Ich will darauf hinweisen, dass die Kollegen Büger und Schneider sehr ausführlich darauf hingewiesen haben: Wo fängt das eigentlich an, und wo hört es auf? – Ich benutze auch nicht den Begriff Rüstungsforschung, den ich ablehne, sondern es wird sicherheits- und wehrtechnische Forschung betrieben.
Die sogenannte Zivilklausel ist eine Klausel, die es in Deutschland in keinem einzigen Hochschulgesetz gibt – zu Recht. Die grüne Kollegin in Baden-Württemberg sollte das einbringen und hat davon Abstand genommen, weil eine solche Klausel im Hochschulgesetz gegen Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz verstoßen würde. Sie hat daher davon Abstand genommen, aus meiner Sicht zu Recht. Es gibt kein einziges Hochschulgesetz, bei dem eine solche Klausel einzuführen wäre, denn sie verstößt gegen das Grundgesetz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, darüber bin ich froh. Deswegen werden jetzt Wege gesucht, um etwas zu machen, was dem irgendwie gleichkommt, was aber nicht den Hintergrund hat.
Herr Kollege Grumbach, als ich dem Anfang Ihrer Ausführungen gefolgt bin, habe ich mich gefragt: Wird die SPD jetzt doch dem Antrag der LINKEN zustimmen? Denn der ganze erste Teil Ihrer Rede zielte genau darauf ab. Sie haben dann gerade noch die Kurve bekommen.
Wenn es um die Diskussionen darüber geht, dann stelle ich fest – das haben der Kollege Schneider und der Kollege Büger ausdrücklich ausgeführt –,
wie in der Vorbemerkung der Landesregierung am 08.06.2009 auf die Große Anfrage der LINKEN beantwortet – das will ich noch einmal mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren –:
Die sicherheits- und wehrtechnische Forschung dient in einem demokratischen Staat der erforderlichen Sicherheitspolitik eines Landes, die die Bereiche der Innen- wie Außenpolitik umfasst. Oberstes Ziel deutscher Sicherheitspolitik ist, die Sicherheit und den Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger
zu gewährleisten. Zu diesem Zwecke muss Sicherheitspolitik nicht nur auf die Verhütung von Krisen und Konflikten ausgerichtet sein, sondern auch das Gesamtspektrum sicherheitspolitisch relevanter Handlungsoptionen und Instrumente umfassen.
Insofern bedarf es einer ausgeprägten Fähigkeit in allen Wissenschaftsbereichen zur detaillierten Beobachtung und Bewertung der relevanten nationalen wie internationalen Forschungs- und Technologielandschaft.
Sicherheitsforschung ist darüber hinaus interdisziplinär angelegt; sie bindet unter anderem auch die Geistes- und Sozialwissenschaften ein. So vollzieht sich die Kooperation in diesem Forschungsbereich insbesondere im wechselseitigen Wissenstransfer sowie in der Erschließung neuer Anwendungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau so sehe ich das. Am Ende muss man sagen: Das, was an der Universität Kassel beschlossen worden ist, ist ein Senatsbeschluss. Dieser hat keine Qualität einer Bindung, es ist bisher noch nicht einmal ins Verfahren gegangen. Es bleibt abzuwarten, wie es weitergehen wird.
Ich will ganz deutlich sagen, dass die Freiheit von Forschung und Lehre – auch mit dem, was Sie, Herr Grumbach, gesagt haben – dadurch eingeschränkt wird. Die Freiheit von Forschung und Lehre ist ein Grundsatz, den ich nicht einschränken will. Die Kollegin Wissler schließt das sogar in ihrem Antrag ein, nämlich indem von politischer Seite aus bestimmt wird, was erforscht werden darf oder nicht. – Diese Zeiten aber sind in Deutschland zum Glück vorbei.
Das war in der DDR und in Russland so, dass nur das geforscht werden durfte, was politisch vom Politbüro abgezeichnet wurde.
