Protocol of the Session on November 21, 2012

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Hört, hört!)

1998, im letzten Jahr rot-grüner Verantwortung, sah es so aus: Wir hatten 50.000 Schüler mehr, aber 7.000 Lehrer weniger. Das ist die praktische Bilanz Ihrer Politik.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Hört, hört! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben in dieser Legislaturperiode versprochen, 2.500 Lehrer zusätzlich einzustellen. Im kommenden Schuljahr werden weitere 250 Lehrer eingestellt. Das ist Teil dieser 2.500. Das können Sie im Haushalt nachlesen. Das haben wir den Bürgern versprochen, und das haben wir gehalten. Darauf sind wir stolz.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Dass das auch anders geht, kann man z. B. im grün-rot regierten Baden-Württemberg oder im rot-grün regierten Rheinland-Pfalz sehen. In beiden Ländern sind Sie in die Wahl gezogen und haben den Menschen mehr Lehrer versprochen. Was ist dabei herausgekommen? 11.600 Stellen werden in Baden-Württemberg abgebaut, entgegen dem Wahlversprechen.

(Zurufe von der CDU und der FPD: Hört, hört!)

2.000 sind es in Rheinland-Pfalz, entgegen dem Wahlversprechen.

Meine Damen und Herren, der Unterschied ist doch klar: CDU und FDP halten das, was sie versprechen. Rot und Grün versprechen viel vor der Wahl und machen anschließend das Gegenteil.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Schauen wir uns unsere bildungspolitischen Vorstellungen ein bisschen näher an. Ich finde es gut, dass wir die Chance nutzen, herauszuarbeiten, worin die Unterschiede bestehen. Dem soll eine solche Debatte dienen.

Meine Damen und Herren, wir haben offenkundig sehr grundlegende Unterschiede, jedenfalls zu sozialdemokratischen Vorstellungen. Wir gehen die Schul- und Bildungspolitik vom Kind her an. Wir nehmen die Menschen, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollen. Für uns ist jeder Mensch gleich viel wert. Aber nicht alle Menschen sind gleich. Wer diese fundamentale Erkenntnis missachtet und alle zwangsweise gleich machen will, der tut den Menschen und den Schülerinnen und Schülern nichts Gutes. Deshalb wird es mit uns z. B. auch keine Einheitsschule geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie haben eben wortreich erklärt, Sie möchten vom Kind her denken – dann tun Sie es doch.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das machen wir doch! Deshalb wollen wir auch die Wahlfreiheit!)

Aber Sie wollen etwas anderes. – Ihre bildungspolitische Sprecherin ist gelegentlich so freundlich, uns zu erklären, was Sie eigentlich meinen. Sie sprach wiederholt davon, das seien jetzt Durchgangsstadien. Ich finde, wir sollten ernst nehmen, was Sie beschließen oder beschließen wollen. Da dient ein Blick in den Programmentwurf 2014 – 2018 der Sozialdemokratischen Partei. Dort können Sie in Zeile 4 ff. Folgendes lesen:

Wir wollen längeres gemeinsames Lernen aller Kinder und Jugendlichen.

(Norbert Schmitt (SPD): Sehr gut! – Michael Siebel (SPD): Dann sind wir uns dabei einig?)

Jetzt kommt es:

Daher streben wir eine Schulstruktur an, in der alle weiterführenden Schulen bis zur Klasse 10 eine gemeinsame Mittelstufe anbieten.

Meine Damen und Herren, das heißt nichts anderes, als dass Sie genau in dieser Zeit von Klasse 5 bis Klasse 10 alle Schüler undifferenziert in einen Sack packen wollen, in eine Schule. Aber genau das halten wir für falsch.

(Lebhafter Beifall der CDU und der FDP – Kopf- schütteln bei der SPD)

Das ist der sichere Tod der Gymnasien. Sie werden auf diese Weise die erfolgreichste Schulform kaputt machen. Was noch viel schlimmer ist: Das ist ein Rückfall in die schulpolitische Steinzeit in Hessen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Von Steinzeit verstehen Sie viel!)

