Protocol of the Session on November 22, 2012

Ein zentraler Punkt ist, dass die Gerichtsvollzieher durch die sogenannte Reform der Sachaufklärung zusätzliche Befugnisse durch den Bundesgesetzgeber bekommen haben. Diese sollten sie erst einmal nutzen und ausschöpfen.

Ein weiterer Punkt ist aus unserer Sicht, dass höchstpersönliche Schuldnerdaten an einen Privaten weitergegeben werden. Da kann ich Ihnen nur sagen: Bezüglich des Datenschutzes ist der Gesetzentwurf viel zu dünn.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Natürlich werden Sie sagen, dass Inkassounternehmen beim Eintreiben von Forderungen auf Schuldner keinen unlauteren Druck ausüben sollen, dass nächtliche Telefonanrufe tabu sind und dass der Aufdringlichkeit von Außendienstmitarbeitern Grenzen gesetzt werden.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist ja nicht Inkasso Petersburg, von dem wir hier reden!)

So schön, so gut. Aber seien Sie doch ehrlich: Wie sieht es in der Realität aus? Wer weiß das?

Lassen Sie uns auf die Erfahrungen von Baden-Württemberg zurückgreifen. Dort sind z. B. die Mehreinnahmen, die man am Anfang erwartet hat, mitnichten eingetreten. Man hat daher nach einer langen Erprobungsphase gesagt: Die Landesoberkasse soll es mit Verbesserungen machen. – Das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ein letzter Aspekt zu diesem Komplex. Völlig unbeantwortet blieb auch in der Anhörung unsere Frage, wo das Inkassounternehmen seinen Sitz haben soll. Wenn, dann doch bitte schön in Hessen. Es kann nicht so sein, dass die Wertschöpfungen aus hessischen Forderungen einem anderen Bundesland zugutekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz Bezug nehmen auf den zweiten Teil des Gesetzentwurfs. Herr Mick hat es schon aufgeführt: die Einführung von Verwaltungsgebühren in Notarangelegenheiten. Auch das sehen wir kritisch. Wir nehmen ausdrücklich Bezug auf die Anhörung. Dazu führen wir Anhörungen durch, um daraus für uns Erkenntnisse zu ziehen.

Wir sehen es angesichts der Höhe der Gebühren kritisch. Das hat auch die Anhörung wiedergegeben. Wenn man die Gebühren für Vertreterbestellung, Urlaubsanträge, Krankheitsmeldungen etc. mit dem bürokratischen Aufwand gegenrechnet, merkt man, dass die erwarteten Einnahmen überschaubar sind.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, aus all diesen Gründen lehnen wir den Gesetzentwurf ab. Ich habe eine Bitte an Sie: Legen Sie ihn wieder in die Schublade.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Schönen Dank, Frau Hofmann. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Schneider gemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Anlässlich der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs im Mai dieses Jahres bin ich bereits im Einzelnen darauf eingegangen, warum aus unserer Sicht Handlungsbedarf in diesem Bereich der Justizkosten besteht. Deshalb möchte ich jetzt nicht näher darauf eingehen, dass der hessischen Justiz jährlich – ich betone: jährlich – Beträge in zweistelliger Millionenhöhe aus nicht beitreibbaren Gerichtskostenforderungen verloren gehen.

Ich möchte auch nicht im Einzelnen darauf eingehen, welch hoher Verwaltungsaufwand mit der Bearbeitung der in der Bundesnotarordnung geregelten Angelegenheiten wie z. B. der Bestellung von Notarinnen und Notaren oder mit der regelmäßigen Geschäftsprüfung verbunden ist und wie viel qualifiziertes Personal dadurch gebunden wird. Ich glaube zumindest, denen, die sich in unseren Reihen öfter mit diesem Thema beschäftigen, sind diese Punkte bekannt.

Stattdessen möchte ich in der gebotenen Kürze der Zeit einige Details des Gesetzentwurfs aufgreifen, mit denen wir uns insbesondere im Rahmen der Anhörung im Rechtsund Integrationsausschuss beschäftigt haben. Ich habe an der Anhörung aufmerksam teilgenommen, muss aber zugeben, dass die Schlüsse, die meine Vorrednerin gezogen hat, für mich nur schwer nachvollziehbar sind.

