Protocol of the Session on November 21, 2012

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wer denn?)

350 Millionen € würden dem Land jährlich zur Straßensanierung zur Verfügung stehen. Das ist notwendig, weil wir im Moment von der Substanz leben. Ein Transitland wie Hessen kann nicht akzeptieren, dass wir von der Substanz leben, weil dieser Substanzverzehr zu groß ist, um das Land dauerhaft zukunftsfähig zu halten.

(Beifall bei der SPD – Zurufe der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Mit Blick auf die Zeit werde ich jetzt leider einige Punkte kürzen müssen.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Gegenruf der Abg. Pe- tra Fuhrmann (SPD))

Das gilt für das Thema Finanzplatz, das Thema Energie und manch anderes. Mir ist wichtig, noch einige Bemerkungen zu den Kommunen zu machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden sich in den nächsten Wochen für Ihren Schutzschirm feiern lassen, für diesen Schutzschirm, der eigentlich ein Knirps ist.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Auch von den sozialdemokratischen Bürgermeistern! Auch sozialdemokratische Bürgermeister feiern das!)

Herr Wagner freut sich darüber, dass auch sozialdemokratische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister den Schutzschirm unterschreiben.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Und loben!)

Herr Wagner, was sollen sie anderes machen? Die Städte und Gemeinden stehen wegen Ihrer Politik mit dem Rücken an der Wand.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Wagner, ich korrigiere mich: Sie stehen nicht mit dem Rücken an der Wand. Viele sind schon durch die Wand durch. Deswegen können sie doch gar nicht anders, als diesen Strohhalm zu nehmen. Aber wissen Sie, wie man den Schutzschirm in Nordhessen bezeichnet? Das mag nicht ganz parlamentarisch sein, ich sage es trotzdem, mit Erlaubnis des Präsidenten.

(Heiterkeit)

Herr Wagner, ich baue vor, weil das Bild vom Präsidenten selbst stammt. Deswegen glaube ich, das sagen zu dürfen.

(Zurufe: Oh!)

In Nordhessen sagt man zu dem Schutzschirm: Das ist ungefähr so, als wenn man einem die halbe Sau klaut und ein Pfund Gehacktes zurückkriegt. – So ist das mit dem Schutzschirm.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Sie nehmen den Städten und Gemeinden strukturell jedes Jahr 344 Millionen €, geben ihnen anschließend ein Drittel über den Schutzschirm, also nur zum Teil, zurück und tun so, als seien Sie die Helden. Herr Wagner, es bleibt dabei:

Sie haben die Städte und Gemeinden mit Ihrer Politik an einen Punkt gebracht, wo die Handlungsfähigkeit beispielsweise für einen funktionierenden Sozialstaat am Rand der Möglichkeiten ist. Das ist Ihr Versäumnis.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt das Gerücht, dass Sie mit Geld umgehen könnten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich will das einmal dokumentieren, damit Sie es verstehen.

(Der Redner hält ein Schriftstück hoch.)

96 % plus: Das ist Ihre Verschuldungsbilanz der letzten 13 Jahre.

(Günter Rudolph (SPD): Mehr Schulden! Fast verdoppelt!)

Die Landesverschuldung ist unter Ihrer Verantwortung in 13 Jahren um 96 % gewachsen. Da soll mir noch einmal jemand erzählen, Schwarz kann mit Geld umgehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das genaue Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Ich will noch eine Bemerkung machen. Sie fangen jetzt wieder an, ein bisschen über den Länderfinanzausgleich zu fabulieren. Wir sind es vom Flughafen gewohnt – das wird beim Länderfinanzausgleich auch kommen –, dass Sie gegen das klagen, was Sie vorher selbst versprochen und gefeiert haben.

(Günter Rudolph (SPD): Da haben sie Übung!)

Aber sehr redlich ist das nicht. Sie wissen auch: Eine Entscheidung wird irgendwann 2016/2017 kommen, falls Sie überhaupt klagen. Danach müssen Sie ohnehin verhandeln, da der LFA 2018/2019 ausläuft. Insofern ist gar nichts gewonnen. Das Einzige, was Sie damit gewinnen, sind ein paar Schlagzeilen.