Sie riskieren wieder den totalen Schulkampf. Dann steht das in grobem Gegensatz. Wer von Schulfrieden spricht, der darf nicht von vornherein – Sie brauchen nur Ihr eigenes Programm zu lesen – die gesamte Schullandschaft umpflügen, weil nur er erkannt hat: Es gibt nur eine richtige Schule. Wer diese Erkenntnis nicht teilt, der muss zwangsweise belehrt werden.

Meine Damen und Herren, das ist eine Politik, die wir grundsätzlich ablehnen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Mari- us Weiß (SPD): Immer nur die Opposition beschimpfen!)

Im Übrigen habe ich den Eindruck, das, was Sie wollen, ist keine neue Erkenntnis bei Ihnen.

(Andrea Ypsilanti (SPD): Sie haben gar keine!)

Schauen Sie sich das Wahlprogramm von 2008 an. Damals haben Sie die Verantwortung getragen, Frau Ypsilanti. Dort finden Sie wortgleich genau dieselbe Formulierung.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da sehen Sie einmal, wie konstant wir sind! – Lachen bei der CDU und der FDP)

Deshalb darf man ruhig sagen: Auf dieser Welt kann passieren, was will, die SPD ist so ideologisch gefestigt, dass sie rundum nichts mehr zur Kenntnis nimmt und auch un

belehrbar ist. Das kann ich Ihnen nicht nehmen, meine Damen und Herren, aber seien Sie versichert: Die Bürgerinnen und Bürger werden Ihnen dazu keinen Freibrief geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

In Ihrem Programm kommen verschiedene Angebote nirgends vor. Das Wort „Wahlfreiheit“ gibt es bei Ihnen gar nicht. Im Gegenteil, Sie haben erkannt, was richtig ist, und alle anderen – das ist so ähnlich wie mit dem Falschfahrer auf der Autobahn – müssen falsch liegen.

(Holger Bellino (CDU): Zwangsbeglückung!)

Wenn sie es nicht erkennen, dann muss man eben mit Zwang und Bürokratie nachhelfen. – Herr Kollege Schäfer-Gümbel, genau das ist Ihre Position auch bei G 8 und G 9.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Können Sie mir einmal sagen, was dagegen spricht, dass die Schulen und die Schulträger es selbst entscheiden?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Weil Sie Verantwortung loswerden wollen!)

Warum muss man den Menschen sagen, dass es nur eine einzige Lösung gibt? Ihre Antwort ist: Es gibt nur G 9.

(Zuruf von der SPD: Sie sind doch die G-8-Ideolo- gen! – Weitere Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, auch das gehört heute dazu: Ich habe schon mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Fraktion der GRÜNEN hier eine andere Position einnimmt. Sie haben angekündigt, in dieser Frage der Landesregierung zu folgen. Darüber freue ich mich.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind uns gefolgt! – Lachen bei der CDU)

Aber, Herr Kollege Wagner, aus dieser einen richtigen Erkenntnis bei Ihnen wird noch lange keine gemeinsame Schulpolitik. Das wollten Sie sicher auch nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entscheidend ist für mich aber Folgendes, und das ist schon ein fundamentaler Unterschied. Sie bekennen sich zur Wahlfreiheit.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

Für diese Regierung ist es eine große Freude, dass zwei Drittel des Hessischen Landtags in dieser Frage hinter der Regierung stehen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hätten Sie früher haben können!)

Das konterkariert gelegentlich das öffentliche Bild, dass alle anderen es anders sähen. Wenn zwei Drittel der gewählten Abgeordneten des Hessischen Landtags hier für die Wahlfreiheit stimmen, dann ist das richtig und eine deutliche Unterstützung unseres Kurses.