Darüber sind wir zum Glück hinaus, Frau Kollegin Wissler. Wir werden auch alles dafür tun, dass das in Zukunft nie wieder passiert.
In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass die Freiheit von Forschung und Lehre das auch einbezieht.
Herr Kollege Grumbach, was die ethischen Bedenken angeht, so ist das etwas, was die Forscher heute am Ende alle betrifft und was alle diskutieren. Das muss auch diskutiert werden. Aber die ethische Betrachtung hat nichts mit dem zu tun, was Sie unter dem Stichwort Zivilklausel genannt haben.
Ich will noch eines sagen: Wir haben viele Bundeswehrstandorte, auch in Nordhessen; man denke etwa an Fritzlar, wo die Heeresflieger mit den Hubschraubern untergebracht sind, die nach Afghanistan gehen. Jede Neuerung in der Technik, die dort gemacht wird, dient der Sicherheit unserer Soldaten, die nach Afghanistan gehen. Ich frage Sie, was daran verwerflich ist, wenn Hochschulen daran forschen. Unsere Soldaten haben die beste Technik verdient, damit in den Krisengebieten Menschenleben gerettet werden können. Deswegen ist es eine sicherheits- und wehrtechnische Forschung, die am Ende in Deutschland nicht eingeschränkt werden darf.
Wir befinden uns in der Forschung im Wettbewerb, und ich bin nicht bereit, über solche Dinge zu diskutieren, die die Autonomie der Hochschulen einschränken und am Ende politisch festlegen, was geforscht werden soll.
Darüber sind wir hinaus. In diesem Sinne gibt es in Hessen auch sicherheits- und wehrtechnische Forschung; darüber bin ich froh. Ich setze auf die Vernunft der Hochschulen – das zeigt der Senatsbeschluss in Kassel.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Ich habe noch eine Wortmeldung von Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE vorliegen. Bitte schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will Sie jetzt nicht lange von der Mittagspause abhalten. Aber ich möchte ein paar Bemerkungen machen, weil ich in der Debatte angesprochen wurde.
Ich fange mit dem Kollegen May an. Sie hatten davor gewarnt, dieses Thema parteipolitisch zu besetzen. Natürlich ist das ein Stück weit ein schwieriges Argument, weil das letztendlich für jedes Thema gilt. Auch bei jedem Thema, das Sie in dieser Woche in den Landtag eingebracht haben, kann man sagen, das sei eine parteipolitische Besetzung. Daher ist es ein bisschen schwierig, weil wir sonst faktisch keine Themen mehr einbringen könnten.
Ich erinnere mich an die Rede der Kollegin Erfurth, als wir den Gesetzentwurf zur Grunderwerbsteuer eingebracht haben.
Ja, wir hatten das auch nicht erwartet. – Das zeigt schon, dass es doch etwas bewegen kann, wenn man hier Themen zur Sprache bringt.
Ich glaube, es ist vollkommen klar – das wissen Sie wohl auch, Herr May –, dass wir den Hochschulen selbstverständlich nicht unterstellen, Angriffskriege vorzubereiten. Das haben wir auch so nicht in den Antrag hineingeschrieben. Ich will keinen Exkurs in die deutsche Außenpolitik unternehmen; das würde an dieser Stelle zu weit führen. Ich glaube nicht, dass Afghanistan ein Verteidigungsfall für die Bundeswehr gewesen ist, aber das möchte ich an dieser Stelle nicht vertiefen. Das ist jedenfalls explizit nicht der Vorwurf, den wir den Hochschulen machen.
