Protocol of the Session on December 13, 2012

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie sind mittlerweile unter den 5 %! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ihr Gesellschaftsbild teile ich einfach nicht. Es tut mir leid; Sie haben einen komplett falschen Ansatz. Wenn wir über das Thema Gesellschaft debattieren, dann reden Sie immer über die Armen und Reichen, aber zum Rest gibt es immer nur Worthülsen. Wenn man dann in Ihr Programm schaut, stellt man fest: Sie belasten diesen Rest der Gesellschaft, der sie zusammenhält; den halten Sie für jemanden, dem man 22 Milliarden € wegnehmen kann, und glauben, dass man das komplett umverteilen kann. Sie sind auch noch der Meinung: nicht, dass Sie für die Familien eine Wahlfreiheit schaffen, sondern Sie wollen das bis jetzt verbreitete Gesellschaftsbild von einer Familie bekämpfen und staatliche institutionelle Förderungen dagegensetzen.

Wir als Liberale wollen, das ist der absolute Unterschied, diese Förderung auch machen. Wir wollen sie aber als Angebot machen und nicht sagen: Wir bestrafen das eine Lebensmodell und fördern das andere. – Versuchen Sie doch endlich einmal, beide Formen des Zusammenlebens zu respektieren und gleich zu gewichten. Sie reden über Gleichstellung, meinen aber immer nur Ihre ideologische Sicht auf die Gesellschaft. Nehmen Sie doch einfach einmal die Menschen zur Kenntnis, die in Familien leben, wie sie leben. Respektieren Sie das, und erkennen Sie endlich an, was dort geleistet wird.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich möchte Ihnen noch einmal sagen, was für mich eigentlich entlarvend ist, wie Sie arbeiten – ich könnte dazu noch sehr viel beitragen; meine Redezeit ist jetzt leider zu Ende –: Es gibt in dieser Gesellschaft eine Gruppe, die jeden

Morgen aufsteht, die kämpft, die versucht, ihre Kinder zu erziehen – –

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist die Mehrheit der Deutschen! – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist mit dem Ehegattensplitting?)

Ja, die gibt es. Vielleicht glauben Sie das nicht; vielleicht lachen Sie darüber. – Ich finde, diese Leute sind wichtig. Als es im Bundesrat darum ging, diese Leute ernst zu nehmen, sie einmal zu entlasten und nur die steuerliche Progression ins Auge zu nehmen, sagten Sie aus ideologischen und wahlkampftechnischen Gründen Nein. Sie nehmen diese Menschen doch gar nicht ernst. Ich hoffe, dass die einmal in Ihr Wahlprogramm schauen, sodass sie auch mal verstehen, wofür Sie eigentlich stehen. Ich glaube, dann werden Sie einmal in den Realitäten ankommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für mich ist ganz klar: Die Familie ist wichtig, und die Gleichstellung muss kommen. Man muss die verschiedenen Lebensmodelle akzeptieren, als Staat wirklich fair unterstützen und keine Wertung vornehmen. Das steht uns nicht zu. Das sage ich ganz deutlich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Rock. – Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Schott gemeldet. Bitte schön.

Herr Rock, ich finde es bedauerlich, dass Sie versuchen, von den Mitparlamentariern im Haus ein Bild zu zeichnen, das nicht stimmt. Selbstverständlich erkennen alle hier im Raum an, dass Familien mit Kindern eine unglaubliche Arbeit leisten, die gesellschaftlich von großer Wichtigkeit und in den meisten Fällen sehr erfolgreich ist. Das bestreitet hier doch niemand.

