Frau Wallmann, da ich Sie schätze, werde ich versuchen, möglichst wenig auf Sie einzugehen; denn in der Sache war das, was Sie hier vorgetragen haben, ziemlich daneben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Beuth (CDU): Sie sind ein Spalter! Ungehörig, was Sie hier machen! Sie sind nicht derjenige, der hier Lob verteilt! – Weitere Zurufe von der CDU – Glockenzeichen des Präsidenten)
Vorsicht, wir kommen gleich dazu. – Zunächst möchte ich eine kleine Einordnung Ihrer Aktuellen Stunde in die bundespolitischen Rahmenbedingungen vornehmen. Erstens möchte ich die Kanzlerin zitieren. Ich zitiere aus dem „Handelsblatt“. Herr Beuth, Sie wissen, das lese ich regelmäßig.
Die Aussage ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Die EZB ist trotz ihrer Unabhängigkeit in einer völlig gemeinsamen Linie“, sagte Merkel vor Kurzem bei einem Besuch in Kanada – und bezog sich dabei auf das Versprechen von EZBChef Mario Draghi, „alles Erforderliche zu tun, um den Euro zu erhalten“. Also auch notfalls Staatsanleihen klammer Euroländer zu kaufen.
Frau Wallmann, zweitens möchte ich aus dem „Handelsblatt“ von gestern Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zitieren. Der erklärt wörtlich:
„Ich sehe keinen Konflikt zwischen Draghi und Weidmann“, sagte er auf der „Handelsblatt“-Bankentagung...
In der FDP reagierte man mit Unverständnis auf Schäubles Äußerungen. „Der Bundesfinanzminister versucht die Konflikte zu verstecken, damit seine Krisenstrategie nicht angezweifelt wird“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler...
Lieber Gottfried Milde, weiter möchte ich Herrn Manfred Neumann zitieren, Professor an der Universität Bonn und Weidmanns Doktorvater, der sich im „Spiegel“ vor zwei Tagen dazu äußerte und erklärte:
„Die Kanzlerin stellt sich zwar hinter Weidmann, aber nicht hinter die Geldpolitik, die er vertritt“,...
Frau Wallmann, genau das ist der Punkt, um den es mir bei Ihren Ausführungen geht. Das eine ist die persönliche Solidarität mit dem derzeitigen Bundesbankpräsidenten, der aus seiner geldpolitischen Auffassung keinen Hehl macht. Gleichzeitig lässt die Bundesregierung aber keinen Zweifel an ihrer Auffassung zu EZB-Chef Draghi. Ich fand es nicht in Ordnung, wie Sie versuchen, aus einer Politik der schwachen Lira Herrn Draghi zu vereinnahmen, der ein ganz klares Mandat nach der derzeitigen Notenbankverfassung der Europäischen Zentralbank hat, und ihn in eine Traditionslinie zu stellen. Das war nicht in Ordnung, was Sie hier gemacht haben.
Die Bundesregierung hat unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel auch keinen Zweifel daran gelassen, dass in der derzeitigen Krise die Antwort der Bundesregierung unter Führung der Christlich Demokratischen Union die Europäische Zentralbank und der Aufkauf auch von Anleihen schwächelnder Eurostaaten ist.
Denn man muss Anleihekäufe der EZB auch und gerade unter der derzeitigen Notenbankverfassung nicht gut finden. Ich glaube, das teilen grundsätzlich alle. Aber es ist ganz offensichtlich im Moment einer der ganz wenigen Krisenreaktionsmechanismen, die wir haben, die funktionieren. Deswegen hat sich die Kanzlerin auch in dieser Frage so positioniert. Ich will das ausdrücklich sagen: An dieser Stelle hat sie meine uneingeschränkte Unterstützung. Denn es ist richtig, in der derzeitigen Situation so vorzugehen.
Zweiter Punkt. Ich will ganz kurz – die Zeit ist für eine qualifizierte Europadebatte zu kurz – an den Vortrag von Herrn Habermas von gestern Abend anschließen. Er hat gestern sehr deutlich gesagt, dass wir in der derzeitigen Situation mehr Europa brauchen, dass die Rückführung auf nationale Strategien grundfalsch ist. Das heißt aber vor allem, dass wir gemeinsame Verantwortung haben. Deswegen ist es auch richtig, dass wir – deswegen haben wir dem Fiskalpakt ausdrücklich zugestimmt; wir halten ihn ausdrücklich für richtig –
im Rahmen des Fiskalpakts Verantwortung für eine gemeinsame Fiskalpolitik übernehmen müssen. Solange der politische Raum nicht in der Lage und nicht willens ist, die politische Union, die notwendig ist, um eine Währungsunion qualifiziert weiterzuentwickeln, voranzutreiben, so lange ist es leider auch so, dass die EZB unser einziges Instrument ist, um in der Krise zu handeln. – Herzlichen Dank.
