Protocol of the Session on May 14, 2009

Die Redezeit beträgt 7,5 Minuten. Es beginnt Herr Kollege Heidel, bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Dass wir uns heute Morgen Gedanken über das Thema Milch machen müssen, hat einen Vorteil: Milch ist gesund. Milch schmeckt hervorragend. Milch tut jedem von uns gut, wenn er sie trinkt.

(Anhaltende Unruhe – Florian Rentsch (FDP): Können Sie ein bisschen für Ruhe sorgen,Herr Präsident? Die Lautstärke ist null! Man hört nichts! – Glockenzeichen des Präsidenten)

Was ist mit der Lautstärke? Hört man nichts? – Gut.Dann bitte ich darum, das technisch zu regeln, sodass man etwas hört. Es wäre schlimm, wenn man das nicht hören würde. – Probieren wir es noch einmal. Herr Kollege Heidel, bitte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Allgemeiner Beifall)

Ist es jetzt besser?

(Zurufe: Ja!)

Als Erstes sollten wir doch Melanie, die erste Milchkönigin von Hessen heute Morgen hier herzlich begrüßen. Herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Die Milch machts. Hessens Milchbauern brauchen eine Chance.

Die Gebrüder Aldi haben am 6. August des vergangenen Jahres bei einem Milchpreis von 68 Cent in einer ganzseitigen Anzeige erklärt: Wir müssen den Bauern eine Chance geben. Milchwirtschaft in Deutschland muss erhalten werden. Darum bitten wir Sie alle, die wir Verbraucher sind, um Verständnis, dass diese 68 Cent gezahlt werden müssen.

Heute sind die Gebrüder Aldi – und das sage ich wirklich ganz bewusst – diejenigen, die die Landwirtschaft und die Milchwirtschaft in Deutschland zum Ruin führen. Denn die Gebrüder Aldi sorgen derzeit bei einem Milchpreis von 42 Cent dafür, dass die Milchwirtschaft in Hessen und in Deutschland keine Chance mehr für die Zukunft hat.

(Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das an dieser Stelle bewusst. 365 Tage im Jahr – das sind 8.760 Stunden – ist jeder Milchbauer für seine Tiere da. Er kümmert sich um seine Tiere. Er hegt und pflegt sie. Das tut er 365 Tage, also 8.760 Stunden.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Da sind Silvester, Ostern und der Heilige Abend mit einbezogen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Auch an diesen Tagen wollen die Tiere versorgt werden.

Frau Tierschutzbeauftragte Martin hat festgestellt, dass das so ist. Wir haben das in einem Gespräch geklärt. Ein Milchpreis von 20 Cent für den Landwirt bedeutet,dass er für diesen Preis keine Milch erzeugen kann.Er erzeugt sie im Moment. Denn er kann bei seiner Kuh den Hahn nicht zudrehen. Milch wird gemolken und muss gemolken werden, weil die Tiere das wollen und brauchen. Aber wenn wir heute sehen, dass wir uns vor eineinhalb Jahren, im Jahr 2007, über einen Milchpreis von 68 Cent unterhalten haben und dass wir heute darüber reden, dass 42 Cent gezahlt werden, müssen wir feststellen, dass das nicht sein kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ein Päckchen Butter kostet derzeit im Laden 65 Cent – egal wo. Ein Päckchen Kaugummi, das daneben liegt, kostet 70 Cent. Auf dem Kaugummi kann man zwar länger herumkauen, aber ich glaube, dass der, der sich einmal richtig Gedanken darüber macht, zu dem Ergebnis kommt, dass wir uns klarmachen müssen, welche Wertvorstellungen diese Gesellschaft in Zukunft hat.

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Wenn die Wertvorstellungen, die diese Gesellschaft hat, so ausgelegt werden, dann wird es in Zukunft in Deutschland keine Milchwirtschaft mehr geben. Es wird auch in Zukunft keine Landwirtschaft mehr geben, die vieles macht und vieles kann. Die Landwirtschaft kann alles: Sie erzeugt hervorragende Nahrungsmittel. Sie kann Energie erzeugen, und sie pflegt diese Kulturlandschaft, die wir derzeit alle sehen können, wenn wir durch das Land fahren.Aber für einen Milchpreis von 20 Cent geht das nicht.

Lassen Sie mich noch einmal einen Vergleich heranziehen. Ich kann es selbst nicht mehr nachvollziehen. Herr Kollege Rudolph,

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

der Liter Milch kostet 42 Cent. Der Liter Benzin kostet drei- bis viermal so viel.