Zu der Frage, ob wir darin eine falsche Behauptung aufgestellt haben: Ich habe es mir wirklich noch einmal angeschaut. Ich will mich nicht daran hochziehen, aber da gesagt wurde, wir hätten etwas Falsches hineingeschrieben, möchte ich das nur ungern so stehen lassen. Ich kann den großen Unterschied zwischen Ihrer und unserer Formulierung nicht erkennen. Wir haben auch nicht behauptet, dass der Senat eine Zivilklausel beschlossen habe; es ist uns auch klar, dass das noch im Verfahren ist. Wir haben gesagt:
Der Landtag begrüßt den Senatsbeschluss der Universität Kassel, der die Lehrenden der Universität dazu ermuntert, ihre Forschung an einem friedlichen und zivilen Leitbild zu orientieren.
Mir ist nicht ganz klar, worin hier die tiefe Differenz besteht. Aber vielleicht können wir das im Ausschuss klären. Ich bin mir jedenfalls nicht bewusst, dass wir hier eine falsche Behauptung kommuniziert hätten, weil uns klar ist, dass die Zivilklausel dort nicht in Kraft ist, sondern dass es einen Senatsbeschluss gibt, der in diese Richtung geht. Es gibt in Kassel übrigens einen Arbeitskreis zu dieser Zivilklausel, in dem sehr intensiv gearbeitet wird und zu dem wir Kontakt hatten.
(Günter Rudolph (SPD): Der ist doch gar nicht da! Das habe ich doch vorhin schon gesagt! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Er hat das nicht nötig!)
Das ist schade. – Ich habe darauf hingewiesen, dass es mit Dual Use natürlich problematisch und nicht einfach durchzusetzen ist. Gerade das, was er über Bremen sagt, ist doch interessant; denn das Beispiel zeigt, dass es funktionieren kann. Bremen war die erste Universität überhaupt, die eine Zivilklausel eingeführt hat. Jetzt gab es dort offensichtlich einen Fall, wo sich die Frage gestellt hat, ob es militärische Forschung ist oder nicht. Dann gibt es natürlich einen Abwägungsprozess und einen Auslegungsprozess; das ist völlig normal. Es wurde wohl entschieden, dass es sich nicht um Rüstungsforschung handelte. Daraufhin hat die freie Presse dort ihre Arbeit getan und gesagt, sie halte es für Rüstungsforschung. Es gab öffentlichen Druck, und die Zivilklausel hat gezogen. Deswegen ist mir überhaupt nicht klar, weswegen das von Herrn Schneider angeführte Beispiel gegen die Zivilklausel sprechen soll.
Nicht nur Bremen hat eine Zivilklausel, sondern auch die TU Berlin, Dortmund, Konstanz und Oldenburg. Frau Ministerin, es ist auch nicht ganz richtig, dass so etwas nie den Weg in ein Landesgesetz gefunden hat: Im Niedersächsischen Hochschulgesetz gab es eine Zivilklausel. Die hat damals Helga Schuchardt – das war die Wissenschaftsministerin im Kabinett Schröder in der rot-grünen Landesregierung von Niedersachsen – eingeführt, auch im Hochschulgesetz. Wir haben es auch damals in der Gesetzesberatung zum Hochschulgesetz eingebracht.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich es gut finde, dass wir diese Diskussion geführt haben. Ich habe bereits gesagt, dass ich mich über den Antrag der GRÜNEN freue, dem wir unsere Zustimmung sicher nicht verweigern werden, weil er einfach in die richtige Richtung geht. Ich bin auch dem Kollegen Grumbach sehr dankbar für seine Ausführungen. Ich muss sagen, dass es mich an einer Stelle schon sehr nachdenklich gestimmt hat – im Gegensatz zu anderen bin ich nicht beratungsresistent –, ob es nicht vielleicht doch der klügere Weg ist, eine solche Festschreibung – die man, wie ich finde, in einem Gesetz schon treffen kann – nicht an den Anfang, sondern an das Ende eines gesellschaftlichen Prozesses zu stellen. Diese Aussage, ob es nicht eine tiefere Verankerung findet, wenn man das in einem Prozess an den Hochschulen selbst macht, hat mich schon nachdenklich gestimmt.