Ich komme zum Schluss. – Nichts passiert, und wenn uns nichts vorliegt, sehen wir auch nicht, dass Sie sich engagieren. Ich fasse zusammen: Dieser Gesetzentwurf liefert keine Antworten auf die Fragen der Zukunft in Bezug auf die Finanzierung und den Klimaschutz. Deswegen werden wir ihn ablehnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf für eine Novelle des hessischen ÖPNV-Gesetzes erfüllt die Ansprüche, die er selbst formuliert, überhaupt nicht. Dass Sie ein Gesetz vorlegen, das auf die zentrale Frage, wie der ÖPNV in Hessen zukünftig finanziert werden soll, einfach keine Antwort gibt, halte ich schon für bemerkenswert.
Ich erkenne an, dass dieser Entwurf zunächst in einem formal sehr transparenten Verfahren entstanden ist. Ich fand die Einladung des Verkehrsministeriums zu den gemeinsamen Gesprächsrunden anfänglich wirklich vorbildlich für einen Gesetzgebungsprozess, bei dem alle Beteiligten an einen Tisch geholt werden. Aber dieser Anspruch auf Transparenz wurde dann ein Stück weit ad absurdum geführt, indem uns die Grundlage für das ganze Gesetzgebungsverfahren, nämlich eine Studie von PricewaterhouseCoopers, sehr lange nicht vorgelegt wurde. Die Oppositionsfraktionen kannten die Grundlage also eigentlich gar nicht. Sie wurde uns mittlerweile zugeleitet. Das ist die Studie, auf deren Grundlage ermittelt wurde, dass uns in den kommenden Jahren 140 Millionen € pro Jahr fehlen werden.
PwC schreibt selbst, dass durch Synergieeffekte auf der Regieebene nur 10 Millionen € eingespart werden könnten. Auch wenn die anderen Posten, die PwC aufführt, maximal ausgeschöpft würden, käme eine Einsparung in Höhe von 140 Millionen € nicht zustande. Herr Müller, es ist also völlig unmöglich, diese Finanzierungslücke allein mithilfe von Einsparungen zu schließen. Das wissen Sie auch.
Vor diesem Hintergrund machen die Unternehmensberater auch gleich darauf aufmerksam, dass es Leistungsabbestellungen geben kann. Auch in Hessen könnte es darauf hinauslaufen, sogar in erheblichem Maße: 15 % oder mehr. Darüber verlieren Sie kein Wort.
Vor zwei Jahren war Roland Koch immerhin so ehrlich, zu verkünden, dass im ÖPNV ein „Ende der Behutsamkeit“ kommen werde. „Kürzungen beim Nahverkehr bedeuten höhere Fahrpreise oder ein geringeres Angebot“, hat er damals gesagt. Ich befürchte, das ist genau die Situation, die uns ab 2015 bevorsteht.
Die Forderungen der Kommunalen Spitzenverbände sind in diesem Punkt einhellig und nachvollziehbar. Das Land soll endlich, wie es auch sonst üblich ist, seine Verantwortung, die es aufgrund der Föderalismusreform hat, wahrnehmen und den ÖPNV mit Landesmitteln fördern. Das wäre eine Konsequenz, die sich auch aus den Überlegungen und Beschlüssen der hessischen Nachhaltigkeitsstrategie ergibt, in der vorgesehen ist, den Anteil des ÖPNV am Verkehrsaufkommen deutlich zu erhöhen.
Der ÖPNV in Hessen fährt auf Verschleiß. Die Investitionen reichen nicht aus, um den Wertverfall auszugleichen. Das heißt im Klartext: Wir brauchen hier dringend mehr
Geld, sonst wird das Angebot auf kurz oder lang deutlich eingeschränkt werden müssen. Ich denke, gerade angesichts der demografischen Entwicklung und der Probleme des ländlichen Raums brauchen wir einen leistungsstarken öffentlichen Personennahverkehr.
Meine Damen und Herren, am Dienstag war der Landesvorsitzende der Gewerkschaft ver.di im Landtag, um die Unterschriften von über 2.100 Beschäftigten im hessischen ÖPNV zu überreichen. Herr Müller und ich haben sie entgegengenommen. Die Unterschriften zeigen, wie umstritten die ÖPNV-Novelle bei den Betroffenen, d. h. bei den Beschäftigten, ist. Was ver.di und die EVG kritisieren – dabei werden sie von den Arbeitgebern der Branche sogar unterstützt –, ist, dass aufgrund der viel zu knappen Finanzierung des ÖPNV Tarifverhandlungen quasi nicht mehr möglich sind.
Die Beschäftigten erfahren also ständige Lohnkürzungen, und das von einem Niveau ausgehend, das in Hessen ohnehin schon dem Niedriglohn entspricht. Einige Folgen davon sind ein chronischer Personalmangel und eine extrem hohe Fluktuation unter den Beschäftigten; denn wer 10.000 € für die Ausbildung zum Busfahrer ausgegeben hat, arbeitet nicht gern für 10,88 € in der Stunde. Das ist aber der Einstiegstarif beim LHO-Tarifvertrag. Ich persönlich finde das nachvollziehbar.
