Protocol of the Session on December 13, 2012

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Wir haben sie doch erfunden, damit wir ein ähnliches Modell, eine Gleichstellung, eine möglichst ähnliche Lebensanerkennung einer Gemeinschaft haben wie bei der Ehe. Wenn wir wollen, dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften genauso betrachtet werden wie eine Ehe, dann können wir ihnen doch nicht alle Pflichten aufbürden, aber bei den Rechten sagen: „Nein, das haben wir uns anders überlegt. Die gibt es nicht.“ Das geht nicht. Das kann man nicht machen.

Wenn ich dann höre: „Wenn man eine Gruppe bevorzugt, heißt das doch nicht, dass man die andere benachteiligt.“ Natürlich heißt es das.

(Zuruf der Abg. Claudia Ravensburg (CDU))

Immer dann, wenn ich einen Menschen oder eine Gruppe bevorzuge, benachteilige ich eine andere. Denn die einen haben Vorzüge. Vorzüge bedeutet: Ich habe etwas, ein Privileg, ein Bonbon mehr, oder was auch immer, was ein anderer nicht hat, was der Benachteiligung eines anderen automatisch gleichkommt. Anders kann es nicht funktionieren.

(Claudia Ravensburg (CDU): Falsch!)

Wieso falsch? Das ist absolut richtig. Denn ich kann nicht jemanden bevorzugen, ohne einen anderen zu benachteiligen. Das geht überhaupt nicht. Folglich ist es eine Benachteiligung der gleichgeschlechtlichen Beziehungen, die eine Partnerschaft eingehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auf Äußerungen wie: „Gott hat Mann und Frau geschaffen“ usw. will ich hier lieber gar nicht eingehen. Das ist wirklich vorgestrig.

Wenn ich dann höre, dass man die Regelungen in Richtung eines Familiensplittings zur Förderung im Haushalt lebender Kinder weiterentwickeln will: Ja, aber dann doch bitte auch wieder bei allen. Auch wenn nicht die Mehrheit der

gleichgeschlechtlichen Paare mit Kindern lebt, so kenne ich allein in meinem Umfeld mehrere gleichgeschlechtliche Paare, die sehr wohl mit Kindern leben. Also, wo ist da die Förderung dieser Kinder?

Das Ehegattensplitting kostet uns jährlich rund 20 Milliarden €. Das fördert eben nicht nur Familien, sondern es fördert vor allem Ehen mit ungleichem Einkommen. Die Einsparungen betragen für solche Familien bis zu 15.600 € im Jahr. Wir denken, wenn man Kinder fördern will, dann sollte man alle Kinder gleichermaßen fördern. Deswegen muss man beim Kindergeld anfangen; denn das kommt allen Kindern zugute, unabhängig vom Einkommen und der Lebenssituation ihrer Eltern. Das setzt natürlich voraus, dass man es ermöglicht, dass Hartz-IV-Kinder dieses Geld auch tatsächlich bekommen und es nicht wieder weggestrichen wird. Das ist eine Grundvoraussetzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann doch nicht sein, dass der Wert eines Kindes proportional zum Einkommen seiner Eltern steigt. Das ist doch ein unerträglicher Zustand. Wenn uns Kinder etwas wert sind, dann müssen wir sie fördern, dann müssen wir sie alle fördern, dann müssen wir insbesondere die fördern, die der Förderung wirtschaftlich bedürfen, und nicht, indem wir sagen: Eltern, die viel verdienen, sollen davon viel behalten.

In diesem Sinne kann es für uns nur heißen: So lange, wie wir das Ehegattensplitting haben, muss es auch für alle Ehen gelten, auch für Ehen im weitesten Sinne. Das sind für mich Lebenspartnerschaften. Langfristig ist es kein Zustand mehr, der in unsere Gesellschaft passt. Langfristig brauchen wir dringend eine Veränderung, die dazu führt, dass Kinder gut gefördert werden können. Das funktioniert nicht über das gegenwärtige Modell. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Schott. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Rock das Wort. Bitte schön, Herr Rock.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Voranzuschicken, wie wir Liberale zu der Gleichstellung von Lebensgemeinschaften stehen, ist eigentlich nicht notwendig. Das ist hier bekannt. Ich möchte es trotzdem voranschicken: Für mich ist die steuerliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften inhaltlich richtig und rechtlich geboten. Das habe ich an dieser Stelle schon einmal gesagt. Das ist auch die Haltung der FDP.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Kordula Schulz- Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben hier auch schon besprochen und darüber beraten, dass das, was wir auf Landesebene an der Stelle machen können, jetzt auf den Weg gebracht ist. Ich glaube, wir sind auf der übergeordneten Diskussionsebene in Hessen einig, dass wir die Dinge so vorangebracht haben, wie es rechtlich geboten ist. Darum ist die Diskussion über das Thema für uns im Landtag in Hessen nicht ganz so aufgeregt wie im Bundestag, wo die eigentlichen Entscheidungen dazu fallen müssen.