Wir haben uns unter anderem angeschaut, wie das geplante Forderungsmanagement in der Praxis umgesetzt werden kann und welche Folgen es für die Gebührenerhebung für Notarinnen und Notare haben wird. Insofern muss ich auch hier widersprechen.

Dass die betroffenen Fachkreise und Verbände dem Gesetzgebungsvorhaben eher kritisch gegenüberstehen, das darf uns nicht verwundern. Dass der Deutsche Gerichtsvollzieherbund sich gegen die Beitreibung von Forderungen durch Dritte ausspricht, liegt ebenso auf der Hand wie die ablehnende Haltung der Notarkammern Frankfurt am

Main und Kassel hinsichtlich der Einführung der Verwaltungsgebühren in Notarangelegenheiten.

Meine Damen und Herren, hier ist doch klar, dass die Vertreterinnen und Vertreter dieser Verbände pro domo gesprochen haben. Das darf uns nicht überraschen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))

Den Zwischenruf greife ich gerne auf. Natürlich führen wir eine Anhörung durch, um uns mit den Sachen zu beschäftigen. Aber wenn wir uns die Antworten genau anschauen, müssen wir noch lange nicht zu dem Ergebnis kommen, das die Kollegin hier in den Raum gestellt hat.

Meine Damen und Herren, wir sollten aus meiner Sicht zwei Dinge festhalten. Aus den Einlassungen der Notarkammer ist zum einen sehr deutlich geworden, dass die geplanten Gebühren, die wir jetzt erheben wollen, nicht unverhältnismäßig sind. Diejenigen von uns, die an der Anhörung aufmerksam teilgenommen haben, werden sich sicherlich an die bemerkenswerte Stellungnahme von Herrn Dr. Schäfer, dem Präsidenten der Frankfurter Notarkammer, erinnern,

(Heike Hofmann (SPD): Eben!)

der uns in seiner ihm eigenen Art darauf hingewiesen hat, dass es ihm beileibe nicht ums Geld, sondern im Wesentlichen ums Prinzip geht.

(Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD) – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Dass die Gebührensätze angemessen sind, wird vor allem dadurch deutlich, wenn man sich die einzelnen Gebührentatbestände anschaut. Wenn wir einen der höheren Beträge greifen – 200 € für eine Entscheidung über einen Antrag auf Bestellung von Notarinnen oder Notaren –, werden wir feststellen, dass das Kosten sind, die bei den meisten einmalig anfallen. Wenn wir uns das andere Ende der Spanne anschauen, dass die Bestellung eines Notarvertreters gerade einmal 25 € kostet, dann werden wir sehen, dass hier mit Augenmaß vorgegangen worden ist.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir uns einig sind, dass die Gebührensätze nicht unangemessen sind. Insbesondere sind sie an die Gebührensätze anderer Länder angelehnt und insofern nicht einfach gegriffen.

Die Einwände der Notarkammern waren – ich habe es bereits gesagt – eher grundsätzlicher Art, teils auch verfassungsrechtlicher Art. Aber wenn man sich die Argumente genau anschaut, muss man feststellen, dass sie nicht durchschlagen, weil es in anderen Bundesländern vergleichbare Regelungen gibt, die bis heute nicht erfolgreich beklagt worden sind.

Lassen Sie mich noch auf den zweiten Punkt, auf die Einführung eines Forderungsmanagements, zu sprechen kommen. In diesem Zusammenhang ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir lediglich eine Kannvorschrift in das Justizkostengesetz einfügen. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger Punkt, auf den man hinweisen sollte. Wenn die Gerichtskassen einen anderen Weg nutzen möchten, ist es ihnen nach wie vor unbenommen, das zu tun. Insofern relativieren sich die Einwände, die der Deutsche Gerichtsvollzieherbund erhoben hat, meines Erachtens in besonderem Maße.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen – insofern gibt es einen weiteren Punkt, der großen Handlungsbedarf zeigt –, dass wir den Gerichtskassen eine neue Informationsquelle eröffnen wollen. Sie können sich zukünftig auch bei privaten Anbietern Adressdaten von Schuldnern besorgen. Das ist heute nicht möglich. Sie sind auf freiwillige Angaben der Kostenschuldnerinnen und Kostenschuldner angewiesen oder, sofern die nicht vorliegen, auf korrekte Einträge in den Einwohnermeldeamtsdateien.

