ein Anfang sein kann und dass auch die Verlegung von Glasfasernetzen bis zu den Kabelverzweigern mit Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 50 Mbit/s nur ein weiterer Zwischenschritt sein kann.

Das Ziel, bis 2014 75 % der Haushalte in Hessen damit zu versorgen, sind wir mit großem Erfolg angegangen. Aber ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass sämtliche Untersuchungen zu Breitbandnutzungen zeigen, dass sich die Anforderungen an die Datenübertragungsgeschwindigkeit alle zwei Jahre verdoppeln und dass wahrscheinlich in zehn Jahren die jetzige, uns hoch erscheinende Übertragungsrate von 50 Mbit/s im Grunde schon digitale Steinzeit sein wird. Wir brauchen Glasfaser nicht nur bis zu den Kabelverzweigern, sondern bis hin zu den Häusern und bis hin zu den Nutzern.

Nachdem wir festgestellt haben, über welche Kosten wir uns da unterhalten – Untersuchungen sagen, diese Übertragungsraten, diese Glasfaserverbindungen bis zu den Häusern bedeuten für ganz Deutschland ein Invest von etwa 80 Milliarden €, also für Hessen einen Betrag zwischen 6 und 8 Milliarden € –, ist undenkbar, dies als eine kommunale

oder staatliche Daseinsvorsorge zu bezeichnen. Deshalb haben wir ganz bewusst auf ein Konzept gesetzt, das bisher erfolgreich umgesetzt wurde, nämlich dort, wo es sich rechnet, eine privatwirtschaftliche Lösung – dafür haben wir viele Beispiele –, und dort, wo die privatwirtschaftliche Möglichkeit erschöpft ist – Untersuchungen sagen, das ist für 35 bis 40 % der Haushaltsanschlüsse möglich –, die Unterstützung durch die öffentliche Hand: durch Landesbürgschaften, durch die kommunale Seite, in vielfältiger Ausgestaltung.

Jetzt komme ich zu meinem eigentlichen Punkt, und das haben wir in Punkt 4 unseres Antrags deutlich gemacht. Wir haben in den 21 Landkreisen in Hessen höchst erfolgreiche Ansätze. Der Odenwaldkreis hat den ersten Schritt gemacht, mit einer kreiseigenen Gesellschaft. Im MainKinzig-Kreis haben wir eine Ausschreibung, die eine Tochtergesellschaft der Münchner Stadtwerke gewonnen hat, mit einer sehr guten Lösung. Im Landkreis Gießen haben wir eine Lösung mit der Telekom. Im Landkreis Fulda haben wir eine Lösung durch Mischung von Telekom-Aktivitäten und einer Aktivität des Versorgers ÜWAG, der hier mit kommunaler Unterstützung den Rest ausbauen wird. In weiteren 16 Landkreisen haben wir mit sehr guter Unterstützung durch die Landesregierung Machbarkeitsstudien. Wir sind in Hessen weit vorn, was die Entwicklung in den Bundesländern anbelangt.

Aber jetzt kommt die Telekom und stellt einen Antrag bei der Bundesnetzagentur, Vectoring zuzulassen. Vectoring bedeutet, dass Glasfaser bis zu den Kabelverzweigern gelegt wird. Von den Kabelverzweigern liegt auf der letzten Strecke zu den Nutzern, zu den Häusern Kupfer. Vectoring bedeutet, dass die Störgeräusche auf dieser Kupferleitung erfasst und elektronisch gegengespiegelt und damit eliminiert werden, und die Übertragungsgeschwindigkeit verdoppelt werden kann. Der Nachteil ist aber, dass, wenn diese Technik angewendet wird, nur noch Telekom-Produkte auf diesen Kupferdrähten beim Endkunden angeboten werden. Dies ist nach Auffassung vieler Fachleute eine Remonopolisierung, die dort von der Telekom betrieben wird. Das können wir nicht zulassen, wenn wir weiterhin an unserer Breitbandstrategie in Hessen festhalten wollen.

