Protocol of the Session on January 30, 2013

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, eine verantwortungsbewusste und dem Bürger verpflichtete Landesregierung muss Sorge dafür tragen, dass die Grundsätze der Akteneinsicht künftig beachtet werden. Dieses Grundverständnis war offenbar bei der Gewährung von Auskunftsrechten in Strafverfahren auch nicht immer vorhanden. Hier gilt es einmal mehr, das hervorzuheben – denn die Einsichtsrechte in Akten durch den Verteidiger gehören zu den Grundsätzen eines fairen Strafverfahrens und müssen umso mehr eingehalten werden. Deswegen fanden wir Ihren Hinweis an dieser Stelle auch sehr wertvoll und hoffen, dass sich auch die Landesregierung diesen Hinweis wirklich zu Herzen nimmt.

Als nächster Punkt aus Ihrem Bericht sei der Einsatz der DNA-Analyse in der polizeilichen Praxis angesprochen. Bei der Prüfung wurde festgestellt, dass die Dokumentation der sensiblen Daten bei der Speicherung der Akten in einigen Fällen leider sowohl formal als auch inhaltlich stark verbesserungsbedürftig sei. Wir haben das gemeinsam im Unterausschuss Datenschutz diskutiert. Aber leider mussten wir feststellen, dass dem Hinweis in der Stellungnahme der Landesregierung – dass da bereits ein Konzept erarbeitet sei – noch nicht sehr weit gefolgt wurde. Deswegen möchten wir an dieser Stelle nochmals auffordern, dies möglichst schnell umzusetzen, damit mit diesen sensiblen DNA-Daten und mit der Speicherung seitens der Landesregierung auch sehr sorgfältig umgegangen wird.

Die Löschung von Daten im SAP R/3 HR-System haben Sie vorhin selbst nochmals angesprochen. Das wird auch im Bericht sehr umfangreich dargestellt. Die Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Löschung in SAP R/3 HR wurde bereits im 36. Tätigkeitsbericht angesprochen. Wir reden heute über den 40.

Frau Kollegin Faeser, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, das tue ich gerne. – Da geht es um die urlaubs- und krankheitsbedingten Abwesenheiten nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen. Auch hier gilt, dass dabei die datenschutzrechtlichen Vorschriften eingehalten werden müssen. Die Landesregierung hat darauf sehr umfangreich geantwortet, dass das in vielen Fällen noch nicht geschehen ist. Auch hier wünschen wir uns eine Umsetzung und Einhaltung des Datenschutzes. Hier bedarf es noch eines sensibleren Handelns seitens der Landesregierung.

Unser Dank gilt am Ende noch einmal Ihnen, Herr Prof. Ronellenfitsch, und all Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Das Wort hat Herr Abg. Wilken, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Prof. Ronellenfitsch, vielen Dank auch von meiner Fraktion an Sie und an Ihr Team.

Aus aktuellen Anlässen möchte ich mich heute vor allem mit Teil 8 Ihres Berichts beschäftigen, in dem Sie über die Positionierung aller Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder informieren.

Ein aktueller Anlass ist der laute und öffentliche, vor allem aber wirksame Aufschrei der Arbeitnehmerinnen, der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft gegen das geplante Beschäftigtendatenschutzgesetz. Allein dieser Name ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Niemand glaubt, dass diese Unverschämtheit – ein führender Arbeitsrechtler, Prof. Däubler, nennt das „Arbeitsrecht nach Gutsherrenart“ – wirklich und endgültig vom Tisch ist. Aber wir sehen: Widerstand lohnt sich.

Bespitzelungs- und Datenschutzskandale in großen und kleinen Unternehmen gab es in den letzten Jahren in unschöner Regelmäßigkeit. Egal ob Bahn, Telekom, Lidl oder Aldi – alle nutzten die immer billigeren und einfacheren Möglichkeiten sowie unklare Regelungen und weitgehende Straflosigkeit, um ihre Beschäftigten auszuforschen. Nach einer kurzen öffentlichen Empörungsphase geschah in der Regel – nichts; außer, dass die Bundesregierung, also CDU und FDP, die ehemals liberale Partei, genau diese Praxis legalisieren will.

(Jürgen Lenders (FDP): Wir sind immer noch liberal!)