Danke sehr, Herr Schäfer-Gümbel. – Ich darf Frau Erfurth für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteilen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist eigentlich nicht der geeignete Ort, um sich mit den ernsthaften Problemen der Eurozone zu beschäftigen, vor allem wenn man bedenkt, welche Äußerungen es im Vorfeld dieser Aktuellen Stunde gegeben hat. Da konnten wir hören und lesen, dass der Europaminister
dieses Landes sich hinter die Äußerungen von Herrn Dobrindt gestellt hat, der den EZB-Präsidenten Draghi einen Falschmünzer nannte. Ich finde es auch sehr bedauerlich, dass Sie die Parallele von Italien zu Herrn Draghi gezogen haben. Ich glaube, das wird dem Amt des EZB-Präsidenten überhaupt nicht gerecht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Herr Hahn wird seinem Amt ja auch nicht gerecht! – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Europaminister dieses Landes, der gleichzeitig Justizminister ist, war sich nicht zu schade, diese Äußerungen von Herrn Dobrindt zu unterstützen und die Bundeskanzlerin aufzufordern, gegen die EZB zu klagen – dieser Europaminister, der sich gleichzeitig rühmt, Eurobonds verhindert zu haben. Da kann man wirklich nur ganz fassungslos den Kopf schütteln.
Jetzt höre ich auch noch von der FDP: „Das ist richtig!“ Herr Kollege Noll, ich finde, das ist eine sehr seltsame Argumentation.
Wir haben in der Eurozone einen Konstruktionsfehler, der in der Debatte immer wieder einmal eine Rolle spielt. Wir haben zwar den Euro eingeführt, aber wir haben es nicht geschafft, die Wirtschafts- und Fiskalpolitik in der Eurozone so zu harmonisieren, dass wir den Euro auf verlässliche Grundlagen stellen. Daran müssen wir immerzu schrauben. Eine verlässliche Grundlage wäre unter anderem gewesen, Eurobonds mit klaren, verlässlichen Regeln einzuführen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Zurufe von der FDP)
Herr Noll, hören Sie auf den zweiten Satz: mit klaren, verlässlichen Regeln, die die Länder, welche diese Bonds in Anspruch nehmen, zu klaren und verlässlichen Regeln in ihrer Haushalts- und Fiskalpolitik bringen. Nur dann kann es funktionieren, da gebe ich Ihnen recht.
Es ist auch versäumt worden, einen Schuldentilgungsfonds einzuführen, damit die Länder mit großen haushaltstechnischen Problemen überhaupt Licht am Ende des Tunnels sehen können.
Auch das wurde verwehrt – unter anderem von der schwarz-gelben Bundesregierung und mit Ihnen ganz vorne an der Spitze.
Es kann doch nicht sein, dass eine Regierung, die sozusagen einer Feuerwehr das modernste Löschfahrzeug ab
spricht, sich dann beschwert, wenn die Feuerwehrleute mit dem vorhandenen Material ein Feuer zu löschen versuchen. Gerade das versuchen Sie nämlich im Moment.
Sie haben ihnen die wirksamen Instrumente versagt. Und jetzt scheint es so zu sein, dass die EZB die einzige Institution ist, die überhaupt noch krisenreduzierend eingreifen kann; der Kollege Schäfer-Gümbel hat darauf hingewiesen. Dann dürfen Sie doch nicht so tun, als sei dieser Mechanismus des Teufels. Es ist doch das Einzige, was im Augenblick funktioniert.
Sie müssen sich doch eingestehen, dass Krisenländer wie Italien oder Spanien überhaupt nicht gegen die Krise ansparen können. Das ist im Moment de facto nicht möglich. Wenn sich ein Land zu Zinsleistungen von 6 % oder 7 % refinanzieren muss – dagegen kann eine Volkswirtschaft nicht ansparen. Sie behaupten doch immer, Sie wüssten, wie Wirtschaft funktioniert. Wenn Sie das aber negieren, dann haben Sie es an diesem Punkt wohl nicht verstanden, Herr Noll.
Ich hätte nie geglaubt, von diesem Pult aus einmal den ehemaligen Bundesvorsitzenden der FDP zitieren zu müssen. Aber es wäre sehr sinnvoll, wenn Sie sich vielleicht einmal an seine Worte erinnern würden. Es gab einmal ein sehr lesenswertes Interview in der „Frankfurter Rundschau“.