Protocol of the Session on January 30, 2013

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das muss sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft gelten. Warum ist uns das so wichtig? – Das ist es, weil die Verlockung zu weiteren Straftaten in der Zukunft belebt würde, wenn man sich am Ende finanzielle oder sonstige Vorteile gegenüber einem gesetzestreuen Verhalten verschaffen könnte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Caspar, das Signal, dass sich Steuerhinterziehung letztlich dann doch lohnt, darf auf keinen Fall gegeben werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Genau das aber ist das vorliegende Verhandlungsergebnis mit der Schweiz. Deshalb ist es richtig, dass es im Bundesrat scheitert. Denn im Ergebnis belohnt es genau Steuerhinterziehung, statt sie zu verfolgen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Nehmen wir den Begriff „anonym“. Ich habe vom Mitwirkungsgrundsatz in unserem Steuerrecht gesprochen. Die Anonymität, die Sie zugestehen, zeigt, dass es so nicht mit den Steuerhinterziehern gehen kann. Auch die müssen sich dem Finanzamt individuell offenbaren. Anders kann eine Lösung nicht sein.

Herr Kaufmann, Sie kommen zum Schluss?

Herr Präsident, ich komme zum Schluss und stelle fest: Mit ihrem Verhalten in der Steuerpolitik, und was die Inhalte der Steuergesetzgebung angeht, hat sich die Regierung nun wahrlich alles andere als solidarisch und zukunftsweisend verhalten. Ich muss das Wort „Mövenpick“ nicht noch einmal erwähnen.

(Günter Rudolph (SPD): Doch! – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir alle erinnern uns noch daran. Deshalb brauchen wir für Hessen einen Politikwechsel und insbesondere eine bessere Finanz- und Steuerpolitik durch eine neue Mehrheit, nach der Abwahl dieser erschöpften und verbrauchten schwarz-gelben Zumutung am 22. September.

(Widerspruch bei der CDU)

Wir freuen uns darauf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Peter Beuth (CDU): Das war noch schlechter als Schäfer-Gümbel!)

Danke, Herr Kollege Kaufmann.

Herr Staatsminister Dr. Schäfer, mir liegt eine Kurzintervention vor, die möchte ich gerne vorziehen. – Herr Kollege Noll, von Ihnen ist eine Kurzintervention angemeldet. Sie haben zwei Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kaufmann, wer sich hier als Zumutung erweist, das werden wir bald, nach den Landtagswahlen, sehen. Herr Kaufmann, gehen Sie aber nicht auch von der Auffassung aus, die ursprünglich hinter der Idee des Steuerabkommens stand: dass man Steuern für die Zukunft generieren will, aber eine Regelung für die Vergangenheit finden muss?

Das ist bei jeder Neuregelung der Fall: Man muss die Vergangenheit regeln und klare Regeln für die Zukunft schaffen. Genau das war die Idee dieses Steuerabkommens.

Dass das funktioniert, selbst mit anonymen Steuerpflichtigen, zeigt die kürzliche Entwicklung. Großbritannien hat eine ähnliche Konstruktion mit der Schweiz gefunden. Dort sind jetzt die ersten 340 Millionen £ an die britische Regierung überwiesen worden.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist sensationell!)

Für das Haushaltsjahr 2013/14 – die fangen immer im März an, deswegen diese Doppelzahl – erwarten die Briten 3,1 Milliarden £. Herr Kaufmann, betrachten Sie solche Zahlen, die sich in ähnlicher Weise für die Bundesrepublik Deutschland hätten ergeben können, denn als Klacks und als verzichtenswert? Singen Sie deswegen eher das Lied, Menschen in die Tasche zu greifen, um einen Zustand der Steuerhinterziehung, wie das jetzt der Fall ist, festzuschreiben und auf Dauer den Zugriff auf diese Gelder zu verhindern? Sie sind doch diejenigen, die durch die Verhinderung solcher Wege und solcher Abkommen permanent die Steuerhinterziehung ermöglichen – nicht die Regierung, die versucht, eine solche Regelung zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU – Lachen des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Danke, Herr Noll. – Herr Kollege Kaufmann, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

Für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer: Er hat ebenfalls zwei Minuten Redezeit dafür.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nein, Herr Kollege Noll, in dieser Intervention wird genau deutlich, welch anderen Geistes Sie in der Steuerfrage in Wahrheit sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie wollen nicht die Steuerehrlichkeit durchsetzen, sondern Sie wollen abkassieren. Da nehmen Sie gerade so viel, wie Sie bekommen können, völlig unabhängig davon, ob das legal oder illegal war und in welcher Weise das kommt: Des bieche mer schon hin. – Das wurde in Ihren Sätzen deutlich, und das ist der Grundunterschied. Für uns ist Steuerpolitik auch ein Stück Gesellschaftspolitik. Insoweit ist die Frage nach der Steuergerechtigkeit auch eine Frage nach der gesamtgesellschaftlichen Gerechtigkeit.