Es bestreitet hier doch auch niemand, dass man Familien fördern muss. Ich habe nicht gehört, dass dies im Haus irgendjemand tut. Ich glaube, darin sind sogar Sie und ich uns einig, dass man Familien fördern muss. Aber – das ist der entscheidende Unterschied – ein großer Teil der Menschen, die miteinander verheiratet sind, profitiert von dieser sogenannten Familienförderung, obwohl sie lediglich ein Paar sind, und zwar ein Paar, bei dem einer deutlich besser verdient als der andere. Ich wage zu behaupten, eine ganze Menge Menschen hier im Raum profitiert davon, obwohl sie aktuell keine Kinder erziehen; sie haben es in der Vergangenheit vielleicht irgendwann getan oder werden es in der Zukunft tun.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Ich habe sechs Enkelkinder! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Na toll, aber die müssen Sie nicht ernähren!)

Ja toll, aber die müssen Sie, glaube ich, nicht ernähren und tagtäglich versorgen. Das ist damit doch einfach gar nicht gemeint. – Damit gemeint sind doch genau diejenigen, die Herr Rock eben am Schluss beschrieben hat: Es sind diejenigen, die sich jeden Tag mühen, ihren Alltag zu bewältigen, und ihre Groschen rumdrehen müssen, damit es dafür reicht und damit am Ende des Monats auch noch

Geld da ist. Die muss man entlasten. Man muss nicht diejenigen entlasten, die super gut oder gut verdienen und keine oder nicht mehr Kinder großziehen, wo aber mindestens einer ein deutlich besseres Einkommen hat als der andere. Das ist doch einfach nichts, was mit Familienförderung zu tun hat.

Das Geld, das wir da ausgeben, 20 Milliarden € jedes Jahr, könnten wir tatsächlich für Familienförderung ausgeben. Da fallen mir viele Möglichkeiten ein. Eine ist, wie gesagt, das Kindergeld zu erhöhen, Leistungen in die Richtungen zu erbringen, die Familien entlasten und tatsächlich den Kindern zugutekommen. Der 55-jährige, gut verdienende Ehemann einer Frau, die ein kleines Einkommen hat, oder umgekehrt, muss nicht entlastet werden. Der ist in der Regel nicht für kleine Kinder und deren Erziehung verantwortlich. Solange das der Fall ist, bitte schön; aber dann, wenn keine Kinder mehr im Haushalt sind, muss dieses Splitting aufhören. Es ist nicht zugunsten von Familien, sondern einzig zugunsten von Ehepaaren.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Nur da, wo es wirklich Familien trifft, ergibt es Sinn, und daher muss man es anders regeln. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Schott. – Zur Antwort, Herr Kollege Rock, bitte.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schott, dann muss ich Sie völlig falsch verstanden haben. Ich werde im Protokoll noch einmal nachlesen, was Sie gesagt haben. Aber zumindest Ihr Dosenbeispiel habe ich so verstanden, dass Sie gesagt haben, die Familienförderung sei schon da, weil die große Dosen kaufen könnten. So haben Sie das hier erklärt, und so ist es wohl auch bei vielen Kollegen hier angekommen. Darum werde ich es noch einmal nachlesen, vielleicht wurde es auch falsch verstanden.

Sie haben versucht, etwas klarzustellen. Ich habe auch versucht, es klarzustellen. Wenn Sie das Ehegattensplitting komplett auflösen, nehmen Sie den Familien – und zwar allen Familien – 22 Milliarden € weg.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nur den Ehepaaren!)

Das ist Geld, das man braucht, um seinen Kindern eine Ausbildung bezahlen zu können. Das ist das Geld, das man braucht, um ein bisschen Vorsorge zu betreiben. Das ist das Geld, das man braucht, für das man kämpft und womit man eine Familie finanzieren, für ein Häuschen oder eine Eigentumswohnung sparen kann. Dieses Geld, diese 22 Milliarden €, wollen Sie der Familie einfach wegnehmen. Das ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz.

