Protocol of the Session on September 6, 2012

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Sie haben Studiengebühren eingeführt!)

Das war auch gut so, denn es hat in der Tat – die Kollegin hat es angesprochen – eine Reihe von technischen Weiterentwicklungen an den Schulen gegeben. Beispielsweise waren die digitalen Lernwerke bei der Lernmittelfreiheit nicht aufgeführt. Bei den Schulen stellte sich dann das

Problem, wenn eine CD angeschafft werden sollte – diese Computerprogramme waren auch meist sehr teuer –, ob sie aus dem Budget des Schulträgers oder aus der Lernmittelfreiheit bezahlt wird. Das war nie ganz klar. Das haben wir mit der Änderung des Schulgesetzes letztes Jahr erfasst.

Grundsätzlich ist dazu zu sagen, wenn man sich Hessen im Vergleich zu den anderen Bundesländern anschaut, sind wir bei der Lernmittelfreiheit sehr gut aufgestellt. Wir haben einen entsprechend hohen Etat. Im letzten Landeshaushalt waren dafür 30 Millionen € zur Verfügung gestellt. Die Summe war sicherlich schon einmal höher, aber das liegt den Berechnungen zugrunde.

Wir haben ganz klar gesagt: Wir wollen, dass nicht mehr mit Atlanten unterrichtet wird, in denen die DDR und die deutsch-deutsche Grenze noch eingezeichnet sind, auch wenn das Herrn van Ooyen vielleicht gefallen würde. – Deswegen haben wir den Etat entsprechend erhöht. Jetzt ist er auf einem Niveau eingependelt, mit dem wir dafür sorgen können, dass Schulbücher ausgetauscht werden können. Das ist ordentlich so, und das ist vernünftig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn ich jetzt von Ihnen höre, der Schulranzen koste Geld: Ja, das ist so. Aber die Kleidung der Kinder kostet auch Geld. Bei allem Verständnis für diesen sozialen Aspekt ist es nun doch so, dass der Staat vieles leisten kann. Er kann sicherlich auch zu einem gewissen Teil die Kinder erziehen. Er kann auch dafür sorgen, dass sozial Bedürftige Möglichkeiten haben, entsprechende Förderungen zu bekommen. Es gibt auch viele Stiftungen, die in diesem Bereich tätig sind. Letzten Endes sind es gewisse Grunddinge, wie z. B. sein Kind anzukleiden, oder wenn es in die Schule geht, ihm Papier oder Schulhefte mitzugeben. Da hört es nach unserem Verständnis auf, was der Staat noch alles leisten soll. Letzten Endes gibt es Dinge, die muss man einfach voraussetzen, und die muss man auch von einem Elternhaus erwarten können.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Nein, das ist nicht egal. – Deswegen sage ich ganz klar: Wir halten diese Regelungen für ausreichend, wie sie zum einen im Hessischen Schulgesetz vorgesehen sind. Auch in der Sozialgesetzgebung gibt es verschiedene Möglichkeiten, entsprechend fördernd tätig zu werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, gestatte ich nicht. Es sind nur fünf Minuten Redezeit. – Sie brauchen von unserer Seite mit keinerlei Verbesserungsvorschlägen zu diesem Gesetzentwurf zu rechnen. Der Gesetzentwurf ist unnötig, er beruht auf einer völlig falschen Auslegung der hessischen Landesverfassung, und er spielt ein Problem hoch, das aus Ihrer Sicht gefühlt da ist, das aber mit der Realität in Hessen herzlich wenig zu tun hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Döweling. – Für die SPD, Herr Merz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon immer wieder erstaunlich, aus welchen Dingen man Anlässe für eine ideologische Revanche machen kann. Das war schon beeindruckend.

Ich will mich aber auf das konzentrieren, was vor uns liegt, nämlich den Gesetzentwurf zu einem Problem, von dem ich schon glaube, dass es ein relevantes Problem ist. Das weiß eigentlich auch jeder, der Kinder im schulpflichtigen Alter hat. Die Kinder kommen schon Ende des vorhergehenden Schuljahres, oder spätestens in den ersten Tagen des neuen Schuljahres, mit langen Listen nach Hause, was bitte schön anzuschaffen ist. Das, was in diesen Listen steht, ist anzuschaffen. Da könnte man sich beispielsweise fragen, ob da nicht Dinge dabei sind, die unter die Lernmittelfreiheit fallen. Beispielsweise war es bei meiner Tochter sehr selbstverständlich der Fall, ein Arbeitsheft zu einem Englischlehrbuch zu kaufen, das 20 € gekostet hat. Ich kann das bezahlen. Es gibt aber Leute, bei denen 20 € ziemlich viel Geld sind. Dann kommen noch all die Dinge hinzu, von denen Kollegin Cárdenas gesprochen hat.