Deswegen kann man sich nicht – auf welche Weise auch immer – freikaufen von dem, was ein Parlament, was der Gesetzgeber als Regel für die Gesellschaft insgesamt definiert hat: wer welche Beiträge leisten soll.

Deswegen sind Sie gedanklich auf der völlig falschen Seite, wenn Sie meinen: Schau einmal, jetzt hätten wir ein paar mehr Milliarden oder Millionen, oder was auch immer einnehmen können.

Es geht darum, gesellschaftliche Gerechtigkeit durch Steuergerechtigkeit durchzusetzen. Die gilt für alle, und der darf man sich nicht entziehen. Darum kämpfen wir.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der SPD)

Herr Kaufmann, vielen Dank. – Herr Staatsminister Dr. Schäfer hat das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Debatte gibt mir die Gelegenheit, einige Hinweise auch zu der von Herrn Kaufmann eben vorgetragenen vermeintlichen Thematik der Grundphilosophie nach dem Motto: „Steuergerechtigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Frage, die muss man eher grundsätzlich angehen und diskutieren“, zu geben. Meine Damen und Herren, da wird es dann schwierig. Wir können noch viele Jahre über die Grundsätze der Steuergerechtigkeit reden, diskutieren, Symposien veranstalten und uns im Parlament darüber streiten – aber genau in dieser Zeit verjähren jedes Jahr Steuerstrafansprüche gegen Steuersünder

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut!)

in der Schweiz, jedes Jahr gehen uns Hunderte von Millionen Euro verloren. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich kann man es sich immer schöner, bunter und besser wünschen. Natürlich wäre es aus der Sicht einer deutschen Finanzverwaltung das Allerbeste, wenn sie wöchentlich Einladungen von Schweizer Banken erhielte, um in die dortigen Akten Einsicht nehmen zu können, und die Unterlagen in Kopie mitnehmen könnte, um in Ruhe in Deutschland Strafverfolgung betreiben zu können. Das ist doch klar. Das ist aber unrealistisch.

Deshalb stellt sich die schlichte Frage: Warte ich so lange, bis irgendjemand in der Schweiz auf den Gedanken kommt, die deutschen Steuerfahnder in Banken einzuladen – da können wir lange warten –, oder nehmen wir die Möglichkeiten wahr, die jetzt dieses Abkommen, das auf dem Tisch lag, geboten hätte?

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sehr gut! Sehr vernünftig!)

Meine Damen und Herren, dann komme ich sehr schnell zu dem, was Herr Schäfer-Gümbel vorgetragen hat, nämlich zu dem Thema: Wir müssen Kindergärten finanzieren. Wir müssen Schulen finanzieren. – Selbstverständlich. Mit der Nachzahlung von wahrscheinlich 700 Millionen €, die wir allein in Hessen in diesem Jahr aus der Schweiz für die Abwicklung der Altfälle bekommen hätten, hätten wir eine Menge Schulen, eine Menge Lehrer finanzieren können. Das ist die Wahrheit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Danach hätten wir jedes Jahr 40 Millionen € bekommen. Auch dort sind die Vorträge von Herrn Schäfer-Gümbel und Herrn Kaufmann schlicht falsch;

(Widerspruch des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

denn für die Zukunft wären alle Steuerpflichtigen, ob sie Kapitalerträge im Inland oder in der Schweiz generieren, auf den Cent genau gleich behandelt worden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den mindestens 40 Millionen €, die wir dort jährlich zusätzlich bekommen hätten, hätten wir jedes Jahr ein Forschungsgebäude an einer hessischen Hochschule errichten können, wir hätten jedes Jahr

davon mehr als 600 Lehrer bezahlen können. Durch Ihre Politik ist dieses Geld unwiederbringlich futsch.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) unterhält sich mit seinem Nachbarn. – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Warten Sie doch noch, bis der Schäfer-Gümbel zuhören kann! Das ist jetzt peinlich! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Meine Damen und Herren, ich glaube, Herr Dr. Schäfer muss das Recht und auch die Möglichkeit haben, weiterzureden.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir unterbrechen ihn ja gar nicht! – Günter Rudolph (SPD): Herr Präsident, das waren die eigenen Leute! – Zurufe – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): 430 Millionen €! – Gegenruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die haben Sie versenkt! – Weitere Zurufe und Gegenrufe)

Meine Damen und Herren, ich mache einen zweiten Versuch, damit Herr Dr. Schäfer jetzt weiterreden kann, und zwar bitte ungestört. – Bitte, Herr Dr. Schäfer.

Bevor man morgens twittert, sollte man erst nachdenken. Das sind so Geschichten, über die muss man gelegentlich einmal reden.