Die Bundesregierung hat mit ihrem Gesetz – ich sage den Namen nicht, sonst fängt das Geschrei wieder an –, das Sie sehr stark diffamiert haben – –

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Jetzt wird wieder gelacht, wahrscheinlich wissen Sie es einfach nicht. – Die Bundesregierung hat über 4 Milliarden € Entlastung für Familien in Gesetzesform gegossen, und zwar nur für die Kinder in der Familie. Genau das haben Sie gefordert, und die Bundesregierung hat es schon gemacht. Wenn ich dann frage, wieso es so unverschämt ist, dass die Leute, die arbeiten und sich einsetzen – da muss man sich hier im Landtag anscheinend schon rechtfertigen –, sagen: „Wenn ich eine Lohnerhöhung bekomme, soll nicht der Großteil davon dem Staat zugutekommen, sondern ich hätte auch gern etwas davon“, und Sie ein solches Gesetz im Bundesrat ablehnen, wobei es wirklich um eine nur überschaubare Entlastung geht und darum, den Anreizgedanken in der Gesellschaft überhaupt aufrechtzuerhalten, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass das nicht familienfreundlich sein kann. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, werde ich es Ihnen hier noch ein paarmal sagen, vielleicht lernen Sie es dann. Ich glaube, wir haben hier einen ganz unterschiedlichen Ansatz, wie wir die Gesellschaft sehen, und der lässt sich auch nicht zusammenfügen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Rock. – Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Schäfer. Bitte schön.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt immer wieder Themen, die jenseits ihres sehr konkreten Problemgehalts gern genutzt werden, um sozusagen gesellschaftspolitische Grundkonsense oder -dissense bis ins Essgefach auszutragen. Ich glaube, dies ist wieder ein solches Thema. Ich glaube deswegen auch, dass Teile der Debatte der Ernsthaftigkeit des Themas nicht vollständig gerecht werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Dr. Spies, ich habe Ihrer Rede aufmerksam zugehört. Der Anteil, der sich mit der Sache beschäftigte, lag quantitativ doch ein ganzes Stück hinter dem politikwissenschaftlichen Exkurs zwischen der Democrazia Cristiana und den modernen Großstadtparteien zurück, sodass ich den Verdacht nicht loswerde, dass das Führen der Diskussion weniger dem Umstand geschuldet ist, besonders von der Sorge um die Familien in diesem Land getrieben zu sein, sondern dass zumindest auch – um es höflich zu formulieren – der kurzfristige parteipolitische Ertrag im Mittelpunkt steht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Dr. Thomas Spies (SPD): Schwacher Applaus bei der Union!)

Einer solchen Aussage zu applaudieren ist auch schwierig, Herr Dr. Spies. Das muss man ganz nüchtern so sehen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir haben das – Frau Kollegin Ravensburg hat darauf hingewiesen – bereits vor einigen Wochen hier diskutiert. Der zentrale Unterschied in der Sachbetrachtung liegt in der Frage: Soll man – jenseits aller gesellschaftspolitischen Grundsatzüberzeugungen, das lasse ich alles einmal beiseite – wenige Monate, bevor sich das Bundesverfassungsgericht in dieser Angelegenheit im Grundsatz äußern wird, vorweg eine Entscheidung treffen? Oder soll man nicht erst abwarten, wie das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen an dieser Stelle sieht? Darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Man kann sagen, Entscheidungen zur Erbschaftsteuer und Ähnlichem reichen aus, um sich ein Bild davon zu machen und eine politische Entscheidung zu treffen. Andere sagen: Lasst uns das erst einmal anschauen und sehen, welche Spielräume für gesetzgeberische Ausgestaltung das hat. – Ich glaube, das sind beides veritable, vertretbare Positionen.

Was aber schwierig ist, ist der Vortrag: „Lasst uns das früher entscheiden“, ohne gleichzeitig ein Rezept dafür zu haben, wie man es denn entscheiden soll, die bloße Übertragung – Herr Rock hat Ihr Parteiprogramm ja zitiert – eines von Ihnen für falsch gehaltenen steuerlichen Impetus des Familiensplittings auf eine neue Gruppe, ohne dabei zu wissen, wie man den nächsten Schritt gehen will.

