Protocol of the Session on September 6, 2012

Noch einen Satz. – Die Lernmittelfreiheit ist in Berlin abgeschafft und in Brandenburg deutlich eingeschränkt worden. Wir werden das Ganze im Ausschuss beraten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Ich erteile Herrn Abg. Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Lernmittelfreiheit hat in Hessen Verfassungsrang. Es ist auch gut so, dass die Lernmittel, die unsere Schülerinnen und Schüler brauchen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden und dass wir damit sicherstellen, dass der Lernerfolg an dieser Stelle nicht vom Einkommen der Eltern abhängig ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

So klar und so einfach der Verfassungsauftrag eigentlich ist, so schwierig ist seine Umsetzung, weil die Frage, was zu den Lernmitteln gehört, die unbedingt notwendig sind, um Erfolg in der Schule zu haben, und was nicht, einen kontinuierlichen Prozess erforderlich macht. Insofern ist es gut, dass wir durch den Gesetzentwurf der LINKEN jetzt die Gelegenheit haben, uns mit der Frage noch einmal zu beschäftigen und zu schauen, was dazugehört und was nicht.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, es gehört auch dazu, zu sagen, was man von den Eltern erwarten kann – was können sie ihren Kindern mitgeben? –; denn alles werden wir nicht bezahlen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Aspekt, den wir beleuchten müssen, ist die Frage – das ist zu Recht angesprochen worden; darüber kann man nicht hinweggehen –: Wie können wir Eltern unterstützen, die nicht in der Lage sind, die Sachen zu bezahlen, die, wie wir sagen, der Staat nicht übernimmt? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, das brauchen wir nicht für alle zu übernehmen, sondern nur für diejenigen, die es sich wirklich nicht leisten können. Auch da lohnt es sich, zu schauen, ob die bisherigen, in dem Bildungs- und Teilhabepaket enthaltenen Instrumente ausreichend sind.

Das sind die zwei Punkte, denen wir in den Ausschussberatungen sehr sorgfältig nachgehen müssen. Alles andere war ein Popanz; denn zwischen den Parteien muss es Streit geben. Ich habe versucht, den sachlichen Kern darzustellen, und ich freue mich darauf, über diesen sachlichen Kern in den Ausschussberatungen zu diskutieren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Beer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin an und für sich ganz froh über die Vorlage der Fraktion DIE LINKE, weil sie mir auf der einen Seite die Gelegenheit bietet, darzulegen, was das Bundesland Hessen gerade im Hinblick auf die Lernmittelfreiheit bereits leistet. Das leisten wir, weil wir wie alle der Meinung sind – so verstehe ich zumindest den Ansatzpunkt der Fraktion DIE LINKE sowie aller anderen, die hierzu gesprochen haben –, dass es ein wichtiger Punkt in unserer Verfassung und auch in unserem Schulgesetz ist, die Lernmittelfreiheit zu garantieren und somit den Zugang zur Bildung zu ermöglichen.

Frau Abg. Cárdenas, auf der anderen Seite bietet mir die Vorlage der LINKEN die Möglichkeit, zu zeigen, dass wir eine sehr ausgewogene und insbesondere eine verfassungskonforme Umsetzung dieses Auftrags in Art. 59 Abs. 1 der Hessischen Verfassung gewährleisten. Das ist nämlich der Unterschied zu der Situation, die sich in Sachsen aufgrund der Entscheidung des OVG Bautzen offensichtlich ergeben hat; Herr Merz fragte danach.

Wir haben im Schulgesetz schlicht eine andere Umsetzungsform gewählt, sodass sich zwar die Formulierungen in Sachsen und in Hessen ähneln, die Umsetzung in Hessen aber sauberer erfolgt ist als in Sachsen. Das hat zur

Folge, dass die Sachsen aufgrund der gesetzlichen Regelung jetzt nachbessern müssen, während wir sowohl im Schulgesetz als auch in den Durchführungsverordnungen ganz klar definiert haben, was unter der Lernmittelfreiheit zu verstehen ist.

Das führt unter anderem dazu, dass vieles von dem, was nach Ihrem Gesetzentwurf jetzt aufgenommen werden müsste, damit es unter die Lernmittelfreiheit fällt, längst enthalten ist. Es ist allerdings, wie es Herr Merz dargestellt hat, unter einem Sammelbegriff aufgeführt; denn bei dem sich entwickelnden Medienangebot ist es nicht sinnvoll – auf die digitalen Medien ist schon eingegangen worden –, dies abschließend zu regeln. Aber es ist klar, dass Atlanten, Tafelwerke, Lexika, Wörterbücher, Ganzschriften, die Arbeits- und Übungshefte, die in § 2 Durchführungsverordnung als „sonstige Schriften“ bezeichnet werden, und auch Werkstoffe und Rechenstäbe bereits jetzt erfasst sind.

