Protocol of the Session on September 27, 2012

ben, die nicht wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wir haben festgestellt, dass wir über 1.000.000 Menschen im Job haben, die keine Ausbildung haben, keinen Berufsabschluss. Das ist das Problem der Aufstiegsqualifizierung.

Wir haben über 11.600 Frauen, die alleinerziehend sind und gerne wieder arbeiten gehen wollen. Wir haben Migranten, die mit gutem Abschluss hier Taxi fahren – mit Diplom Taxi fahren, mit Diplom putzen; auch diese Debatte hatten wir schon. Mittlerweile sind das auch weit über 25.000 Migrantinnen und Migranten, die gerne eine bessere Arbeit haben wollen. Und wir haben ein Problem, dass Ältere nicht lange genug im Job bleiben.

Einmal haben Sie als Landesregierung 37 Millionen € für das Programm „Erfahrung hat Zukunft“ ausgegeben. Das haben Sie in den Sand gesetzt. Seitdem hören wir nichts mehr zu diesem Problem. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Greilich (FDP): Herr Bocklet, das ist am Thema vorbei!)

Herr Kollege, das ist nicht am Thema vorbei. Wenn Sie das sagen, haben Sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Wir haben einen Fachkräftemangel, und wir haben ein schlummerndes Potenzial. Wir haben die Möglichkeit, das zu ändern, indem wir Jugendlichen einen besseren Abschluss ermöglichen und indem wir die momentan nicht Arbeitenden dem Arbeitsmarkt zuführen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

All das verschlafen Sie. Dieser Bericht haut es Ihnen explizit um die Ohren.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Sie aber stellen sich hierhin und sagen, das sei ein guter Bericht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie hören die Einschläge auch dann nicht, wenn sie näher kommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch einmal: Das ist doch eine Win-winSituation. All denjenigen, die mehr Teilhabe am Arbeitsmarkt haben wollen, würde durch ein umfassendes Maßnahmenbündel geholfen – vor allem aber auch der hessischen Wirtschaft.

Da zitiere ich gerne noch einmal die IHK, und zwar mit dem, was sie im Jahr 2010 in der Veröffentlichung ihres Fachkräftemonitors gesagt hat. Noch einmal: Wir reden hier nicht über neue Erkenntnisse. Dort hat sie gesagt – ich zitiere:

Mit dieser Situation ist die Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Wirtschaft gefährdet.

Das sagen nicht die GRÜNEN, das sagt die IHK. Schreiben Sie sich das endlich hinter die Ohren, und handeln Sie. Es geht um die Zukunft dieses Landes. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Als nächster Redner hat sich Kollege Schork von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Schork, Sie haben das Wort.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Seine Jungfernrede!)

Manche Dinge kann man ja voraussehen. Herr Kollege Wagner, Sie müssten wissen – und ich gehe davon aus, dass Sie es wissen –, das Thema Fachkräfte und gut ausgebildete Fachkräfte hat sicher etwas mit Bildung zu tun. Wundern Sie sich daher nicht, wenn ich als Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr zu diesem Thema spreche.

Ohne Zweifel sind wir uns einig: Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das uns alle umtreibt. Gut ausgebildete Fachkräfte sind der Motor unserer Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Sie sind von zentraler Bedeutung für den Wohlstand unseres Landes. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen und in Beschäftigungsverhältnissen sind. Dies ist eine Aufgabe für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Deswegen begrüßen wir es und finden es richtig, dass die Landesregierung eine Fachkräftekommission eingesetzt hat, die sich mit diesem Thema beschäftigt und in ihrem Abschlussbericht einvernehmlich Handlungsempfehlungen vorgelegt hat.

Im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben, ist das für uns – für die Regierung und die Koalitionsfraktionen – kein Weckruf,

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

sondern, wenn Sie es richtig lesen, ist das in weiten Teilen die Unterstützung der Landesregierung und der Maßnahmen, die sie anfangen oder schon eingeführt hat.

