Protocol of the Session on September 6, 2012

Es ist aber auch klar, dass mit dem Gesetzentwurf ein Änderungs- und Ergänzungsbedarf aufgezeigt wird. Wir müssen den öffentlichen Gesundheitsdienst mit qualifiziertem Personal ausstatten. Wir dürfen dieses Personal aber nicht überfordern. Ich rufe in diesem Zusammenhang die Diskussion in Erinnerung, die wir gestern Vormittag über die ambulante ärztliche Versorgung geführt haben.

Im Übrigen finde ich es ausgesprochen bedauerlich, dass Fachzahnärztinnen und Fachzahnärzten die Qualifikation für eine stellvertretende Amtsleitung abgesprochen wird. Das kann nicht richtig sein. Erstens haben wir diese Situation im Main-Taunus-Kreis schon, zum Zweiten wissen wir, dass in anderen Ländern, wo Rot-Grün die Mehrheit hat, Fachzahnärzte mit der Leitung von Gesundheitsämtern beauftragt sind und es dort nicht zu Einschränkungen gekommen ist. Insofern muss man aufpassen, wenn man über derartige Fachqualifikationen redet.

Zum anderen ist auch klar, dass die personellen Ressourcen der einzelnen Gesundheitsämter sehr unterschiedlich sind. Die Organisationshoheit auf der Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung wird von uns mit diesem Gesetzentwurf aber nicht angegriffen, sondern berücksichtigt. Insofern ist auch der Forderung nach einer verpflichtenden Vorhaltung eines Kriseninterventionsdienstes nicht gefolgt worden.

Ich denke, dass auch die 24-stündige Rufbereitschaft, die in den gesetzlichen Regelungen der Gesundheitsämter länderübergreifend angelegt ist, letztendlich zu einem Erfolg führen wird.

Der Forderung nach einem „Haus der Gesundheit“, also nach einer zentralistischen Einrichtung zur ganzheitlichen gesundheitlichen Betreuung der Bevölkerung, erteile ich eine klare Absage. Eine solche Forderung ist mit unserem bestehenden Gesundheitssystem weder realisierbar, noch ist sie wünschenswert. Insofern glaube ich, dass der vorliegende Gesetzentwurf den aktuellen Erfordernissen Rech

nung trägt, und ich bitte um eine entsprechende Zustimmung.

P. S. Ich will an dieser Stelle etwas sehr Persönliches sagen. Ich hatte ein Problem gesundheitlicher Art. Das haben Sie ein paar Mal mitbekommen. Diese Plenartage waren für mich der Lackmustest. Meine Stimme funktioniert wieder.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich an dieser Stelle für die Zurückhaltung und für die wohlwollende Begleitung durch alle Mitglieder des Hessischen Landtags in dieser Zeit herzlich bedanken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Staatsminister. – Die Aussprache in der zweiten Lesung ist beendet.

Wer dem Gesetzentwurf in zweiter Lesung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Ich halte fest, dass der Gesetzentwurf in zweiter Lesung bei Zustimmung durch CDU und FDP und gegen die Stimmen der anderen Fraktionen des Hauses angenommen wurde und zum Gesetz erhoben ist.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 19, 42, 66 und 71 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Privatisierung des UKGM ist „gescheitert“ – Zukunft der Hochschulmedizin in Mittelhessen in neuer Trägerschaft verantwortlich gestalten – Drucks. 18/5904 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Universitätsklinikum Gießen-Marburg nutzen: alle Optionen sorgfältig prüfen – optimale medizinische Versorgung und Forschung auf Spitzenniveau dauerhaft absichern – gute Arbeitsbedingungen für Beschäftigte gewährleisten – Drucks. 18/5908 zu Drucks. 18/5884 –

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Bouffiers UKGM-Strategie gescheitert – Drucks. 18/6115 –

hierzu: Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucks. 18/6127 –

Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend mittelhessische Hochschulmedizin und Patientenversorgung endlich auf solide Basis stellen – Drucks. 18/6125 –

Ich halte zunächst fest, dass wir auf die Berichterstattung durch Frau Kollegin Schulz-Asche verzichten. Ich eröffne die Debatte und erteile Herrn Abg. Dr. Spies für die Fraktion der SPD das Wort. Redezeit: fünf Minuten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg war falsch, ist falsch und bleibt falsch, und die Privatisierung

des Universitätsklinikums Gießen-Marburg ist gescheitert.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dass die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen-Marburg gescheitert ist, ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern ist auch sehr deutlich zum Ausdruck gekommen, als noch vor wenigen Wochen die Rhön-Klinikum AG öffentlich eine Gewinnwarnung ausgeben musste, weil sie in diesem Jahr aufgrund der Abschreibungen für Investitionen für das Universitätsklinikum Gießen-Marburg mit einem Defizit von mindestens 20 Millionen € rechnen muss.

Damit wird deutlich, der Plan, notwendige Investitionen nicht aus Landesmitteln, sondern über den Betrieb selbst zu finanzieren – der einzige Grund für die Privatisierung –, hat nicht funktioniert. Sonst gäbe es dieses Defizit nicht. Deshalb stellen wir fest: Die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg und die damit von der Landesregierung verfolgten Pläne sind gescheitert.

