Deswegen fordern wir, dass wir ein Tariftreuegesetz bekommen, dessen Einhaltung anschließend kontrolliert wird, damit solche Sachen nicht mehr passieren. Wir wollen, dass die Leute anständig bezahlt werden.
Ich will ausdrücklich einen auch für uns kritischen Punkt ansprechen. Die Mindestlohnregelungen, über die wir im Moment diskutieren, sind alle richtig und notwendig. Aber ich will offen sagen: Mit einem Lohn von 8,50 € pro Stunde werden wir am Ende nicht sehr weit kommen.
Ein Lohn von 8,50 € bei einer 40-Stunden-Woche bedeutet etwa 1.450 € pro Monat. Ich habe mir heute Morgen auf dem Weg hierher noch einmal die Mieten in Frankfurt angeschaut. 50-m2-Wohnungen werden dort für 690 € kalt
angeboten. Es gibt Drei-Zimmer-Wohnungen mit 70 m2, die 950 € kalt kosten. Allein mit Mindestlöhnen in der Höhe, über die wir im Moment diskutieren, werden wir dieses Problem nicht lösen.
Herr Bouffier, die Antwort ist aber nicht die, die Sie vor einigen Wochen im Bundesrat zu geben versucht haben, nämlich dass wir gar keine Mindestlöhne brauchen, weil wir z. B. die Lebensverhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern nicht mit denen in Frankfurt vergleichen können. Wir brauchen in der Tat dynamische Mindestlöhne, die eventuell regional nach oben angepasst werden müssen.
Wir diskutieren im Moment munter über die Rente und über die Alterssicherung in der Zukunft. Ein Lohn von 9,43 € ist das Mindeste, um nach 45 Beitragsjahren das Grundsicherungsniveau zu erreichen.
Das mag sein, Herr Beuth. – Das sind die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Das spricht nicht – Herr Bouffier, ich wiederhole mich da – gegen die Einführung von Mindestlöhnen, sondern es spricht dafür, dass sie konsequent gestaltet und im Übrigen dynamisiert werden, damit sie den Unterschieden in den Lebensverhältnissen gerecht werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Gerechtigkeit bedeutet, dass das Land mit gutem Beispiel vorangeht. Deswegen brauchen wir eine Tariftreueregelung. Deswegen möchte ich aber auch einen Hinweis zum Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Landesdienst geben. Uns verwundert es nach wie vor, dass Hessen das einzige Land ist, in dem es die 42-Stunden-Woche noch durchgängig gibt.
Wir erinnern uns an viele Debatten darüber. Deswegen will ich klar sagen: Wir wollen eine Rückkehr in die TdL, und wir wollen, dass – bei allen Stufenprozessen, die wir dabei erleben müssen – die dort mit den Gewerkschaften vereinbarten Standards umgesetzt werden. Wir wollen, dass insbesondere für diejenigen, die einen schweren Schichtdienst bei der Polizei, im Justizvollzug und an anderen Stellen haben, die 42-Stunden-Woche so schnell wie möglich fällt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Hessen ist in der Tat ein tolles Land. Darauf werden wir alle immer hinweisen. Es ist ein liberales und erfolgreiches Land.
Aber, Herr Wagner, Sie grenzen mit Ihrer Politik eine Vielzahl von Menschen aus. Sie grenzen die Verkäuferinnen und die Polizisten aus, wenn Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht sicherstellen können.
Sie grenzen die Jugendlichen aus, die keinen guten oder gar keinen Bildungsabschluss haben, und Sie grenzen Männer und Frauen aus, die arbeiten wollen, aber es nicht können, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Ich will Sie noch einmal fragen: Was antworten Sie all denen eigentlich? Ihre Antwort ist das Betreuungsgeld. Jetzt folge ich gedanklich einmal eine Sekunde lang der Logik der Union: 100 € ist Ihnen die Erziehungs- und Betreuungsarbeit der Eltern wert. Das sind – Sie wissen, dass Kinder 24 Stunden am Tag da sind –
14 Cent pro Stunde. So viel ist Ihnen die Erziehungs- und Betreuungsarbeit von Eltern wert. Eine Wahlfreiheit gestehen Sie ihnen aber nicht zu. Deswegen sage ich Ihnen: Das Gesetz zum Betreuungsgeld muss das Gesetz mit der kürzesten Geltungsdauer in der Bundesrepublik Deutschland werden.