Meine Damen und Herren, eines ist doch klar: Dieser Vortrag, das Ehegattensplittung koste 22 oder 23 Milliarden € im Jahr, und man habe diesen Block sozusagen vollständig zur Verfügung, um es irgendwie umzuverteilen, ignoriert auch wesentliche Teile der Verfassung. Wenn Sie sich das nämlich genau anschauen, stellen Sie fest, von diesen 23 Milliarden € sind vielleicht 2 oder 3 Milliarden € am Ende disponibel, ohne in verfassungsrechtlich geschützte Rechte von Bürgerinnen und Bürgern einzugreifen. Das reduziert die Spielräume dieser politischen Debatte schon einmal beträchtlich.

Lassen Sie mich noch eines hinzufügen: Wir sollten den Versuch unternehmen, dieses Problem ganzheitlich zu lösen, also nicht einseitig auf die Frage der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften fokussiert, sondern im nächsten Schritt, wie wir zu einer Umstellung unseres Steuerrechts kommen, von der reinen Eheförderung hin zu einer stärkeren Kinderorientierung. Darum haben wir als Landesregierung begonnen, mit den Kirchen unseres Landes ein Modell zu diskutieren, was dies schrittweise ermöglichen könnte. Aber das ist eine komplexe gesellschaftspolitische Debatte, die man nicht übers Knie brechen oder bei der beispielsweise nicht versucht werden sollte, das im Jahressteuergesetz nebenbei zu regeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wird dem Problem überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ganz aktuell aus der Tagesdebatte: Wie sehr dieses Thema gerade bei den GRÜNEN eine politisch-ideologische Überhöhung findet, hat sich gestern im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat eindrucksvoll gezeigt. Die rot-grüne Seite, die im Vermittlungsausschuss eine Mehrheit hat, hat darauf bestanden – nachdem man sich über das Jahressteuergesetz in allen Einzelheiten geeinigt hatte –, dass diese Frage der Gleichstellung jetzt, wie das Jahressteuergesetz, in die Steuergesetzgebung aufgenommen wird. Weil das am Ende die andere Seite nicht mitgetragen hat, hat sie den Rest vollständig scheitern lassen. Da haben Sie im Dutzend Einschränkungen von Steu

ersparmodellen, die genau durch diese Vermittlungsentscheidung zustande kommen sollten, verhindert. Sie haben verhindert, dass dieses Lückenschließen von Steuersparmodellen kommt, nur um des Preises willen, sagen zu können: Wir haben uns wieder einmal für die gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingesetzt. – Das nenne ich ideologische Überhöhung jenseits von sachpolitischer Notwendigkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wer dann das Schweizer Steuerabkommen – wir haben im nächsten Tagesordnungspunkt ausführlich Gelegenheit, auch über Steuergerechtigkeit, Steuerabkommen und Ähnliches zu reden – mit dem Argument der Steuergerechtigkeit ablehnt, aber gestern aus solchen ideologischen Motiven heraus das Schließen von Steuergerechtigkeitslücken größeren Ausmaßes verhindert – die Cash-GmbH bei der Erbschaftsteuer und Ähnliches –, der arbeitet unehrlich und ausschließlich parteipolitisch motiviert.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir verfolgen einen anderen Weg. Wir werden die Diskussion in die Fortentwicklung des Ehegattensplittings hin zu einem Familiensplitting weiterführen. Wir werden Ihnen auch ein Modellkonzept dazu vorlegen, wie man so etwas behutsam im Übergang lösen kann.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir werden Ihnen ein Modell vorlegen, das den Übergang vom Ehegattensplitting hin zu einem vernünftigen und zukunftsgewandten Familiensplitting ermöglicht. Dann werden wir das an sehr konkreten Sachverhalten diskutieren. Diese Plakatsätze, mit denen Sie hier Ihren Setzpunkt bestritten haben, bringen uns da keinen Meter weiter. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)