Was ist diese Strategie? Open Access, d. h. der Endkunde kann frei wählen, welche Produkte er in Anspruch nehmen will. Ob das ein Telekom-Telekommunikationsprodukt ist, ob das ein 1&1-Produkt, ein Vodafone-Produkt oder ein Produkt von Unitymedia ist, muss unabhängig von dem Netz sein, das von dem Netzbetreiber gestellt wird. Der Kunde muss die freie Möglichkeit haben.

(Holger Bellino (CDU): Sehr richtig!)

Ich will ein Beispiel aus einer anderen Infrastruktursituation nennen. Wir haben zwei Verkehrsverbünde in Hessen: den RMV und den NVV. Ein Verkehrskunde, der in Bad Hersfeld einen Zug besteigt, darf gar nicht merken, ob das von dem einen oder von dem anderen Verkehrsverbund ist.

(Holger Bellino (CDU): So ist es!)

Es müssen gleiche Verhältnisse sein. Das fordern wir in Hessen auch für unsere Breitbandstrategie.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

In dem Telekommunikationsregulierungsgesetz ist festgelegt, dass die Telekom nach ihrem Übergang von einem Staatsunternehmen zu einer Aktiengesellschaft allen ande

ren Betreibern mit deren Produkten auf ihren Netzen freien Zugang ermöglichen muss – das ist Regulierung –, und dass diese Regulierung aufgehoben werden kann, wenn die Deutsche Telekom auf einem dieser Netze Vectoring betreiben wird.

Das Zweite ist – das müssen Sie sich vorstellen, meine Damen und Herren –, für bereits bestehende Zugangsvereinbarungen soll für andere Wettbewerber gelten: Wenn die Telekom dort Vectoring vorhat, dann kann diese Zugangsvereinbarung aufgekündigt werden. Das kann so nicht sein. Herr Staatssekretär, deswegen möchte ich hier für die CDU-Fraktion – ich denke, auch die FDP-Fraktion stimmt dem zu – sehr darum bitten, dass in dem Arbeitskreis, der bei der Bundesnetzagentur für zukünftige Breitbandnetze eingerichtet ist, klar darauf hingewirkt wird, dass der Open-Access-Grundsatz weiterhin uneingeschränkt gilt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Matthias Bü- ger (FDP))

Wir brauchen Wettbewerb bei der Breitbandversorgung. Wir brauchen dort eindeutig für alle Wettbewerber gleichen Zugang für ihre Endprodukte. Die Telekom muss dies auch ermöglichen.

Das möchte ich noch an einem zweiten Punkt festmachen. Wenn die Telekom auf den Netzen, die sie aktiv betreibt, für die Endprodukte anderer Kunden die Möglichkeit schafft, dann geht es um die sogenannten BSA-Module, Bitstream-Access-Module, die von der Telekom für Unitymedia, Vodafone und Ähnliche angeboten werden. Wenn ein anderer Betreiber eines Netzes, nehmen wir den MainKinzig-Kreis, Kollege Müller, den Endkunden auch Telekom-Produkte anbieten will, dann kann er das nicht, weil die Telekom sagt: Dieses BSA-Modul haben wir nicht. Das werden wir vielleicht auch in zwei, drei Jahren nicht haben. – Hier fordere ich eindeutig auf, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass, egal, wer ein Breitbandnetz aktiv betreibt, es für den Endkunden möglich sein muss, jedes von ihm gewünschte Produkt auch zu empfangen. Dazu gehört auch, dass die Telekom ein solches BSA-Modul erstellt, und zwar so schnell wie möglich, um dies auch bei fremden Netzbetreibern einzusetzen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig! Sehr gut!)

Ansonsten ist das eine Monopolisierung, die durch das Regulierungsgesetz abgeschafft wurde. Das darf nicht von hinten durch die kalte Küche wieder erzeugt werden. Das ist eine klare Forderung.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)