Exemplarisch will ich Ihnen einige davon nennen. Problemfeld Übergang Schule und Beruf: Einer der wesentlichen Punkte in diesem Abschlussbericht ist die Aussage, die berufsorientierte Ausbildung an den Schulen muss noch weiter verstärkt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass in diesem Abschlussbericht und in den Handlungsempfehlungen das Konzept der Mittelstufenschule explizit genannt, gelobt und für richtig anerkannt wird und dass dies weiter gefördert und ausgebaut werden soll. Genau dies tut diese Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sprechen über Übergangssysteme. Ja, die müssen neu gestaltet werden. Hierzu sagt die Kommission, für Übergangssysteme soll es zwei Zielrichtungen geben: das

Nachholen des Schulabschlusses und die Berufsqualifizierung. Auch ist es notwendig, Doppelstrukturen bei der Förderung abzubauen.

Wenn wir genau dies tun, wie wir das in den vergangenen Jahren getan haben, wenn wir überprüfen, welche Übergangssysteme, welche Maßnahmen nicht mehr notwendig, nicht mehr zeitgemäß sind, dann hagelt es Kritik von der Opposition.

Ich stelle hier ausdrücklich fest: Dies ist die richtige Maßnahme und das richtige Vorgehen.

Lebenslanges Lernen. Ich habe von Ihnen kein Wort zum Thema Hessen-Campus gehört, das diese Landesregierung vor vielen Jahren begonnen hat. Sie wissen, dass wir nach der Einführungsphase nun dabei sind, dies zu verfestigen und zu verstetigen, indem wir dorthin unter anderem finanzielle Mittel in Form von Stellen geben, um sicherzustellen, dass die Hessen-Campi auch beim lebenslangen Lernen eine führende Rolle spielen. Auch dies ist ein Punkt, der ausdrücklich von der Fachkräftekommission anerkannt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Das Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Berufsqualifikationen – ja, da gibt es noch viel Arbeit. Aber Sie müssen auch zugestehen – und das haben Sie nicht getan –, dass gerade in diesem Bereich derzeit gearbeitet wird, um sicherzustellen, dass gut ausgebildete ausländische Mitbürgerinnen und -bürger ihre Qualifikationen anerkannt bekommen, damit sie bei uns im Arbeitsleben ihrem erlernten Beruf nachgehen können.

Das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich erinnere daran, dass wir im neuen Haushalt – auch dieser Punkt wurde in der Fachkräftekommission benannt – für den Ausbau U 3 weitere 100 Millionen € zur Verfügung stellen, davon 55 Millionen € aus originären Landesmitteln, um genau dort weiter voranzukommen.

(Holger Bellino (CDU): Hört, hört!)

Sie haben vergessen, zu erwähnen, dass bei den Ganztagsangeboten diese Koalition und diese CDU-geführte Landesregierung in den letzten Jahren eine Vielzahl neuer Angebote geschaffen hat. Heute sind wir auf einem Stand, der weit über das hinausgeht, was wir 1999 vorgefunden haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Insgesamt kann man feststellen: Beim Thema Sicherstellung der Fachkräfte für die Zukunft sind wir auf einem guten Weg. Wir haben viel getan, aber es ist auch noch viel zu tun. Genau dies werden wir auch machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Schork. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die FDP hat diese Aktuelle Stunde zum Thema Fachkräftemangel be

antragt. Das würde die Möglichkeit bieten, sich einmal wieder über die Lage auf dem Ausbildungsmarkt zu unterhalten. Denn für uns gilt: Wer Fachkräfte will, der muss Fachkräfte ausbilden.

(Holger Bellino (CDU): Haben Sie auch schon einmal gearbeitet? – Gegenruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Aber statt die Unternehmen endlich in die Pflicht zu nehmen, damit sie ausreichend Ausbildungsplätze schaffen, wollen Sie Fachkräfte in den Krisenländern wie Spanien oder Griechenland anwerben und nennen das dann „arbeitsmarktorientierte Zuwanderung“.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle will ich einmal ganz klar sagen: Wir solidarisieren uns mit den derzeitigen Massenprotesten in Spanien und Griechenland gegen die Kürzungspolitik. Die Menschen haben ein Recht, sich gegen die Sparauflagen von EU, IWF und EZB zu wehren, wenn ihnen die Löhne gesenkt, die Renten gekürzt und die soziale Infrastruktur zerschlagen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

In Griechenland wurden mittlerweile über 2.000 Schulen wegen der Sparauflagen geschlossen. Eine wachsende Zahl von griechischen Kindern geht nicht mehr zur Schule, weil die Beförderungskosten nicht mehr übernommen werden. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Spanien und in Griechenland mittlerweile bei 50 %.