Als ich den Antrag der GRÜNEN gelesen habe, dachte ich: Ein Setzpunkt, zehn Minuten soll ich dazu reden, und die legen einen Antrag vor, der aus einem Satz besteht, 35 Worte, keinerlei Begründung. – Man kann einen kurzen Beschlusstext formulieren, wenn man dann eine ausführliche Begründung dazu formuliert. Die war nicht beigegeben. Dann habe ich mir gedacht: Was wollen die erreichen? – Mir war nicht klar, dass Sie Ihr Wochenende damit verbracht haben, den Parteitag der CDU zu schauen. Ich habe mich um meine Familie gekümmert.

Ich war überrascht, dass das Ihr Ansatz war. Ich dachte, Sie wollten ein Thema voranbringen und Ihre Überlegungen als GRÜNE in den Mittelpunkt stellen. Darum habe ich mir die Mühe gemacht und habe in Ihr Wahlprogramm geschaut. Ich habe gedacht: Wenn die GRÜNEN schon keine Begründung zu dem Antrag schreiben, dann schaue ich mal, was sie zu der Familienförderung, zur Gleichstellung und zu Kindern in ihr Programm geschrieben haben. Dann war ich doch einigermaßen überrascht.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich habe in Ihr Bundestagswahlprogramm geschaut. Sie brauchen eigentlich keine steuerliche Gleichstellung zu beantragen. Denn wenn Sie sich durchsetzen, gibt es keine steuerlichen Privilegien mehr für die Familien. Dann haben Sie die steuerliche Gleichstellung über die andere Seite erreicht. Denn Sie sagen: Das Ehegattensplitting ist überflüssig. Wir schaffen das ab und erreichen auf diese Art und Weise die Gleichstellung.

Dann dachte ich: Na ja, eigentlich macht Ihr Antrag substanziell wenig Sinn. Als ich gestern noch über den Ticker habe laufen sehen, dass zum Jahressteuergesetz der Vermittlungsausschuss festgestellt hat, dass die Gleichstellung als Vermittlungsergebnis herausgekommen ist, dachte ich: Es ist Zeit, den Antrag zurückzuziehen.

In der Debatte habe ich jetzt gehört, dass Sie sich inhaltlich nur einmal mit der Debatte in der Union auseinandersetzen wollten, die diese Partei führt, wie sie sie führt.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich weiß nicht, ob Sie uns darüber informieren wollten. Aber das ist eigentlich keine wirklich inhaltliche Debatte zu dem Thema Familie und Kinder.

(Beifall bei der FDP)

Es ist wie vieles bei Ihnen ein Showantrag, in dem Sie versuchen, mit dem Finger auf andere zu deuten. Wenn ich in Ihr Programm schaue, stelle ich aber fest, dass Sie Ihre Hausaufgaben gar nicht gemacht haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Jetzt muss ich kurz zur Fraktion DIE LINKE herüberschauen. Die Vorstellung von Gesellschaft, die Sie haben, finde ich absurd. Wir müssen uns doch darüber im Klaren sein, dass die Verantwortungsgemeinschaft, die sich in der Gesellschaft der Menschen bildet – die mag sein, wie sie ist; da ist die Ehe und die Familie eine ganz zentrale Verantwortungsgemeinschaft –, tatsächlich das ist, worauf unsere Gesellschaft fußt. Die Bereitschaft, Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen, bildet sich nicht darin ab, ob man eine große Dose oder eine kleine Dose im Supermarkt kauft, sondern dass man in allen Lebenslagen Verantwortung füreinander übernimmt, auch in schwieri

gen Zeiten, wie Krankheit oder bei anderen Problemen. Es gibt in Familien nicht nur die extrem problematischen Situationen. Eine Familie ist ihr ganzes Leben lang am Arbeiten, am Kämpfen, am Sich-Finden und dabei, ihr Leben zu entwickeln.