Viel mehr bekommt man auch nach vielen Arbeitsjahren nicht. In unseren Nachbarländern liegen die Einstiegstarife um fast 2 € höher; in Baden-Württemberg liegen sie sogar über 14 €.
Indem Sie im ÖPNV-Gesetz nicht einmal die Möglichkeiten ausschöpfen wollen, die durch die EU-Verordnung 1370 für den Betreiberwechsel vorgesehen sind, öffnen Sie einem weiteren Wettbewerb über Lohndumping die Tür. Das ist die Entwicklung, die man in den letzten Jahren beim hessischen ÖPNV feststellen muss, nämlich dass Mittelständler vom Markt verschwunden sind, dass das Lohnniveau gesenkt wird, dass also der Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten und der kleinen und mittelständischen Unternehmen ausgetragen wurde.
Die Anhörung hat klar gezeigt, dass es enorm viel Kritik an dem Gesetzentwurf gab. Die Experten haben die Finanzierung angesprochen, aber nicht nur die, sondern es ging auch um die kommunale Selbstbestimmung, die Möglichkeit der EU-Verordnung 1370, aber auch um die Einrichtung eines Mobilitätsbeauftragten der Landesregierung.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Es werden 50.000 € ausgegeben, während man überall anders dazu nicht bereit ist. Sie haben von der berechtigten Kritik leider nichts in Ihren Gesetzentwurf einfließen lassen.
Letzter Satz. Für uns ist der ÖPNV eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Deshalb können wir diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht zustimmen. Es geht hier leider nicht um einen Ausbau des ÖPNV.
Es geht nicht darum, wie wir beispielsweise bessere Barrierefreiheit schaffen, sondern dieser Gesetzentwurf gefährdet die Zukunft des ÖPNV in Hessen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Müller hat darauf hingewiesen, dass es bei diesem Gesetzentwurf einen langen Vorlauf gegeben hat. Das ist richtig. Es gab eine breite Beteiligung der betroffenen Verbünde, der Verkehrsunternehmen und der Kommunalen Spitzenverbände. Aber der uns hier vorliegende Entwurf ist ein Beispiel dafür, dass etwas, was mit großer Beteiligung noch so lange währt, nicht unbedingt anschließend auch gut werden muss.
Mit Annahme dieses Gesetzes erhält der ÖPNV in Hessen keinen einzigen Euro mehr. Im Gegenteil: Unstrittig ist unter allen, dass dem ÖPNV in Hessen ab dem Jahr 2015 jährlich 140 Millionen € fehlen werden.
Ich habe vorhin anlässlich einer anderen Debatte schon einmal darauf hingewiesen: Beim „Bundesländerindex Mobilität 2012“ belegt Hessen Platz 16, die rote Laterne. Dieser Gesetzentwurf zeigt, dass die Hessische Landesregierung keinen Ehrgeiz hat, diesen Platz wieder zu verlassen.
Ich habe bei Einbringung dieses Gesetzentwurfs gesagt, dass die SPD-Fraktion sehr gespannt darauf ist, was die Betroffenen in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf sagen werden. Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt. Die Anhörung hat gezeigt, dass die große Mehrheit der Anzuhörenden der Auffassung ist, dass dieser Gesetzentwurf nicht dazu beiträgt, den ÖPNV in Hessen zukunftsfähig zu machen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt zu einem Thema kommen, das zwar nicht im Gesetzentwurf steht, das aber wie ein Gespenst über der Diskussion zu diesem Gesetzentwurf schwebt und einfach nicht verschwinden will. Das ist das Gespenst der Zwangsfusion von RMV und NVV. In diesem Gesetzentwurf steht zum Glück nichts von der Fusion. Dass dies so ist, ist aber nicht der Einsicht der Landesregierung, von CDU und FDP zu verdanken,
sondern dem Druck der Politik, insbesondere aus Nordhessen von SPD und GRÜNEN, dem Druck aus den Verbünden selbst und von der kommunalen Familie. Die haben dafür gesorgt, dass hier von Zwangsfusion nichts steht.
Aber obwohl in der Anhörung der Zusammenschluss überhaupt kein Thema war, konnte man vor Beginn dieser Ple
narsitzung, vor der Aussprache im Ausschuss mit Erstaunen in der „FAZ“ lesen, dass es in der schwarz-gelben Koalition weiterhin Überlegungen zur Zwangsfusion gebe.
Hinter vorgehaltener Hand wird erzählt, dass die Zwangsfusion insbesondere aus Verärgerung über die Stellungnahme der Betroffenen wieder ins Spiel gebracht worden sei.
So weit ist es anscheinend schon gekommen. Wenn CDU und FDP Stellungnahmen bei der Anhörung nicht passen, gibt es anschließend Strafaktionen.
Da nützt es auch nichts, dass die Landesregierung, CDU und FDP umgehend dementierten. Viele sind nämlich davon überzeugt, dass sich der betreffende Journalist der „FAZ“ das nicht so einfach aus den Fingern gesaugt hat.
Da ist wohl einmal wieder eine Sau durchs Dorf getrieben worden, nach dem Motto: Mal sehen, was passiert. – Aber, meine Damen und Herren von CDU und FDP, die umgehenden Dementis waren reine Pflichtübungen.