Dagegen ist Widerstand notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wie positionieren sich unsere Datenschützer in dieser Frage? In der Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder aus dem März 2011 sagten Sie in aller Deutlichkeit als Anforderungen an den Beschäftigtendatenschutz – ich zitiere –:

Arbeitgeber dürfen dabei – insbesondere verdeckte – Überwachungsmaßnahmen nur ergreifen, wenn zu dokumentierende Tatsachen vorliegen.

Also kein Generalverdacht gegen alle Arbeitnehmerinnen und eindeutig nicht: „Ich überwache alle permanent, zwar mit öffentlichen Kameras, aber es werden alle überwacht“. Nein, genau das geht nicht.

(Beifall der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Eine Überwachung ist nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen – also mehr als ein Anfangsverdacht oder nur ein Tipp von Dritten.

Das ist genau das Gegenteil dessen, was CDU und FDP im Bund vorhaben. Als Hessischer Landtag sollten wir uns geschlossen an die Seite unseres Datenschutzbeauftragten stellen und damit an die Seite der Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN – Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Des Weiteren positionieren Sie sich auch zu den umstrittenen Screeningverfahren. CDU und FDP im Bund haben vor, Verhaltensweisen zu legalisieren, die wir noch vor zwei Jahren bei der Bahn als „Skandal“ bezeichnet haben.

Der Arbeitgeber soll ein Screening durchführen können, also alle ihm zugänglichen Dateien in Bezug auf das Verhalten seiner Arbeitnehmer auswerten können, und bei Bewerbern im Internet in sozialen Netzwerken recherchieren dürfen. Er soll dies nicht nur bei Anhaltspunkten für Straftaten tun dürfen, sondern auch ohne einen konkreten Verdacht. Umso besser, dass unsere Datenschützer hier – ich zitiere nochmals – „klare materielle Kriterien, z. B. Prüfung der Verhältnismäßigkeit, Vorliegen von tatsächlichen Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten“, einfordern. Recht haben sie, und wir sollten uns als Hessischer Landtag geschlossen an die Seite unserer Datenschützer stellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch zu einem dritten aktuellen Problem positionieren sich unsere Datenschützer ganz eindeutig. Die Funkzellenabfrage muss eingeschränkt werden. Ich zitiere wiederum aus Ihrem Bericht, Seite 202:

Die Strafverfolgungsbehörden in Dresden haben mit einer sogenannten Funkzellenabfrage anlässlich von Versammlungen und dagegen gerichteter Demonstrationen am 19. Februar 2011 Hunderttausende von Verkehrsdaten von Mobilfunkverbindungen erhoben, darunter die Rufnummern von Rufern und Angerufenen …

Für alle, die es nicht wissen: Es ging dabei um die Blockade eines Aufmarsches von Faschisten, an der wir als Fraktion teilgenommen haben.

Sie wenden sich als Datenschützer eindeutig gegen das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden und weisen zu Recht darauf hin, dass auch das Bundesverfassungsgericht stets betont hat, dass die Erhebung von Verkehrsdaten erhebliche Rückschlüsse auf das Kommunikationsverhalten zulässt. Verkehrsdaten können das soziale Netz eines Betroffenen widerspiegeln. Allein schon aus ihnen kann eine Verbindung zu Parteien, Gewerkschaften oder Bürgerinitiativen deutlich werden.

Sie fordern – ein letztes Zitat aus Ihrem Bericht –, „den Anwendungsbereich für eine nicht individualisierte Funkzellenabfrage einzuschränken, dem Grundsatz der Verhält

nismäßigkeit zu stärkerer Beachtung in der Praxis zu verhelfen“. Recht haben Sie, Herr Prof. Ronellenfitsch, und wir sollten als Hessischer Landtag geschlossen an der Seite unseres Datenschutzbeauftragten stehen. – Auch in diesem Sinne nochmals vielen Dank für Ihren Bericht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Wilken. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Enslin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Datenschutz hat in Hessen eine lange Tradition. Der Datenschutzbeauftragte hat es schon angesprochen: Willi Birkelbach, der erste Hessische Datenschutzbeauftragte, verfasste den Entwurf für das erste Hessische Datenschutzgesetz und damit auch für das erste gesetzliche Datenschutzregelwerk in der Welt. – Sie sehen, der Datenschutz spielt in Hessen eine ganz besondere Rolle. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein, und das sollte auch unser Anspruch sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Christian Heinz (CDU) und Nancy Faeser (SPD))

Mit dem 40. Datenschutzbericht liegt uns erstmals ein Bericht vor, der sich auch mit dem Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich befasst. Seit Juli 2011 ist der Hessische Datenschutzbeauftragte durch die Zusammenlegung von öffentlichem und privatem Datenschutz auch hierfür zuständig.