Es ist richtig, dass wir alle ein Interesse daran haben, dass ein bisschen mehr von dem Steuergeld in Hessen bleibt. Aber das entbindet Sie nicht davon, an die eigenen Hausaufgaben zu gehen. In Ihrem Haushalt gibt es dazu keinerlei Hinweise. Das gilt für das Thema der Staatsmodernisierung genauso wie für notwendige Kooperationen. Wo sind eigentlich Ihre Initiativen – um ein einziges Thema zu nennen, in dem wirklich extrem viel Musik ist, gerade im Hinblick auf bessere Bildung, bessere Zukunftsfähigkeit, besserer Staat – zur Kooperation von Schule und Jugendhilfe? Alle Fachleute sind sich einig, dass es ein richtig dickes Brett ist, dass man einmal richtig herangehen müsste und dass es unendlich viele Möglichkeiten gibt, in dieser Kooperation dazu beizutragen, dass man mit demselben Geld viel mehr erreichen kann. Aber stattdessen gefallen Sie sich in der Beibehaltung von Kirchtürmen. Das ist die falsche Antwort.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Schuldenbremse werden wir an die Struktur gehen müssen. Deswegen wiederhole ich das, was ich im Zusammenhang mit dem Thema Regionalreform und Regionalkreis gesagt habe: Ich glaube, wir brauchen auch hier einen Neustart. Ich bin fest davon überzeugt, dass am Ende eines solchen Prozesses ein dreistufiger Verwaltungsaufbau stehen muss und wird. Das werden wir aber gemeinsam miteinander entwickeln müssen, denn solche Fragen müssen wir dem parteipolitischen

Streit entziehen, sonst wird das mit der Staatsmodernisierung und den Herausforderungen der nächsten Jahre nichts.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Einen kleinen Seitenausflug kann ich mir jetzt doch nicht ersparen; denn Sie sparen doch an bestimmten Stellen. In den letzten 13 Jahren haben Sie zumindest zweimal bewiesen, wo Sie Mehreinnahmen hereinholen und wo Sie sparen. Sie haben einmal bei der „Operation düstere Zukunft“ gespart. Da haben Sie den Sozialstaat in Hessen einmal richtig rasiert,

(Petra Fuhrmann (SPD): Mit der Sense!)

mit allen Spätfolgen, die wir bis heute überall sehen können. Es ist ein Segen, dass die Städte und Gemeinden versucht haben, das auszugleichen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Aber ich sage Ihnen: Landessozialpolitik erschöpft sich nicht darin, es nur an das Türschild eines Ministeriums zu schreiben, sondern man muss es auch in der Substanz machen. Beim Thema Bildung habe ich das exemplarisch durchdekliniert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben in der Tat einmal Mehreinnahmen hereingeholt, nämlich als Sie Studiengebühren eingeführt haben. Ich sage Ihnen: Einer der segensreichen Momente der sogenannten hessischen Verhältnisse war, dass es im Landtag eine Mehrheit gab, die die Studiengebühren abgeschafft und dadurch für mehr Bildungsgerechtigkeit gesorgt hat. Darauf bin ich bis heute stolz.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Die hessischen Verhältnisse will keiner mehr!)

Im Übrigen haben wir zur Kenntnis genommen, dass bestimmte Parteien der Regierungskoalition die Einführung von Studiengebühren für diese Legislaturperiode ausgeschlossen haben. Wir werden mit großer Aufmerksamkeit darauf achten, wie Sie sich da verhalten.

Herr Wagner, ich will zum Schluss kommen.

(Zurufe von der CDU: Bravo!)

Das dachte ich mir.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Welchen Wagner meinen Sie jetzt?)

Sie, Herr Wagner. Ich wollte Ihnen einmal zustimmen, weil Sie bei Ihrer Pressekonferenz zu unseren Haushaltsanträgen völlig zu Recht erkannt haben: Wir wollen mehr Geld für Bildung, für soziale Gerechtigkeit und für Infrastruktur ausgeben.

(Beifall bei der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Aber finanzieren können Sie es nicht!)