Meine Damen und Herren, das ist ein Zustand, der mehr als unbefriedigend ist. Ich habe es in der letzten Rede zu diesem Thema bereits gesagt: Kein Mobilfunkanbieter würde sich mit solchen Dingen zufriedengeben. Man ist in der Wirtschaft wesentlich weiter. Nur unseren Gerichten hat man bislang diese Möglichkeit nicht eröffnet. Das korrigieren wir jetzt. Das ist ein wichtiger Punkt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich zum Schluss auf den Änderungsantrag der GRÜNEN zu sprechen kommen. Hier ist der Vorschlag gemacht worden, dass wir eine Befristung vornehmen, nicht aber zu einem Gesetz, sondern zu einer Einzelnorm, besser gesagt, zu § 4.

Bitte kommen Sie zum Schluss, Herr Kollege.

(Zuruf des Abg. Marius Weiß (SPD))

Das mache ich gerne. – Dies lehnen wir aus rechtssystematischen Gründen ab. Wir halten es im Einzelfall für sinnvoll, Gesetze zu befristen. Bei Einzelnormen geht das aus unserer Sicht nicht. Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegen haben das schon im Einzelnen erläutert. Wir haben es mit zwei Regelungsbereichen zu tun. Der eine ist die Frage des Hereinbringens von Forderungen, und der andere ist die Frage von Gebührenerhebungen für Angelegenheiten der Notare. In der ersten Lesung habe ich vorgetragen, dass mir schon das, was in der Regierungsanhörung vorgebracht worden ist, zu denken gab, also die Frage, ob es wirklich ein Grundrechtseingriff ist, der von privaten Dritten gemacht werden kann. Ich habe gesagt, deswegen würde ich mich auf die Anhörung freuen, um etwas Näheres zu erfahren.

Mir ist in der Anhörung nicht schlüssig erläutert worden, dass es hier um einen Grundrechtseingriff geht. Ich glaube, dass man das schon tun muss, wenn man argumentiert, dass das etwas ist, was man an private Dritte auslagert. Ich habe seinerzeit aber auch gesagt, dass es schon Aufgabe der Landesregierung und von uns als Parlament und als

Haushaltsgesetzgeber ist, dass man sich Gedanken darüber machen muss, wie man Forderungen eintreibt, die man gegenüber Dritten hat.

Die Landesregierung hat etwas vorgelegt, was zumindest für uns von der Intention her durchaus nachvollziehbar ist. Man sollte einmal die Summen nennen. Es geht immerhin um niedergeschlagene Forderungen in der Größenordnung, die von 2006 bis 2008 zwischen 13,5 Millionen € und 15,9 Millionen € lagen. Das ist kein Pappenstiel.

Wir haben gestern den Haushalt des Landes diskutiert. Wenn wir hier darüber diskutieren, dass wir trotz sprudelnder Steuereinnahmen noch einmal über 2 Milliarden € Schulden machen, dann müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir die Einnahmesituation verbessern. Das ist durchaus ein Vorschlag, die Einnahmesituation zu verbessern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Forderungsmanagement auszuprobieren und einzuführen, das haben die Baden-Württemberger auch gemacht. Die Baden-Württemberger haben dann gesagt: Wir haben das jetzt gemacht und stellen das ein; wir übernehmen Systeme, die wir von privaten Dritten gelernt haben, in unser eigenes Verwaltungshandeln und stellen unsere eigene Verwaltung mit den Oberkassen um; die machen es demnächst selbst.

Warum machen wir das nicht auch? Wir geben die Möglichkeit, private Dritte in das einzubeziehen. Wir geben unseren Gerichtskassen die Möglichkeit, mit denen zusammenzuarbeiten, also auch zu lernen, wie private Dritte so etwas machen, um dann vielleicht irgendwann zu sagen: So, jetzt übernehmen wir das in Verwaltungshandeln des Landes Hessen

(Zurufe der Abg. Heike Hofmann und Marius Weiß (SPD))

und kommen dazu, die Einnahmesituation zu verbessern. – Ich finde, diesem Vorschlag kann man durchaus zustimmen.