Ich glaube – diese Auffassung ist von den meisten Rednern geteilt worden –, dass es auf der anderen Seite auch richtig ist, darauf hinzuweisen, dass es, was die allgemeinen Gebrauchsgegenstände jenseits von Papier und Bleistift betrifft, letztendlich die Sache der Eltern ist, ihre Kinder damit auszustatten. Ich denke, dass Sie mit Ihrem Ansatz, z. B. die Sportkleidung und die Schulranzen für alle Kinder zu finanzieren, doch ein bisschen – wenn auch gut gemeint – über das Ziel hinausschießen. Dafür sind in Einzelfällen Härtefallregelungen vorgesehen.

An Schulen, die von Kindern mit besonderen Bedürfnissen besucht werden, etwa die Montessorischulen, oder auch an bestimmten beruflichen Schulen werden die Lernmittelkosten übernommen, die an anderen Schulen nicht aus dem entsprechenden Lernmittelbudget beglichen werden können. Das heißt, man schaut vor Ort ganz genau hin, um auf spezielle Bedürfnisse einzugehen.

Einen weiteren Hinweis möchte ich geben: Zu den schon erwähnten 30 Millionen € – ein hoher Ansatz –, die das Land Hessen immer wieder in die Lernmittelfreiheit investiert, kommen für die Schulen weitere Beträge und weitere Möglichkeiten hinzu. Sie haben im Rahmen ihrer Eigenständigkeit bzw. ihres kleinen oder großen Schulbudgets die Möglichkeit, diese Gelder für die Beschaffung von Lernmitteln einzusetzen. Es gibt also die Möglichkeit, vor Ort über zusätzliche Anschaffungen und die Berücksichtigung sozialer Kriterien zu entscheiden. Die Schulen nutzen, zumindest nach unseren Beobachtungen, diese Möglichkeit sehr verantwortungsvoll.

Ich glaube, Sie stören sich vor allem an dem in sehr vielen Schulen immer wieder verlangten sogenannten Kopiergeld. Nach unseren Erfahrungen ist es in der Regel so, dass sich die Schulleitungen mit den Elternvertretungen über einen bestimmten Betrag einig werden. Ein Betrag in einer Größenordnung von 10 bis 15 € pro Jahr lässt sich mit dem vereinbaren, was – so sieht es die Rechtslage vor – unter dem Begriff „geringerer Betrag“ zu verstehen ist. Von daher appelliere ich an dieser Stelle an die Schulen, hierfür keine höheren Beträge anzusetzen, gerade auch vor dem Hintergrund der Möglichkeit, freie Mittel für die Anschaffung von Lernmitteln einzusetzen.

Auf der anderen Seite sei der Hinweis gestattet, dass die Eltern in den Orten, in denen das anders gehandhabt wird, auf die Schulleitungen zugehen und das Gespräch mit ihnen suchen sollten – meinetwegen mit Unterstützung der Elternvertreter oder wie auch immer –; denn an der einen oder anderen Schule ist das möglicherweise

nicht okay. Wir haben solche Versuche seitens des Ministeriums unterstützt, beispielsweise wenn sie über das Elterntelefon an uns herangetragen worden sind.

Ich möchte ganz kurz zwei Punkte erwähnen, die von Ihnen – auch von den anderen Rednern in der Debatte – nicht angesprochen worden sind. Aber ich finde es durchaus wichtig, noch einmal ein Schlaglicht darauf zu werfen. Ich halte Ihren Ansatz, die in dem jetzigen Schulgesetz enthaltene Schadenersatzregelung zu streichen, für verfehlt. Ich glaube, von Schülern, denen man hochwertige und teure Bücher ausleiht, damit sie die Möglichkeit haben, dem Unterricht ohne eigene Kosten zu folgen, kann man zumindest verlangen, dass sie diese Bücher pfleglich behandeln und sie am Ende des Schuljahrs zurückgeben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Von daher glaube ich, dass es dem Erziehungsauftrag der Schule kaum entsprechen würde, genau diese Regelung, wie von Ihnen vorgeschlagen, zu streichen. Der Rechnungshof ging in seinem Prüfbericht 2011 noch weiter und forderte sogar, dass wir eine Kaution verlangen. Dem würde ich mich, auch vor dem Hintergrund der Rechtslage, nicht anschließen wollen. Aber dass es reichlich egal ist, ob man ein Buch nachher zurückgibt oder nicht, finde ich nicht.