Es wäre ein großer Vorteil, wenn Sie dieses Geld – das sind, wenn Sie die Summen herunterbrechen, für Hessen immerhin rund 135 Millionen € – an die Städte und Gemeinden weitergeben würden, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Rahmen der Infrastruktur gewährleistet werden kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht, wie ich schon einmal gesagt habe, nicht um Sie oder um mich, sondern um ein grundsätzlich anderes Verständnis von Verantwortung und Miteinander. Wir schauen nicht weg, wenn man anpacken muss, und wir befähigen Menschen da, wo Sie sie stigmatisieren.
Unser Anspruch als Partei der Arbeit ist es, nicht nur gute Arbeitsplätze zu schaffen, von denen Menschen leben können, ohne zum Sozialamt oder zum Jobcenter gehen zu müssen, und unser Anspruch ist es auch, soziale Sicherheit zu gewährleisten; denn wir sind davon überzeugt, dass Unsicherheit und Angst schlechte Ratgeber sind. Unser Anspruch ist, dass der Verkehr bezahlbar ist, damit die Menschen von A nach B kommen können. Das bedeutet am Ende auch eine intakte Infrastruktur.
Im Zusammenhang mit dem Thema Infrastruktur muss ich doch zu einem der zentralen Konfliktthemen der letzten Jahre einige Bemerkungen machen. Ich bleibe dabei: Sie haben Vertrauen zerstört, Sie haben beim Wie des Ausbaus des Frankfurter Flughafens versagt, und Sie haben einen Schaden angerichtet, der nicht mehr zu reparieren ist.
Ja, Herr Wagner, ich trage das gebetsmühlenartig vor. Sie werden sich das auch noch ganz oft anhören müssen, weil Sie mit Ihrem Wortbruch die Menschen in der Region hintergangen haben.
(Beifall bei der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Beim Wortbruch sind Sie federführend! Was war denn 2008?)
Das Fundament der Landebahn ist nicht der Beton, sondern das Vertrauen an das gegebene Versprechen zur Nachtruhe,
Deswegen ist der Vertrauensbruch in der Region so verheerend. Er holt uns bei allen zukünftig anstehenden Infrastrukturmaßnahmen ein. Es verwundert doch niemanden – Herr Bouffier, Sie haben es gerade dieser Tage beim Vorlesetag selbst erlebt –: Die Frustration und der Zorn der Menschen sind nach wie vor groß. Es ist unendlich schwer, die Menschen in dieser Situation überhaupt abzuholen, weil sie kein Vertrauen haben, dass irgendjemand von uns auch nur den Anspruch hat, wirklich eine neue Balance am Frankfurter Flughafen herzustellen. Das ist das Paket, das Sie zu verantworten haben, das aber alle anderen genauso betrifft, weil wir alle in Mithaftung genommen werden.
Auch im Vorfeld dieser Debatte gab es wieder unzählige Mails und unzählige Beiträge über Facebook und anderes mehr darüber, wie wir uns zukünftig aufstellen. Wir werden darüber nachzudenken haben, wie eine neue Balance am Frankfurter Flughafen aussehen kann. Ich sage das sehr offen: Wir diskutieren im Moment konkret über eine Einführung von Lärmobergrenzen, die verhindern sollen, dass bei einer steigenden Zahl von Flugbewegungen der Lärmteppich größer wird. Es ist eine enorme Herausforderung, dies konkret umzusetzen. Aber ich glaube, dass wir in der Verantwortung sind, auch nach dem Vertrauensverlust, den die Menschen in der Region erlitten haben, uns mit solchen Fragen intensiv zu beschäftigen.
Das ist exemplarisch für das, was wir bei all dem anstehenden Infrastrukturausbau für notwendig halten. Es ist völlig egal, ob es um Straßen oder Schienen geht. Ehrlich gesagt, Herr Dr. Arnold, es ist doch lächerlich, was wir gerade im Landeshaushalt an Mitteln für die Sanierung und Modernisierung von Straßen und Schienen in Hessen diskutieren. Das ist lächerlich.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Minister Flori- an Rentsch: Das sagt der Richtige! – Lebhafte Zuru- fe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)
Ich hatte fest damit gerechnet, dass Sie darauf einsteigen; denn auch dort können wir doch keine Placeboantworten geben. Wir haben ein Gutachten machen lassen, das uns klar sagt, dass der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf von Straßen und Schienen in Hessen in den nächsten zehn Jahren etwa 5 Milliarden € beträgt.
Sie glauben doch nicht, dass Sie mit Ihren Aufwendungen im Landeshaushalt weiterkommen. Deswegen haben wir klar gesagt: Wir wollen die Übertragung der Lkw-Maut auf alle Straßen,
um die Verursacher stärker an den notwendigen Sanierungen der Straßen zu beteiligen. Wir haben das vorgerechnet. Das sind natürlich Entscheidungen, die man treffen muss.