Protocol of the Session on November 22, 2012

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Das Wort hat Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der gestrigen Generaldebatte zum Haushalt und zum Einzelplan 08 bereits einige der Aspekte angesprochen, die heute zur Diskussion stehen. Klar ist in der Generaldebatte von gestern auch gewesen, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD nicht so genau weiß, wovon er spricht, wenn er von Betreuungsquote und Versorgungsquote redet. Das kann man dem Kollegen Merz nicht unterstellen, dass er das nicht wüsste.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Arroganz ersetzt nicht immer Inhalt! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP): Herr Merz wurde gerade gelobt, Sie müssen zuhören! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Merz hat noch nicht einmal protestiert. Ich habe gesagt, man könne Herrn Merz nicht vorwerfen, dass er diesen Unterschied nicht kennen würde. Nicht immer reflexartig reagieren, Herr Frömmrich, sondern zuhören und versuchen, dann zu reagieren.

Das Einzige, was ich Herrn Merz an dieser Stelle – aus der politischen Rhetorik und dem Bild der SPD verständlich – vorwerfe, ist, dass er mit Zahlen hantiert, die seinen politischen Ansichten am besten entsprechen.

(Torsten Warnecke (SPD): Das macht die CDU ja ganz anders!)

Deswegen muss man die Frage stellen, wo der Unterschied zwischen Betreuungs- und Versorgungsquote liegt. Ich erkläre das jetzt noch einmal ganz langsam, damit der nicht anwesende Fraktionsvorsitzende der SPD auch im Protokoll nachlesen kann, was das eigentlich ist.

Die Betreuungsquote, die das Statistische Landesamt darstellt, zeigt das Verhältnis, wie viele Kinder unter drei Jahren in Hessen in einer Kindertagesstätte und in der Tagespflege betreut werden, zur Gesamtzahl der Kinder unter drei Jahren, die es in Hessen gibt. Das ist die Betreuungsquote.

(Zuruf des Abg. Torsten Warnecke (SPD))

Die Versorgungsquote gibt an, wie viele Plätze in Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege vorhanden sind, im Verhältnis zur Gesamtzahl der Kinder unter drei Jahren in Hessen.

Herr Minister, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein, ich bin ja gerade in der Erklärung. Wenn ich nicht richtig erklärt haben sollte, kann man noch einmal nachfragen. – Letzteres ist also die Versorgungsquote. Die Versorgungsquote spiegelt wider, wie weit man dem Wunsch der Eltern auf Betreuung ihrer Kinder in den Kindertagesstätten oder in der Kindertagespflege nachkommt. Damit stehen der Elternwunsch und die Familie im Vordergrund. Das unterscheidet uns. Wir, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, sagen, wir wollen uns nach dem richten, was Familien wünschen, und nicht, dass der Staat das vorschreibt. So einfach ist das.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Um auch das noch einmal auszuführen: Momentan führen wir eine Erhebung im Hinblick auf die Differenzen zwischen Versorgungs- und Betreuungsquote durch. Dazu gibt es wichtige und ganz wesentliche Erkenntnisse, die demnächst noch intensiver zu diskutieren sein werden.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir stellen beispielsweise fest, dass in einigen Städten und Gemeinden insbesondere in Nordhessen ein riesiges disparates Verhältnis zwischen Versorgungs- und Betreuungsquote besteht. Es gibt Städte, die haben schon heute Plätze in einer Größenordnung von rund 55 % für ihre in dieser Stadt lebenden Kinder unter drei Jahren genehmigt, mit Personal. Aber tatsächlich sind in einer solchen Kommune nur 20 % der Kinder in einer Kindertagesstätte.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist aber wirklich unglaublich! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

An genau dieser Stelle muss man die Fragen stellen. Diese Fragen stellen wir auch hinsichtlich der Förderrichtlinien

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

gut, dass Sie es einwerfen, Herr Dr. Spies, passen Sie auf –, die jetzt neu für das Landesinvestitionsprogramm auf den Weg kommen. Es wird gefragt, wie wir es schaffen können, dass Jugendämter ihrer Verantwortung gerecht werden; denn wir werden nur nach den Bedarfsplanungen der Jugendämter tätig und genehmigen, wenn die Jugendämter vor Ort – in der Regel von sozialdemokratischen oder grünen Sozialdezernenten bestätigt – sagen: Diesen Bedarf haben wir vor Ort tatsächlich, insbesondere in Nordhessen, aber auch in anderen Bereichen.

Jetzt sagen wir: Nein, die haben uns schlicht und einfach hinters Licht geführt, die haben einen höheren Bedarf gemeldet, als sie tatsächlich haben. Sie haben Gelder bekommen und investiert, die den Städten in den größeren Ballungsgebieten Hessens fehlen.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Das werden wir jetzt ändern. Es ist schlicht und einfach kommunale Verantwortung, keine Landesverantwortung – nur, um einmal deutlich zu sagen, wo die Verantwortlichkeiten liegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Darüber hinaus: Manches wird nicht wahrer, auch wenn man es noch so oft erklärt; das ist einfach so, Herr Schmitt. Die Bedarfsplanung wird nicht vom Land gemacht, sondern von den kommunalen Jugendämtern. Der Jugendhilfeträger macht die Bedarfsplanung, nicht das Land.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wie Sie mit denen umgehen, haben wir bei der MVO gesehen! – Weitere Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Darauf komme ich noch, ich habe ja Zeit. Sie können sich dann noch zu Wort melden.