Ich halte den Vorschlag, das bewährte Trennsystem zwischen dem Schulträger, der für die Lehrmaterialien zuständig ist, und dem Land, das für die Lernmaterialien zuständig ist, aufzugeben und jetzt alles über ein Erstattungssystem beim Schulträger zu finanzieren, nicht nur für hoch bürokratisch, sondern auch für teuer. Entschuldigung, Frau Cárdenas, dieses Geld investiere ich doch lieber in die Lernmittelfreiheit. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Damit ist die erste Lesung vollzogen.

Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Kulturpolitischen Ausschuss. – Dem widerspricht keiner. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes (HLöG) – Drucks. 18/6046 zu Drucks. 18/5250 –

Berichterstatterin ist Frau Kollegin Klaff-Isselmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sozialpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und DIE LINKE gegen die Stimmen der Fraktion der SPD bei Enthaltung der Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen.

Vielen Dank. – Herr Dr. Spies, spricht etwas dagegen, dass Frau Klaff-Isselmann gleich redet? – Dann haben Sie jetzt das Wort zur Aussprache. Bitte schön.

Prävention statt Bevormundung – dieser Grundsatz bestimmt unsere Position bei der Frage des Alkoholverkaufs zu nächtlicher Zeit. Da Lernen auch ein Prozess stetiger Wiederholung ist, wiederhole ich hier gern zum dritten Mal die Auffassung der CDU-Fraktion zu dem Problem der Beschaffung von Alkohol durch Jung und Alt. Die fortgeschrittene Zeit im Blick fasse ich mich angemessen kurz.

Ein reines Alkoholverkaufsverbot wird der komplexen Problematik um den Konsum von Alkohol nicht gerecht. Dies wird besonders deutlich, wenn wir uns Ihre Vorgehensweise vor Augen führen:

Wir fördern Mündigkeit im Umgang mit Alkohol – Sie postulieren ein Verbot. Wir fördern die Stärkung von Selbstverantwortung – Sie entmündigen durch Verbot.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Verbote verbieten, das ist das Motto der CDU!)

Wir fördern die Stärkung von Selbstwert – Sie unterstellen Geringschätzung und verbieten. Wir fördern Jung und Alt zu persönlicher Stärke – Sie entmutigen durch Verbot. So, wie Sie es vorschlagen, unterstützen und ertüchtigen Sie keine Erwachsenen und schon gar keine jungen Menschen im Umgang mit Alkohol.

Damit sind wir beim Thema Prävention und deren Grundsätzen angekommen.

(Unruhe)

Ich fände es angemessen, wenn Sie mir die Möglichkeit gäben, mich zu Gehör zu bringen.

Moderne Suchtprävention ist eine Kombination von verhaltensbezogenen, individuellen und verhältnisbezogenen, strukturellen Maßnahmen. Die Förderung von sozialen Kompetenzen, das Erlernen von Regeln der Kommunikation und die Erarbeitung von Regeln zur Krisenprävention sind ebenso wichtig wie die Einflussnahme auf die Umgebung der Menschen, ihre Familien, Schulen und Arbeitswelt. Wir setzen auf Konzepte moderner Suchtprävention wie das hessische Projekt HaLT – Hart am Limit –, das sich in der Praxis sehr bewährt hat. Hessen finanziert gemeinsam mit den Krankenkassen, den Landkreisen und kreisfreien Städten dieses Projekt zur Alkoholprävention bei Kindern und Jugendlichen und ist damit das erste Bundesland mit einem einheitlichen Rahmenvertrag.

Prävention in diesem Sinne ist es, die mit persönlichkeitsorientiertem Ansatz Lebenskompetenz vermittelt, womit wir Menschen wegführen von dem Glauben an die Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit von Alkoholexzessen. Insbesondere ein junger Mensch, der in dieser Weise gestärkt seinem Umfeld entgegentreten kann, hat die Chance, sich gegenüber seinem Freundeskreis und auch gegen sich selbst zu behaupten und die Sinnlosigkeit von und Gesundheitsgefährdung durch Alkoholmissbrauch zu erkennen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Nachdem Sie im vergangenen Jahr das Gesetzgebungsverfahren zum Hessischen Ladenöffnungsgesetz ungenutzt haben verstreichen lassen,

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das stimmt nicht!)

erscheint Ihr Vorschlag heute im Lichte von Aktionismus und wirkt wie ein Schnellschuss aus der Hüfte. Lassen Sie uns im Übrigen doch die Evaluation der Initiative in Baden-Württemberg abwarten; dann können wir gern weiter diskutieren. Unsere Stimme für Ihren Gesetzentwurf erhalten Sie daher nicht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Spies, SPD-Fraktion.