Der Gesetzgeber hat es zum Anlass genommen, für die Kinder, deren Familien im SGB-II-Bezug sind, das Schulstarterpaket zu installieren. Sie haben auf das Bildungspaket und das SGB II hingewiesen. All das sind doch Hinweise darauf, dass wir es hier mit einem massiven Problem zu tun haben, dem Auseinanderfallen der Normierung des Gesetzes und dessen, was in der alltäglichen Realität in den Schulen passiert. Das ist ohne Frage richtig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Insofern sagen wir schon, das Anliegen, mit dem die Fraktion DIE LINKE versucht, diesem Thema gerecht zu werden, ist ein ernsthaftes und respektables Anliegen, weil wir es mit einem ernsthaften Problem zu tun haben.

Jetzt kommt die Frage, ob man diesem Problem mit einem Gesetz zu Leibe rücken kann: Ist eine gesetzliche Regelung geeignet, dieses Problem zu lindern und zu lösen? Und die zweite Frage lautet: Ist dieser Gesetzentwurf geeignet, das zu tun? – Da muss ich für meine Fraktion sagen: Da bestehen dann doch erhebliche Zweifel, schon allein bei der Antwort auf die grundsätzliche Frage. Ich will das Ergebnis der Ausschussberatung und der Anhörung gar nicht vorwegnehmen.

Ich will aber die Zweifel benennen. Es fängt schon damit an, dass Sie einen Gesetzgebungsauftrag aus Art. 59 Abs. 1 formulieren. An dieser Stelle gebe ich Herrn Döweling recht, es gibt schon eine Regelung im Schulgesetz, die entspricht mehr oder weniger den Regelungen, die in den Schulgesetzen der anderen Länder stehen.

Zweitens sagen Sie in Ihrer Vorlage, es sei ein Gesetzentwurf auf der Grundlage der obergerichtlichen Rechtsprechung anderer Länder. Das finde ich zumindest ungewöhnlich für ein Gesetz, das die Verhältnisse im Land Hessen regeln soll. Es wäre gut gewesen, wenn Sie uns erstens gesagt hätten, welche obergerichtlichen Regelungen das sind, und zweitens, ob es für Hessen eine solche obergerichtliche Rechtsprechung gibt. Darauf wird kein Bezug genommen. Ich habe auf Anhieb auch keine gefunden. Das können wir aber nacharbeiten. Jedenfalls wäre es sehr schlau, eine Regelung zu treffen, die auf der Rechtsprechung im Lande Hessen – wenn es denn eine entsprechende gibt – fußt, wenn man meint, dem mit einer Gesetzesnovellierung gerecht werden zu können.

Ich glaube drittens, dass man nicht wirklich weiterkommt, wenn man versucht, im Gesetzestext eine abschließende Definition der Gegenstände vorzunehmen, die unter die Lernmittelfreiheit fallen sollen. Bei ein paar Gegenständen ist eine Festlegung relativ einfach möglich. Das ist sicherlich bei den Schulbüchern und bei allem, was in diesen Kontext gehört, der Fall; aber es gibt eine relativ breite Grauzone – zumindest aus meiner Sicht – von Dingen, bei denen das man nicht so ohne Weiteres sagen kann.

Viertens haben Sie all das einbezogen, was bisher in § 153 Abs. 4 des Hessischen Schulgesetzes geregelt ist. Sie haben auch auf das Bezug genommen, was in der Verordnung steht. Das ist eigentlich nur eine Doppelung dessen, was in § 153 Abs. 4 des Schulgesetzes steht. Ich meine, dass ein paar der Dinge, die dort genannt sind, von den Eltern übernommen werden müssen, z. B. Hefte, Bleistifte und dergleichen mehr. Herr Kollege Döweling, an der Stelle haben Sie es sich ein bisschen einfach gemacht. Aber es gibt eine Reihe von Dingen, über die man tatsächlich nachdenken muss. Dazu gehören z. B. die elektronischen Medien, die heutzutage für die Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung unabdingbar sind. Dafür muss es eine Regelung geben. Auch darüber müsste diskutiert werden.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Ende. – Fünftens. Ich glaube, dass der Gesetzentwurf so, wie er jetzt ist, dem allen nicht wirklich gerecht wird, weil er in den Definitionen unklar ist, weil er auch weiterhin ein Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe enthält.

(Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- sitz.)

Es gibt also sehr viel Anlass, in der Anhörung und in der zweiten Lesung vertieft zu diskutieren. Wir sind dazu bereit – offensichtlich im Gegensatz zu den Kollegen von der FDP. Insofern sehe ich der sachlichen Auseinandersetzung mit Interesse entgegen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Wort hat Herr Kollege Schwarz für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eines vorneweg: Der Gesetzentwurf der Linksfraktion zur Lernmittelfreiheit ist geprägt von einem gewissen Realitätsverlust. Das zeigt auch die Einlassung der Kollegin Cárdenas, die darauf hingewiesen hat, dass ein Schulranzen um die 150 € kosten muss. Ich habe schon mehrere Ranzen gekauft und weiß, dass es auch günstigere gibt.

(Zurufe von der LINKEN)

Das Land Hessen erfüllt nicht nur seinen Auftrag nach Art. 59 der Verfassung seit Jahrzehnten pflichtgemäß, son

dern ist bundesweit in diesen Bereichen vorne und weithin angesehen. Hessen zählt zu einer Minderheit – das möchte ich betonen – von Bundesländern, die die Lernmittelfreiheit überhaupt noch gewährleisten. Es sind fünf an der Zahl.