Gescheitert ist auch die im Frühjahr entwickelte Strategie des Ministerpräsidenten. Wir stellen an dieser Stelle mit Bedauern fest, dass er nicht bei uns ist;

(Minister Axel Wintermeyer: Er kommt gleich noch! Er wusste nicht, dass es schon losgeht!)

denn der Herr Ministerpräsident hat uns erklärt, der Versuch einer Übernahme der Rhön-Klinikum AG durch die Fresenius AG sei das Ergebnis seiner Initiative. Wenn dem denn so war, stellen wir fest: Auch diese Initiative des Ministerpräsidenten ist gescheitert.

Meine Damen und Herren, dieses Scheitern hat erhebliche Konsequenzen. Nach all den Problemen, die es gab, hätte eine erfolgreiche Übernahme das Land nämlich bei der Frage der zukünftigen Gestaltung in eine ganz neue Verhandlungsposition gebracht. Die verehrte Frau Wissenschaftsministerin hat im Ausschuss sehr deutlich gemacht, wie viel „Freude“ sie noch an dem Verhältnis zur Rhön-Klinikum AG hat. Die Frau Staatsministerin hat erklärt, dass ihr jede Alternative lieber wäre als der jetzige Betreiber. Aber die Möglichkeit, das Problem auf der Grundlage eines Rückübertragungsanspruchs ganz neu zu verhandeln, ist nicht mehr gegeben.

Was macht die Landesregierung?

(Günter Rudolph (SPD): Moment einmal, Herr Dr. Spies! – Zurufe von der SPD: Erst einmal muss die Landesregierung da sein!)

Sie schweigt.

(Ministerpräsident Volker Bouffier betritt den Ple- narsaal.)

Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass der Herr Ministerpräsident da ist, und gehe davon aus, dass er uns gleich erklärt, ob seine Strategie an dieser Stelle gescheitert ist.

Der erfolglose Übernahmeversuch hat aufgrund der Erwartungen, die damit verbunden waren, nicht nur zu vielfältigsten Enttäuschungen in der Bevölkerung der Region geführt, sondern auch die Verhandlungsposition des Landes ist deutlich geschwächt worden. Worauf kommt es jetzt an?

Die Hochschulmedizin dient Forschung und Lehre. Das ist ihre Aufgabe; dafür ist sie da. Das kann, wie inzwischen

wirklich jeder verstanden haben wird – außer vielleicht der Mehrheit im Hessischen Landtag; aber auch von denen hat es zumindest ein wesentlicher Teil begriffen –, nur in Form einer gemeinnützigen Gesellschaft erfolgen: Die Erträge fließen in den Betrieb zurück; sie können nicht entnommen werden. Die Hochschulmedizin ist zu knapp gestrickt, um das zu leisten.

(Beifall bei der SPD)

Die in der Zwischenzeit hergestellte wirtschaftliche Einheit ist das einzig Erfolgreiche an der Zusammenführung der Universitätsklinika Gießen und Marburg zu einer gemeinsamen Einrichtung. Aber auch da bleibt die Landesregierung die Auskunft schuldig, wie die von ihr vorgesehene Organisation tatsächlich umgesetzt werden soll.

Nein, wir stellen fest: Der Einfluss des Landes ist bei dem schlechtesten Vertrag, den es je geschlossen hat, offensichtlich unzureichend. Deshalb bleibt nur zu sagen, dass die Strategie des Landes an dieser Stelle gescheitert ist.

(Beifall bei der SDP und der LINKEN)

Thorsten Schäfer-Gümbel und ich haben im Januar 2006, am Tag nach dem Beschluss des Hessischen Landtags zur Privatisierung der Universitätskliniken, angeboten, gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie die damit verbundenen Schwierigkeiten überwunden werden können. Wir haben dieses Angebot in der Vergangenheit ziemlich oft wiederholt, allerdings bislang nicht mit dem gewünschten Erfolg. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass die Landesregierung erneut Versuche gestartet hat, die, wie wir festgestellt haben, zu keinem Erfolg geführt haben.

Es ist an der Zeit, dass wir endlich auf der Grundlage der Prämissen und der Erfordernisse einer zeitgemäßen Hochschulmedizin gemeinsam nach Lösungen suchen. Die heute vorliegenden Anträge weisen in die Richtung, in die der Landtag gehen muss. Wir sehen den Beratungen im Ausschuss mit Interesse entgegen. Das Thema UKGM wird uns noch lange begleiten. Es ist schade, dass die Landesregierung in dieser Frage bislang so wenig Engagement gezeigt hat.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat Frau Abg. Schulz-Asche, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Peter Seyffardt (CDU): Alles, was privat ist, ist für die SPD ein Schreckgespenst!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die europaweit einzige Privatisierung eines Universitätsklinikums, nämlich des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, war ein schwerer Fehler.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Wissenschaft und Forschung sind originäre Aufgaben eines Landes und dürfen nicht zum Spielball von Konzernen und Aktionären werden. Es hat sich gezeigt, dass es schwere vertragliche Fehler gab, die dazu führten, dass wir in den letzten Monaten zweimal ein Übernahmespektakel durch Fresenius erleben mussten und dass es sich seit

heute andeutet, dass wir unter Umständen das Gleiche mit Asklepios durchmachen werden.

Ich glaube, dass das, was im Moment dort abläuft, wirklich unverantwortlich ist. Das ist eine Verunsicherung der Bevölkerung, der Beschäftigten und der Studierenden, die nicht mehr gerechtfertigt ist. Wir sehen die Landesregierung in einem zentralen Bereich der Landespolitik als schweigenden Zuschauer am Pokertisch der Krankenhauskonzerne.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)