Dem Hessischen Datenschutzbeauftragten und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich an dieser Stelle für die geleistete Arbeit ganz besonders danken. Frau Faeser hat es schon gesagt: Die Umstände sind noch nicht optimal, aber wir arbeiten daran. Wenn wir sehen, dass Sie über 3.600 Beratungen per Telefon hatten, kann man sagen: Der Bedarf ist groß. – Ich freue mich, dass Sie das unter den noch nicht so guten Umständen so hervorragend geschafft haben. Dafür noch einmal herzlichen Dank von unserer Seite.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Der private Datenschutz wird in der Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Persönliche Daten werden massenhaft erhoben und ausgewertet. Das Internet ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Das bedeutet aber auch, dass Gefahren beim Umfang mit den persönlichen Daten lauern. Hier gilt es, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ernst zu nehmen und die Persönlichkeitsrechte zu wahren. Gerade die sogenannten kostenlosen Internetdienste sind alles andere als kostenlos. Dort zahlen die Nutzerinnen und Nutzer mit ihren persönlichen Daten. Für soziale Netzwerke sind die persönlichen Daten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine lukrative Ware bei ihren Geschäften mit der Werbewirtschaft.

Unter dem Stichwort „Big Data“ wird schon die nächste Stufe eingeleitet. Insgesamt 25,5 Milliarden € sollen in die

sem Jahr weltweit investiert werden, damit immer mehr Computer, Menschen und Geräte ununterbrochen Daten senden und riesige Server-Farmen diese dann aufzeichnen. Für eine Sensibilisierung der Menschen beim Umgang mit ihren persönlichen Daten zu werben und hier die Datensparsamkeit zum Prinzip zu machen, wird eine vordringliche Aufgabe der Zukunft sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Prof. Ronellenfitsch hat sich besonders konstruktiv in die Diskussion um die EU-Datenschutz-Grundverordnung eingebracht und darauf aufmerksam gemacht, wo die Kommission über das Ziel hinausschießt und unser hohes Datenschutzniveau gefährdet. Grundsätzlich begrüßen wir, dass es europaweit einheitliche und durchsetzbare Auskunfts- und Korrekturansprüche geben soll. Wir begrüßen auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrer Einwilligung die Verarbeitung an Bedingungen knüpfen und diese sogar zeitlich befristen können. Mittlerweile besteht aber die Gefahr, dass die Einwilligungsregelung durch die Widerspruchslösung verwässert werden soll, weil natürlich auch die Lobbyisten nicht untätig geblieben sind. Da müssen wir gemeinsam am Ball bleiben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Christian Heinz (CDU) und Nancy Faeser (SPD))

Lassen Sie mich noch auf einige Punkte im Bericht des Datenschutzbeauftragten zu sprechen kommen. Selbst der Hessische Landtag muss beim Datenschutz achtsam sein. Oft werden Bilder von Besuchsgruppen, auch von Schulklassen, ins Internet gestellt und in Broschüren abgedruckt. Das wurde in der Vergangenheit etwas locker gehandhabt. Der Datenschutzbeauftragte hat das Problem erkannt. Mit der Widerspruchslösung über die Schulen sind wir jetzt auf der sicheren Seite.

Auch bei der Speicherung von DNA-Analysen in der Polizeipraxis hat es in der Vergangenheit Beanstandungen des Datenschutzbeauftragten gegeben. Kollegin Faeser ist darauf näher eingegangen. Hier fehlte unter anderem die notwendige Dokumentation. Die Landesregierung hat zugesagt, für die Polizeipräsidien einheitliche Verfahrensvorschläge zu erarbeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Landesregierung, wir werden in der nächsten Sitzung des Unterausschusses Datenschutz nachfragen, wie weit Sie sind, denn das ist wirklich ein sehr wichtiges und sensibles Thema.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Auch den Recherchen von Jobcentern in sozialen Netzwerken hat der Hessische Datenschutzbeauftragte einen Riegel vorgeschoben. Diese Daten dürfen nur mit der Kenntnis der Betroffenen erlangt werden. So könnten nämlich auch Daten erlangt werden, die in keinem Zusammenhang mit der sozialgesetzlichen Aufgabe der Behörde stehen. Ich danke Ihnen, Herr Datenschutzbeauftragter, dafür sehr.