Dass man so etwas negiert und in einer Art und Weise darstellt, als wäre das völlig aus der Welt und würde nicht mehr zu unserer Gesellschaft gehören, sehe ich völlig anders.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen: Wir müssen bei der Frage, wie ich Familien fördere, die Gewichtung verändern und die Themen Pflege und Kindererziehung viel stärker in den Mittelpunkt stellen. – Was machen Sie aber? Was machen die GRÜNEN in ihrem Programm? Sie nehmen den Familien, indem Sie das Steuerprivileg streichen, 22 Milliarden € weg. Sie wollen den Familien, die Verantwortungsgemeinschaften sind, die sich um Kindererziehung und die Pflege ihrer Eltern kümmern, die füreinander Verantwortung übernehmen und dem Staat durch ihre familiäre Leistung unglaublich viel Geld sparen, 22 Milliarden € wegnehmen; und die wollen Sie nicht umverteilen, sondern es ist einfach eine Mehreinnahme. Diese Mehreinnahme wollen Sie dann einsetzen, um Kinderarmut zu bekämpfen. Dazu kann ich nur sagen: Erst schaffen Sie in den Familien die Probleme, um sie dann mit einer zusätzlichen Kinderarmutsprämie oder was auch immer bekämpfen zu wollen.

(Wortmeldung der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Rock, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nicht in zehn Minuten. Sie kann nachher gern noch eine Kurzintervention machen.

An der Stelle haben Sie einen großen Erklärungsbedarf, wie Sie sich denn künftig Gesellschaft vorstellen. Ich glaube nicht, dass es Sinn und Zweck macht, zu glauben, dass der Staat alle Erfordernisse, die das Leben eben mit sich bringt, mit Prämien oder sonstigen Sachen lösen soll. Wir haben ein System, das sich bewährt hat: die Familie. Aus der erwächst die Gesellschaft, und sie übernimmt Verantwortung. Dieses Gesellschaftsbild bildet sich auch unter uns aus; es ist das, was wir in unserem Selbstverständnis vor uns hertragen. Ich glaube, dass das einer Unterstützung bedarf und dass wir nachjustieren müssen.

Ich möchte nur einmal daran erinnern, dass die Bundesregierung ein Gesetz eingebracht hat, das sich genau dem Thema gewidmet hat, das Sie unglaublich denunziert haben, wo wir immer nur über eine Hotelsteuer gesprochen haben. In diesem Gesetz hat die Bundesregierung gleich am Anfang der Legislaturperiode gesagt: Ich will Kinder fördern. Ich will die Familie fördern, indem ich die Kinder fördere. – Dort sind 4,2 Milliarden € in die Hand genommen worden, um Kinder und Familien mit Kindern zu unterstützen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ja, aber doch nur die Reichen!)

Das ist die richtige Politik; die hat diese Bundesregierung gemacht, und die haben Sie aus anderen Gründen immer diskreditiert.

Ich halte es für richtig, dass die Bundesregierung in diesem Bereich 4,2 Milliarden € investiert. Sie wollen den Familien 22 Milliarden € wegnehmen. Ich glaube, das ist der komplett falsche Ansatz.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben doch keine Ahnung!)

Sie wollen das nicht in andere Leistungen packen; Sie wollen das in staatliche Investitionen packen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben keine Ahnung! Es hat doch überhaupt nichts mit dem Programm zu tun!)

Ich habe Ihr Programm doch hier vorne liegen. Sie müssen vielleicht einmal reinschauen, was Sie auf Ihren Parteitagen beschließen, und sollten nicht immer schauen, was die anderen beschließen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Machen Sie doch wirklich einmal Ihre Hausaufgaben. Wenn die Leute, die Sie wählen, liebe Freunde von den GRÜNEN, wirklich wüssten, was für ein Gesellschaftsbild Sie haben und was Sie für richtig und falsch halten, würde Ihre Akzeptanz in der Gesellschaft ganz anders aussehen. Leider schauen die Leute zu wenig auf das, was Sie auf Ihren Parteitagen wirklich beschließen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie sind mittlerweile unter den 5 %! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))