Vieles wird nicht wahrer, wenn man es wiederholt, es dabei aber immer falsch wiederholt. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Betreuungsausbau im Jahre 2007 ist vereinbart worden, dass die Länder durch geeignete Maßnahmen Sorge dafür zu tragen haben, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel auch tatsächlich und zusätzlich den Kommunen und Trägern zur Verfügung gestellt werden. – Das haben wir gemacht: In der ersten Tranche 98 % schon im Mittel. Wörtlich heißt es dort:

Die Länder werden ebenfalls finanzielle Voraussetzungen dafür schaffen, dass die vereinbarten Ziele erreicht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Land Hessen wird die finanziellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Vereinbarung von 35 % Versorgungsgrad in Hessen zum 1. August 2013 erfüllt wird. Wir werden sogar die Voraussetzungen dafür schaffen, dass mehr erreicht wird.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Insofern werden wir als Land dieser Vereinbarung auch gerecht werden. Das ist mittlerweile auch keine Debatte mehr wert – das wissen Sie, Sie haben es in der Vergangenheit immer zu bestreiten versucht –, weil die Bundesmittel sehr schnell und unkompliziert an die Kommunen weitergeleitet worden sind.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Landesanteil an der Finanzierung sei, so sagen Sie, nicht hoch genug. Das ist offensichtlich das Ergebnis der vielen Anfragen hierzu. Aber auch hier muss ich feststellen, dass Sie sich auf dem Holzweg befinden und die Antworten anscheinend nicht verstehen wollen, die Ihnen gegeben werden; denn Ihren Anträgen liegt nach meiner Auffassung eine sehr eingeschränkte Betrachtung mit Blick auf einzelne Kapitel des Haushalts zugrunde, die der Sache nicht hinreichend Rechnung trägt. Für eine Beurteilung bedarf es tatsächlich einer Gesamtbetrachtung von Aufgabenverteilung und Verteilung der Finanzausstattung.

Wahr ist: Die Ausgaben für Kinderbetreuung – das heißt, die Fördermittel, die Kommunen und Trägern in Hessen aus verschiedenen Förderprogrammen im Bereich der Kinderbetreuung zur Verfügung stehen – sind in den Jahren 1999 bis 2012 von 74,5 Millionen € auf rund das Fünffache, nämlich 355,8 Millionen €, gestiegen. – Wer jetzt sagt, es gebe keinen Schwerpunkt bei der Landesregierung, der irrt und schaut einfach daran vorbei.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wahr ist auch, dass nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des U-3-Ausbaus in Hessen wichtig ist. Darum haben wir die Rahmenbedingungen, die Personalausstattung bis hin zur Gruppengröße, in der Kinderbetreuung in Hessen an die gestiegenen Anforderungen auch und gerade im U-3-Bereich angepasst. Dies war schlicht und einfach nötig, um sicherzustellen, dass Eltern für ihre Kinder überall in Hessen vergleichbare Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung vorfinden.

In diesem Zusammenhang lautet Ihr Vorwurf, man hätte die Landesregierung zu einem finanziellen Ausgleich durch den Staatsgerichtshof zwingen müssen. Wahr ist: Über die Frage, ob diese Änderung unter die Konnexitätsregelungen der Hessischen Verfassung fiel, gab es unterschiedliche Vorstellungen.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es gab vor allem Gerichtsurteile!)

Nach der rechtlichen Klarstellung wurde schnellstmöglich eine Einigung in die Wege geleitet.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Klatsche nennt man das! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Schulz-Asche, auch dort liegen Sie vollkommen falsch. Die Landesregierung hat den Prozess vor dem Staatsgerichtshof gewonnen und nicht verloren.

(Lachen bei der SPD und der LINKEN)

Wer an der Stelle irgendetwas anderes behauptet, der kann das Urteil nicht lesen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): War aber teuer!)

Sie müssen einfach mal lesen, wogegen die Kommunen geklagt haben und wozu der Staatsgerichtshof gesprochen hat.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten – Mathi- as Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Jetzt sagen Sie das, weil Sie gewonnen haben! Alles klar, Herr Minister!)

Es ist schon witzig. Wie Sie wissen, Herr Merz, haben die Kommunen vor dem Staatsgerichtshof darauf geklagt, dass das Land keine Mindestverordnungen erlassen darf, und der Staatsgerichtshof hat geurteilt, es darf.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Und kriegt jetzt einen dreistelligen Millionenbetrag!)

Insofern haben wir gewonnen.

(Weitere Zurufe von der SPD und der LINKEN)