(Günter Rudolph (SPD):Ich bin bei Ihnen,dass das mit der Milch nicht in Ordnung ist! Milch ist auch gesund!)

Ich denke, mit einem Liter Milch kann man wesentlich länger überleben als mit einem Liter Benzin.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben gestern darüber debattiert, und wir werden heute noch darüber debattieren

Kollege Heidel, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss –, wie wir den ländlichen Raum stärken können. Ich will an dieser Stelle zwei Bemerkungen machen. Ein Cent an Milchgeld, das hessische Landwirte mehr erhalten,bedeutet fast 50 Millionen c für die hessische Landwirtschaft. Mit diesen 50 Millionen c werden hessische Landwirte nicht nach Mallorca fahren. Hessische Landwirte werden das wieder investieren. Das ist eine Förderung für den ländlichen Raum, die besser ist als jede andere. Deshalb lautet meine Bitte an Sie alle: Wir alle sind Verbraucher. Wir alle können durch unser Kaufverhalten dazu beitragen, dass diejenigen, die für einen fairen Milchpreis eintreten, die Chance haben, das auch in Zukunft umzusetzen. Deshalb bitte ich Sie alle: So kann es nicht weitergehen. Der ländliche Raum stirbt aus, wenn die Bauern am Ende sind und zu diesen Preisen keine Milch mehr produzieren können.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Heidel, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Gestatten Sie mir noch einen Schlusssatz. – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle ist es sehr ernst.Wir dürfen uns darüber auch gar nicht lustig machen. Wenn diese Chance für die Milchproduktion in

Hessen und für die Erzeugung für den Verbraucher vor Ort nicht genutzt wird, werden wir auch als Hessen im ländlichen Raum sehr große Probleme haben. Deshalb bitte ich Sie alle: Helfen Sie mit. Kaufen Sie dort, wo hessische Landwirtschaft leben kann.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Häusling für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heinrich Heidel hat viel über faire Preise gesagt. Aber er hat nichts zur politischen Verantwortlichkeit gesagt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist sehr wohl ein politisches Problem und nicht ein Problem des Verbrauchers.

Da heute viele Kollegen hier sind, möchte ich es nicht versäumen, unsere Solidarität für die Bäuerinnen zum Ausdruck zu bringen, die jetzt vor dem Bundeskanzleramt in Berlin stehen und nicht empfangen werden. Seit gestern sind einige Bäuerinnen in den Hungerstreik getreten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Bundeskanzlerin empfängt sie nicht. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Es ist genauso ein Skandal,dass man auch die Bäuerinnen in Hessen vor der Staatskanzlei im Regen hat stehen lassen und nur den Staatssekretär geschickt hat. Nicht, dass ich die Person des Staatssekretärs nicht würdigen würde. Aber Sie müssen das politische Thema ernst nehmen. Sie machen das nicht. Das fordern wir von Ihnen ein.

Wir haben eine Krise,die in der Landwirtschaft und in der Milchwirtschaft ihresgleichen sucht. Ein Drittel der hessischen Milcherzeugungsbetriebe wird bei den Preisen das kommende Jahr nicht erleben. Frau Lautenschläger, deshalb verlangen wir von Ihnen, dass Sie sich nicht nur demonstrativ mit dem Bauernpräsidenten und der deutschen Milchkönigin draußen hinstellen und ein Schlückchen Milch trinken, sondern handeln Sie endlich politisch in dem Sinne,dass Sie der Doktrin abschwören,die seit einigen Jahren in der deutschen und in der europäischen Landwirtschaft gilt:dass Sie die Landwirtschaft dem Weltmarkt preisgeben, dass Sie die Milchmengenregulierungssysteme auflösen. Damit haben Sie die Situation herbeigeführt, die wir jetzt haben: Übermengen am Markt. – Aldi nutzt das aus.Das ist aber kein Problem von Aldi,das ist ein politisches Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Torsten Warnecke (SPD))

Setzen Sie sich ernsthaft mit den Argumenten des Milchbauernverbandes BDM auseinander und prüfen Sie,ob es nicht politische Möglichkeiten gibt, wenn Sie und der Ministerpräsident sich an die Spitze dieser politischen Forderungen stellen würden.

Ich erinnere mich noch gut daran: Sie haben hier doch vor zwei Jahren ganz energisch für den hessischen Apfelwein

gekämpft. Da haben Sie sich so ins Zeug geschmissen. Da hat der Ministerpräsident zwei Tage später bei der Agrarkommissarin angerufen. Da haben Sie einen Krisengipfel einberufen. – Was ist jetzt bei der Milch? Gar nichts machen Sie, überhaupt nichts, sondern nur lamentieren.