Die Lernmittelfreiheit ist nicht nur in der Hessischen Verfassung und im Hessischen Schulgesetz festgeschrieben, sondern auch im Ausführungserlass im Sinne der Eltern so ausgelegt, dass es bei der Umsetzung keine Schwierigkeiten gibt. Sowohl Gebrauchsgegenstände, also auch Verbrauchsmaterialien, die im Unterricht verwendet werden, als auch elektronische Medien in Form von Lern- und Unterrichtssoftware werden den Schülern in Hessen unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Vor wenigen Tagen hat der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes unterstrichen, dass in Deutschland lediglich noch fünf Bundesländer die klassische Lernmittelfreiheit gewährleisten: Baden-Württemberg, Bremen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Eine solche umfassende Lernmittelfreiheit bedeutet gleichwohl nicht, dass die Eltern überhaupt keine Verantwortung tragen und ihre finanzielle Teilnahme an der Bildung ihrer Kinder überhaupt nicht erforderlich ist. Wenn bestimmte Gegenstände von der Lernmittelfreiheit ausgenommen sind, dann handelt es sich erstens um solche geringeren Wertes und zweitens um solche, die auch außerhalb des Unterrichts gebräuchlich sind. Das geschieht aus gutem Grund, meine Damen und Herren. Wenn nämlich jede Kopie einzeln mit 5 Cent in Wiesbaden abgerechnet werden müsste, dann würden wir ein Meldewesen hochziehen, das möglicherweise gewissen sozialistischen Idealen entspräche, aber einen bürokratischen Mehraufwand nach sich zöge, der die komplette Lernmittelfreiheit unbezahlbar machen würde.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Sie haben die Fantasie, dass das abgerechnet werden muss, nicht wir! Warum muss das abgerechnet werden?)

Auch Ihre Forderung nach einer Übernahme der Kosten für überwiegend außerhalb des Unterrichts gebräuchliche Gegenstände wie Rucksäcke, Kochtöpfe und Musikinstrumente lässt sich aus dem Verfassungsauftrag sicherlich nicht herleiten. Apropos Musikinstrumente: Die Kultusministerin hat am Freitag letzter Woche darauf hingewiesen, dass das Programm JeKi verlängert wird – das begrüßen wir ausdrücklich – und mit 0,5 Millionen € im Doppelhaushalt hinterlegt ist.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Für wie viele Klassen?)

Sie können aber nicht allen Ernstes fordern, dass jedem Kind möglicherweise ein Klavier hingestellt werden muss. Das geht sicherlich am Ziel vorbei.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Die Landesverfassung und die Landesregierung garantieren die Lernmittelfreiheit. Kein Kind wird daher aus finanziellen Gründen am Schulbesuch und an einer erstklassigen Schulausbildung gehindert. Das Gegenteil stimmt. Da auch die Eltern bei der Umsetzung von Erziehung und Bildung Verantwortung tragen, ist es das Recht und die Pflicht auch sozial schwächerer Eltern, die Sozialleistungen aufzunehmen, die zur Verfügung gestellt werden. An der Stelle verweise ich auf das Bildungspaket des Bundes, das den betroffenen Familien bis zu 100 € jährlich für Gebrauchsgegenstände – wie Taschenrechner, Stifte und Schulranzen – zur Verfügung stellt. Hilfreich wäre

möglicherweise auch ein Rechenbuch, damit die Linkspartei einmal durchrechnen kann, was das kostet, und zweitens einmal darauf schauen kann, wie die Zahlen früher ausschauten. Ich erinnere daran: Für die Lernmittelfreiheit war zur Zeit der letzten rot-grünen Regierung

(Janine Wissler (DIE LINKE): Dafür können wir nichts!)

ein Etat von 20 Millionen € veranschlagt. Heute liegen wir bei 30 Millionen €. Das ist vorbildlich. Ich denke, darauf darf man an der Stelle mit einem gewissen Stolz hinweisen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Im Rahmen des kleinen Schulbudgets verfügen die Schulen im Übrigen über Möglichkeiten, dort einzugreifen, wo Bedarf besteht. Ich erinnere auch daran – hören Sie mir bitte zu, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion –, dass im rot-grün-dunkelroten Koalitionsentwurf 2008 die Lernmittelfreiheit überhaupt keine Erwähnung fand. Dafür gibt es zwei mögliche Gründe.

Herr Kollege, die Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Ende. – Entweder war Ihnen das nichts wert, oder wir haben an der Stelle so gute Arbeit gemacht, dass alles zufriedenstellend ist.

Zwei Beispiele will ich Ihnen noch geben. Überall dort, wo Rot und Grün zusammen unterwegs sind – –

Herr Kollege, ich habe das mit der Redezeit ganz ernst gemeint.

Noch einen Satz. – Die Lernmittelfreiheit ist in Berlin abgeschafft und in Brandenburg deutlich eingeschränkt worden. Wir werden das Ganze im Ausschuss beraten.